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Iran spielt am Ölhahn nach Deutschland

Beide Seiten erhöhen den Druck im Streit um das Atomprogramm

Von Hermannus Pfeiffer *

Auf das Erdöl-Embargo der EU antwortet Teheran mit der Ankündigung eines eigenen Lieferstopps.

Der Streit um das Atomprogramm Irans spitzt sich auch wirtschaftlich weiter zu. Am Montag drohte das iranische Erdölministerium Deutschland und weiteren EU-Ländern mit einem Öllieferstopp. Die EU hatte kürzlich ein Ölembargo beschlossen, dass im Sommer wirksam wird.

Damit erhöhten beide Seiten den Druck. Der Westen will verhindern, dass Iran Atomwaffen baut; Teheran leugnet eine solche Absicht und besteht auf einer »friedlichen« Nutzung der Atomenergie. Ausgetragen wird der Konflikt diplomatisch, militärisch und wirtschaftlich. So versuchen Amerikaner und Europäer, den internationalen Zahlungsverkehr Swift für den iranischen Ölhandel mit Asien lahm zu legen.

Im Dezember hatte die Regierung Mahmud Ahmadinedschads gedroht, im Falle eines Ölembargos die Schifffahrtsstraße von Hormus zu blockieren. Von den rund zwölf Millionen Tonnen Öl, die täglich weltweit verbraucht werden, transportieren Tankschiffe über zwei Millionen durch die 180 Kilometer lange Meerenge vor Irans Küste. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate sowie Irak und Kuwait sind auf diesen Weg angewiesen. Auf die Blockadedrohung reagierte die US-Regierung im Januar mit der Entsendung eines zweiten Flugzeugträgers in den Persischen Golf. Bei der Fahrt durch die Straße von Hormus begleiteten auch französische und britische Kriegsschiffe den Flottenverband.

Ende Januar einigten sich die 27 EU-Außenminister darauf, ab Juli die Einfuhr iranischen Erdöls zu verbieten. Bis dahin dürfen jedoch laufende Verträge noch abgewickelt werden. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte, es sei inakzeptabel, dass Iran nach der Atombombe greife, »wir müssen beherzt reagieren«.

Am Wochenende konterte Iran überraschend - er verhängte seinerseits ein Embargo: Der staatliche Ölkonzern National Iranian Oil Company stellte seine (unbedeutenden) Lieferungen nach Großbritannien und Frankreich ein. Am Montag (20. Feb.) wurde mit einer Ausweitung des Lieferstopps auf Deutschland und weitere EU-Länder gedroht. Sollten diese Länder ihre »feindlichen Handlungen« fortsetzen, werde der Ölexport eingestellt, wird ein untergeordneter Beamter des iranischen Erdölministeriums zitiert. Ähnliche Drohungen hatte es wiederholt gegeben. Gefolgt von einem Dementi.

Sollte es wirklich dazu kommen, würden handfeste Sanktionen erst nach Wochen zu spüren sein, wenn die Tankschiffe ihr Ziel erreichen. Mit über 20 Milliarden Tonnen an Erdölreserven liegt Iran hinter Saudi-Arabien, Venezuela und Kanada weltweit an vierter Position. Dies entspricht knapp zehn Prozent der Welterdölreserven. Der Iran exportiert weit über die Hälfte seiner Förderung, der Rest wird für den Eigenbedarf und den Export etwa nach Griechenland veredelt. Zwei Drittel der iranischen Erdölexporte fließen laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) nach Asien, immerhin noch ein Drittel nach Europa. So träfe das EU-Embargo Teheran empfindlich. Allerdings zeichnet sich ab, dass dann mehr Öl nach Asien geliefert würde, zu einem niedrigeren Preis. China, Japan und Südkorea lassen nicht erkennen, dass sie auf die persischen Öllieferungen verzichten wollten. Europa kann dagegen ohne Iran-Öl auskommen. Lediglich knapp sechs Prozent der europäischen Ölimporte stammen aus Iran. Deutschland bezieht weniger als ein Prozent seines Öls aus Iran.

Doch egal wer den Ölhahn zudreht, es wird teuer. »Obwohl der Iran nur eine untergeordnete Bedeutung hat, wird ein Embargo beispielsweise durch einen steigenden Ölpreis für uns Auswirkungen haben«, warnt BGR-Erdöl-Experte Hans-Georg Babies. Die Ausfallmengen könnten zwar durch eine Steigerung der Förderung in anderen Ländern ausgeglichen werden, aber das habe seinen Preis. Von den bereits steigenden Rohölpreisen dürfte vor allem Russland profitieren.

Ölpreise

Am Montag (20. Feb.) war der Rohölpreis an den internationalen Börsen auf ein Neu-Monats-Hoch geklettert. Ein Barrel (159 Liter) der Nordsee-Sorte Brent wurde in London für 120,80 Dollar gehandelt. Als Grund nannten Händler und Analysten das Vorgehen Irans im Atomstreit, aber auch, dass die Chancen für eine starke Weltwirtschaft derzeit gut seien. Dies würde zu einer steigenden Nachfrage nach Rohöl führen.

Am Dienstag (21. Feb.) gaben die Ölpreise indes leicht nach - wegen der Verabschiedung des zweiten Hilfspakets für Griechenland. AFP/nd



* Aus: neues deutschland, 22. Februar 2012


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