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Weltweiter Protest für die Verhafteten in Iran

Globaler Aktionstag zur Unterstützung der iranischen Bürgerrechtsbewegung / Hungerstreik und Kundgebung am Brandenburger Tor

Mit Kundgebungen in vielen Städten der Welt soll am heutigen Samstag (25. Juli) die Opposition in Iran unterstützt werden. Zu dem »globalen Aktionstag« haben Organisationen wie Amnesty International und Reporter ohne Grenzen aufgerufen. Vor dem Brandenburger Tor in Berlin haben sich Demonstranten zu einem Hungerstreik versammelt. In Iran selbst wurden erneut die Freitagsgebete zu Kritik an der Regierung genutzt.

»Nieder mit der Islamischen Republik Iran«, rufen die rund 50 Frauen und Männer immer und immer wieder. Sie haben sich gestern (24. Juli) vor dem Brandenburger Tor in Berlin versammelt. Trotz strömenden Regens haben es sich die Exil-Iraner auf Isomatten auf dem Mittelstreifen des Pariser Platzes eingerichtet. Um sie herum sind Spruchbänder ausgebreitet, auf denen die Freilassung aller politischen Gefangenen sowie die Abschaffung von Folter und Todesstrafe in Iran gefordert werden.

Die Protestierenden, von denen viele selbst in den 80er Jahren in Iran politisch inhaftiert waren, befinden sich seit gestern morgen im Hungerstreik. Anlass für die Aktion sind die jüngsten Verhaftungswellen in der Islamischen Republik Iran. Mit ihrer Aktion wollen sie sich mit den Gefangenen solidarisieren und vor einem möglichen Massaker warnen.

»Wir wollen denen eine Stimme geben, die während der jüngsten Massenproteste in Iran festgenommen wurden. Denn wir wissen, was die Gefangenen jetzt durchmachen«, erklärt Mojdeh Arassi, eine der Organisatorinnen.

Die Veranstalter schätzen, dass in den letzen Wochen mehrere Demonstranten getötet und zwischen 3000 und 5000 Personen von den Sicherheitskräften inhaftiert worden seien, zumeist Studierende und Journalisten. Die aktuellen Verhaftungswellen erinnerten die Protestierenden an ihre eigenen traumatischen Erfahrungen, die sie als Mitglieder des Widerstands gegen die iranische Republik gemacht hätten. In Redebeiträgen schildern ehemalige politische Gefangene, die meisten von ihnen Frauen, was ihnen in den Gefängnissen des iranischen Staates widerfahren ist.

Unter ihnen ist Sefarehe Abassi, die 1981 zusammen mit ihrer Mutter, ihrem Bruder und ihrer 15 Tage alten Tochter von der iranischen Polizei verhaftet wurde. Acht Jahre habe sie in verschiedenen iranischen Gefängnissen verbracht, davon zwei in Isolationshaft; mehrfach sei sie gefoltert worden. Während dieser Zeit habe es mehrere Massaker an Gefangenen mit Tausenden Toten gegeben, sie selbst sei aufgrund internationalen Drucks entlassen worden. Dem oppositionellen Präsidentschaftskandidaten und offiziellen Anführer der aktuellen Proteste in Iran will man sich hier im Zentrum der Bundeshauptstadt allerdings nicht anschließen. Dass Mir Hussein Mussawi heute von Menschenrechten spreche, sei lächerlich, erklärt Arassi. Mussawi war in den 80er Jahren Ministerpräsident, habe in jener Zeit Tausende von Linken und anderen demokratisch Denkenden im Gefängnis umbringen lassen und Minderheiten unterdrückt. Daran erinnern sich die Opfern mit Grauen.

Auch deshalb wollen die Hungerstreikenden gemeinsam mit Menschenrechtsorganisationen am heutigen Samstag weltweit mit einem Aktionstag für Menschenrechte und Meinungsfreiheit in Iran demonstrieren. Geplant sind Demonstrationen unter anderem in Paris, Rom und New York. Die zentrale Kundgebung in Deutschland beginnt um 13 Uhr auf dem Potsdamer Platz in Berlin.

