Irans Regierung steht
Erstmals seit der Revolution bekleidet eine Frau ein Ministeramt *
Knapp drei Monate nach seiner Wiederwahl kann der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad
seine zweite vierjährige Amtszeit antreten. Das Parlament in Teheran bestätigte am Donnerstag 18
der 21 Mitglieder seines neuen Kabinetts.
Zweieinhalb Monate nach seiner umstrittenen Wiederwahl hat Irans Präsident
Mahmud Ahmadinedschad im Parlament die Rückendeckung für sein Kabinett erhalten. Die
Abgeordneten billigten am Donnerstag (3. Sept.) die Ernennung von 18 der 21 von ihm vorgeschlagenen
Kandidaten, unter ihnen erstmals seit der Islamischen Revolution auch eine Frau. Die 50-jährige
Marsieh Wahid Dastdscherdi wird neue Gesundheitsministerin in Iran.
Von den 18 gebilligten Kandidaten gehörten sieben bereits der bisherigen Regierung
Ahmadinedschads an. Abgelehnt wurden die Kandidatinnen für die Ressorts Bildung und Soziales,
Susan Keschawars und Fatemeh Adschorlu, sowie der designierte Energieminister Mohammed
Aliabadi.
Mit überwältigender Mehrheit stimmten die Abgeordneten für die Ernennung Ahmad Wahidis zum
Verteidigungsminister. Wahidi wird wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung am Anschlag auf ein
jüdisches Kulturzentrum in Buenos Aires im Juli 1994 mit 85 Todesopfern von Argentinien
international gesucht. Seine Berufung sei eine »Ohrfeige für Israel«, sagte Wahidi gegenüber AFP.
Bei der Bekanntgabe des Ergebnisses durch den Parlamentspräsidenten Ali Laridschani riefen die
Abgeordneten »Tod Israel«.
Ahmadinedschad machte keine Angaben dazu, wen er für die drei offen gebliebenen Posten –
Bildung, Energie und Soziales – nominieren werde. Bis zuletzt stritt das Parlament über den
designierten Ölminister Massud Mir Kasemi und den neuen Innenminister Mostafa Mohammed
Nadschar. Der amtierende Handelsminister Hamid Resa Katusian warf Kasemi noch unmittelbar vor
der Abstimmung mangelnde Kompetenz vor. Kasemi sei nicht in der Lage, die Interessen Irans als
zweitgrößtem OPEC-Mitglied bei Treffen der erdölexportierenden Länder zu vertreten. Nadschar
stand in der Kritik, weil er als Kommandeur der Revolutionsgarden vom Verteidigungs- ins
Innenministerium wechseln soll. Dies könne dem Ausland signalisieren, dass die »politische
Atmosphäre militarisiert« sei, sagte der Abgeordnete Dschamschid Ansari.
Ahmadinedschad hatte die Parlamentarier vor der Abstimmung um ihre Zustimmung gebeten. »Ein
einhelliges Votum für die 21 Mitglieder der Regierung wird den geistlichen Führer erfreuen und eine
Ohrfeige für repressive Kräfte sein«, sagte der Präsident.
* Aus: Neues Deutschland, 4. September 2009
Die Einzige **
Marsieh Wahid Dastdscherdi lässt sich offenbar nicht beeindrucken von dem teils ablehnenden
Echo, das ihre Ernennung zur iranischen Ministerin hervorrief – der ersten seit der Islamischen
Revolution. Sie sei, so sagte sie am Donnerstag, »stolz und erhobenen Hauptes«. Da war sie
gerade mit 175 gegen 82 Stimmen im iranischen Parlament als neue Gesundheitsministerin
bestätigt worden. Massive Kritik mussten auch männliche Ministerkandidaten einstecken, von denen
sich einige viel knapper als Frau Dastdscherdi behaupteten. Andere wurden ganz abgelehnt,
darunter auch zwei weitere Frauen. Damit müsse man leben in der Politik, sagt sie.
Was sie verständnislos macht, ist die Tatsache, dass die drei im August nominierten Frauen von
Anfang an von Aktivistinnen der iranischen Frauenbewegung hart kritisiert wurden: als
Schoßhündchen des Präsidenten, als linientreue Marionetten und auch als inkompetent und
überflüssig. Damit sind die Kritikerinnen – sicher ungewollt – recht nahe beim erzkonservativen
Ajatollah Ahmed Chatami: Der Islam respektiere zwar die Frauen. Das, so Chatami mit Verweis auf
von ihm vermutete generelle Defizite bei Frauen, sei allerdings kein Grund, sie in öffentliche Ämter
zu berufen.
Die neue Ministerin aber zeigt sich davon nicht beeindruckt, spricht vielmehr von der Verwirklichung
eines Traums. Vielleicht auch deshalb, weil sie auch bisher schon auf eine respektable
Lebensleistung zurückblicken kann. 1959 in Teheran geboren, studierte Dastdscherdi an der
Teheraner Universität Medizin und arbeitete später als Gynäkologin. Daneben lehrte sie als
Dozentin an der Teheraner Universität.
»Nebenbei« begann sie 1992 eine politische Karriere als Parlamentsabgeordnete. Ab 1997 hatten
wieder ärztliche Praxis und Universität den Vorrang – diesmal als Dekanin der Medizinfakultät auf
der Insel Kisch im Golf.
Den Vorwurf, sie tue nichts für Frauenrechte, kontert sie mit dem Argument, sie setze sich in erster
Linie für »medizinische Gerechtigkeit« ein. Nicht nur die Einwohner in Großstädten, sondern auch
die Unterprivilegierten in abgelegenen Provinzen und Dörfern sollten ein Recht auf hochwertige
medizinische Versorgung haben.
Roland Etzel
** Aus: Neues Deutschland, 5. September 2009
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