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Schwachpunkt Dollar

Konflikt zwischen Iran und dem US-geführten Westen eskaliert auch an der Wirtschaftsfront. Wird der Ölpreis bald in Euro bestimmt?

Von Steffen Bogs und Klaus Fischer *

Die Entspannung war nur von kurzer Dauer. Kaum hatte der Iran 15 inhaftierte britische Soldaten freigelassen, verkündete Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad am Ostermontag Neues vom Nuklearprogramm seines Landes. In der Atomfabrik Natans sagte der Politiker, sein Land könne nun Uran anreichern. Dies gilt allgemein als eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Betrieb von Kernkraftwerken -- und den Bau von Atombomben. Der Iran werde bestimmten westlichen Staaten nicht gestatten, diese Fähigkeit zu unterlaufen, so der Staatschef. Allerdings ist der Streit um Teherans Nuklearprogramm nicht der einzige Punkt, der zu Eskalation beiträgt. Auch an der ökonomoschen Front sind Prozesse im Gang, die den von russischen Geheimdiensten lange Zeit für Karfreitag prognostizierten Angriff der USA und Israels zu einem anderen Zeitpunkt möglich scheinen lassen.

Nicht »eingepreist«

An den Finanzmärkten glauben die meisten Händler und Analysten nicht an eine kriegerische Auseinandersetzung USA--Iran. Besser noch, sie wollen es nicht. Die ökonomischen Risiken einer derartigen Auseinandersetzung »einzupreisen« hieße: Explosion des Ölpreises, eine deutliche Verteuerung von Erdgas. Im Schlepptau würden sämtliche Ansätze eines konjunkturellen Aufschwungs in den westlichen Industriestaaten im Keim erstickt. Iran weiß um die entscheidende Schwachstelle der USA und des gesamten kapitalistischen Wirtschaftssystems -- den Dollar. Der muß ohnehin permanent mit der geballten Kraft aller politischen Akteure wie Staaten, deren Zentralbanken, sowie internationalen Wirtschafts- und Finanzinstitutionen vom Schlage des IWF, vor dem Kollaps bewahrt werden. Jetzt hat Teheran geschickt an dieser Sollbruchstelle des Weltkapitalismus angesetzt, um den USA auch ökonomisch einzuheizen. So will die Staatsbank ihre Devisenreserven umschichten und den Dollaranteil reduzieren. Zentralbankchef Ebrahim Sheinbany nannte als Grund für diese Entscheidung die Sanktionen, die der UN-Sicherheitsrat gegen sein Land verhängt hatte.

Geplant sei, US-Dollar durch Euro und Yen zu ersetzen, ließ die Bank verlauten. Zwar ist die Summe der vom Iran angehäuften US-Währung nicht riesig, aber mit 58 Milliarden US-Dollar immerhin groß genug, um beim Verkauf auf die Währungsnotierung Einfluß zu haben. Iran steht an 17. Stelle unter den Nationen, die Dollarbestände angesammelt haben. Den ersten Platz nimmt immer noch China ein. Das Reich der Mitte hat inzwischen die erkleckliche Summe von 1,04 Billionen US-Dollar gehortet -- mit allen Konsequenzen, die sich daraus für das eigene und das internationale Wirtschafts- und Währungsgefüge verbinden.

Gravierender als der Verkauf von ein paar Milliarden Dollar ist die Absicht der iranischen Regierung, seine Erdölrechnungen nicht mehr in der US-Währung, sondern in Euro zu legen. Das könnte nach Ansicht von Beobachtern dem »Greenback« als Weltleitwährung den Todesstoß versetzen. 2006 verkaufte der Iran Öl im Wert von 46 Milliarden US-Dollar. Das Land rangiert mit einer jährlichen Menge von ca. 200 Millionen Tonnen Erdöl an vierter, und mit 80 Milliarden Kubikmetern Erdgas an siebter Stelle der Förderländer. Es verfügt zudem über die drittgrößten nachgewiesenen Ölreserven (ca. 18 Milliarden Tonnen).

USA im Zugzwang

Washington wird sich die Infragestellung des Petrodollar kaum bieten lassen. Sollte dieses Beispiel Schule machen, könnte es schnell vorbei sein, mit der ökonomischen US-Herrlichkeit. Denn noch ist es so, daß beim Kauf von Erdöl die jeweilige Landeswährung des Käufers erst in Dollar umgetauscht werden muß. Damit wird eine permanente Nachfrage nach der US-Währung erzeugt, die deren struktureller -- und faktischer -- Schwäche entgegensteht. Einer Studie der US-Beratungsgesellschaft Pimco zufolge, ließen die Erdölexporteure seit 2001 ca. 1,2 Billionen Dollar aus ihren Gewinnen in die Anlegermärkte der USA fließen. Dieses Geld gleicht einen gewichtigen Teil der eklatanten Handelsbilanzdefizite des größten Schuldners der Welt aus. Seit 1985 haben die Vereinigten Staaten aus dem internationalen Warenhandel ein Minus von etwa sechs Billionen Dollar angesammelt. Das ist etwa die Hälfte des ohnehin durch Immobilien­blasen und andere Apothekerzahlen aufgeblähten US-Bruttoinlandsproduktes. Für die USA und deren politische Supermachtaktivitäten ist es überlebenswichtig, daß der Dollar Petrodollar bleibt und als wichtigste Weltwährung eine Finanzierung der ökonomisch aberwitzigen Dauerkonsumorgie in seinem Heimatland quasi verbrieft. Dafür, so viele Experten, riskiert Washington unter Führung der Republikaner zweifellos einen Krieg.

Zweifelhaft allerdings ist der Ausgang einer solchen Auseinandersetzung. Teheran ist bei weitem nicht so wehrlos, wie Saddam Husseins Irak. So könnte das iranische Militär nach Ansicht von Experten recht zügig die Straße von Hormuz dichtmachen. Ein Drittel der weltweiten Erdöltransporte aus Saudi-Arabien, Kuwait, Iran, Irak und den Emiraten laufen durch dieses Nadelöhr am Persischen Golf. Eine veritable Ölkrise wäre die Folge. Und die im iranischen Besitz vermuteten russischen SS-N-27-Raketen könnten sogar den Symbolen der globalen US-Macht, den Flugzeugträgern, gefährlich werden. Gegen diese Anti-Schiffs-Marschflugkörper hat die US-Navy derzeit kein Abwehrmittel.

* Aus: junge Welt, 13. April 2007


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