In Iran selbst spitzt sich der Streit um die Ernennung des ersten Stellvertreters von Präsident Mahmud Ahmadinedschad weiter zu. Der einflussreiche konservative Geistliche Ahmed Chatami forderte den Staatschef während des Freitagsgebets auf, den erst vor einer Woche ernannten Esfandiar Rahim Maschaie wieder von dem Posten des ersten Vizepräsidenten abzuberufen. Da diese Forderung auch die Meinung des obersten Geistlichen Führers Ayatollah Ali Chamenei wiedergebe, sei Ahmadinedschad zum »schnellstmöglichen« Gehorsam aufgefordert.

* Aus: Neues Deutschland, 25. Juli 2009


Vereint gegen Iran

Von Rüdiger Göbel **

In gleich 105 Städten weltweit soll an diesem Samstag ein »globaler Aktionstag für den Iran« veranstaltet werden. Mit grünen Bändchen, Lichterketten und Mahnwachen soll unter dem Internet-Twitter-Slogan »united4iran« (Vereint für Iran) Solidarität mit der Oppositionsbewegung am Persischen Golf bekundet werden. Vor dem Brandenburger Tor in Berlin und der UNO-Zentrale in New York hungern Exiliraner dem Regime change in Teheran entgegen. Befristet für drei Tage wollen sie nichts essen, um die Öffentlichkeit auf die Verfolgung und Unterdrückung der politischen Opposition in ihrem Heimatland aufmerksam zu machen, heißt es in einer Erklärung. So weit so gut.

Hintergrund der international koordinierten Kampagne sind die Massenproteste nach den Präsidentschaftswahlen im Iran Mitte Juni und die brutalen Repressionsmaßnahmen gegen die Anhänger des unterlegenen Kandidaten Mirhossein Mussawi. Dabei wurden nach Behördenangaben 20 Demonstranten getötet und mehrere hundert verhaftet. Aber: Im Unterschied zur linksorientierten Demokratiebewegung in Honduras etwa nimmt die Protestwelle in Grün in der Berichterstattung der westlichen Medien breiten Raum ein.

Was die von Amnesty International, Reporter ohne Grenzen und Human Rights Watch, von Volksmudschaheddin, Schah-Anhängern und anderen exiliranischen Gruppen initiierten Protestaufrufe für den »Global action day« gemeinsam haben, ist das kollektive Schweigen zu den unverhohlenen Kriegsdrohungen gegen Iran. Ob gewollt oder nicht wird damit die vom Westen betriebene Dämonisierung Teherans befördert. Israel schließt mittlerweile selbst den Einsatz von Nuklearwaffen nicht aus und spricht damit den 73 Millionen Iranern das Recht auf Leben ab. Einzig die »Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges« (IPPNW) machen auf diese kalkulierte massenhafte Verletzung des grundlegendsten Menschenrechts aufmerksam. Angesichts der jüngsten militärischen Drohungen Tel Avivs gegenüber Teheran appelliert die 1985 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Ärzteorganisation an die Bundesregierung, die von Israel bestellten U-Boote der »Dolphin«-Klasse nicht auszuliefern. Außerdem soll sie auf die Regierung Benjamin Netanjahus einwirken, die Vorbereitungen auf einen Angriff einzustellen.

Laut Bericht der britischen Times (16. Juli 2009) haben zwei israelische Lenkwaffen-Korvetten und ein von Deutschland geliefertes U-Boot bereits den Suezkanal durchfahren. Zudem sind israelische Kriegsschiffe ins Rote Meer verlegt worden. Israel besitzt insgesamt drei in Deutschland produzierte »Dolphin«-U-Boote, genehmigt und im Bau sind zwei weitere. Diese verfügen ab Werk über Torpedorohre zweier unterschiedlicher Kaliber, was laut IPPNW nur im Hinblick auf eine nukleare Bewaffnung einen Sinn ergibt.

Wie jüngste Studien bewiesen, müsse auch bei einem begrenzten Einsatz von Atomwaffen mit einer hohen Zahl ziviler Opfer gerechnet werden, betonte IPPNW-Vorsitzende Claußen am Freitag. Eine IPPNW-Untersuchung aus dem Jahr 2003 zeige, daß selbst bunkerbrechende Atomwaffen ein Gebiet von mehreren Quadratkilometern radioaktiv verseuchen würden. Die Strahlung unterscheidet nicht zwischen Regimeanhängern und -gegnern.

** Aus: junge Welt, 25. Juli 2009

Proteste in aller Welt stärken iranischer Opposition den Rücken ***

Begleitet von Solidaritätskundgebungen in aller Welt haben am Samstag (25. Juli) in Teheran erneut hunderte Anhänger der iranischen Opposition gegen die umstrittene Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad protestiert. Polizei und Angehörige der regierungstreuen Basidschi-Miliz gingen laut Augenzeugen gewaltsam gegen die Demonstranten vor.

Oppositionsanhänger in den Stadtbezirken Wanak und Mirdamad riefen «Tod dem Diktator» und «Wir wollen unsere Stimme zurück». Bei Einbruch der Nacht stiegen zahlreiche Teheraner auf ihre Dächer und riefen offenbar mit Blick auf die internationalen Proteste: «Mutige Nachbarn, danke für eure Unterstützung!»

Weltweit demonstrierten tausende Menschen für die Menschenrechte und gegen die Niederschlagung der Proteste im Iran. Allein in Berlin gingen hunderte Menschen auf die Straße, in Frankfurt gab es mehrere Demonstrationszüge.

Bei einer Kundgebung vor hunderten Menschen in Amsterdam rief die iranische Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi die internationale Gemeinschaft auf, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen. Sie forderte eine neue Abstimmung unter Aufsicht der Vereinten Nationen.

In London versammelten sich rund 600 Demonstranten vor der iranischen Botschaft. In Brüssel führten Protestierende Plakate mit Fotos von Inhaftierten oder Getöteten mit sich, darunter von Neda Agha Soltan, die nach ihrem Tod zu einem Symbol der Protestbewegung wurde. In Paris gingen ebenfalls hunderte Menschen auf die Straße, auch vor dem UN-Sitz in Genf und in Rom wurde demonstriert.

Geplant waren Aktionen in weltweit mehr als 80 Städten. Die Demonstranten riefen die Regierung in Teheran zu einem Ende ihres harten Vorgehens gegen die Opposition auf und forderten die Freilassung Hunderter Menschen, die nach der umstrittenen Wahl am 12. Juni festgenommen wurden. Sie forderten weiter, umgehend Medien- und Versammlungsfreiheit herzustellen und die Verantwortlichen für die Gewalt der vergangenen Wochen zur Rechenschaft zu ziehen. Der Aktionstag wurde von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch unterstützt.

Die Demonstranten in Berlin legten laut Amnesty zum Gedenken an die seit der Wahl getöteten Menschen weiße Blumen nieder. Die Menschenrechtsorganisation spricht von mindestens 30 Toten. Mehr als 2.000 Menschen wurden offiziellen Angaben zufolge festgenommen, mindestens 40 Journalisten und Blogger sind inhaftiert.

Iranische Opposition wirft Behörden Folter vor

Die iranische Opposition warf den Behörden unterdessen vor, Demonstranten und Aktivisten gefoltert zu haben. Damit sollten Geständnisse der Festgenommenen erpresst werden, hieß es einem Schreiben, das am Samstag von Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi, dem ehemaligen Präsidenten Mohammad Chatami und 67 weiteren prominenten Reformern an Geistliche in der Theologenstadt Kom geschickt wurde. Die Kleriker sollten Druck auf die Regierung ausüben, damit die Festgenommenen wieder auf freien Fuß kommen.

Mahdi Karrubi, einer der Unterzeichner und Kandidat bei der Präsidentenwahl, sandte darüberhinaus einen Brief an Geheimdienstchef Gholam Hossein Mohseni Edschehi, in dem er das Vorgehen gegen die Demonstranten scharf kritisierte. Frauen seien mit Stöcken geschlagen und zu Boden geworfen worden, protestierte er.

Nachrichtenagentur AP, 25. Juli 2009




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