Teheran zeigt Nerven
Iran zwischen Parteienverbot, Computerwurm und ökonomischen Problemen
Von Jan Keetman, Istanbul *
Ein iranisches Gericht hat jetzt zwei Oppositionsparteien verboten. Wie ein Justizsprecher nach
Angaben der Nachrichtenagentur ISNA am Montag mitteilte, dürfen die »Islamische Front Irans für
Partizipation« (IIPF) und die »Organisation der Mudschahedin der Islamischen Revolution«, (IRMO)
keine politischen Aktivitäten mehr entfalten. Die meisten Mitglieder der Parteien sind in Haft, weil sie
angeblich Anstrengungen zum Umsturz des Regimes unternommen haben sollen. Kurz zuvor war
bekannt geworden, dass auch die Zeitungen »Andishe No« (Neues Denken) und »Bahar Zanjan«
(Der Frühling von Zanjan) verboten wurden.
Es kam wie üblich aus heiterem Himmel, jedenfalls war von einem Verbotsverfahren gegen die einst
von Anhängern des ehemaligen Reformpräsidenten Ayatollah Mohammed Chatami gegründeten
und von seinem Bruder Mohammed Reza Chatami geführten IIPF öffentlich nichts bekannt. Das ist
ungefähr so, als würde man in Deutschland eines Morgens erfahren, ein nicht näher genanntes
Gericht habe soeben die SPD verboten. Wobei diese neuen Repressionsmaßnahmen Ausdruck
großer Unsicherheit in Teheran sind. In der Wirtschaft und selbst im Atomprogramm ist derzeit der
Wurm drin, und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Der Computerwurm Stuxnet macht die Runde.
Experten vermuten, dass der besonders komplizierte Computervirus – da er sich reproduziert, ein
»Wurm« – im Auftrag eines anderen Staates in die Welt gesetzt wurde, um industrielle Anlagen in
Iran, insbesondere Atomanlagen, zu schädigen. Teheran hat eingeräumt, das Laptops von
Mitarbeitern des ersten iranischen Kernkraftwerkes in Bushehr, das im Dezember ans Netz gehen
soll, betroffen sind – jedoch nicht die Anlage selbst. Allerdings sind die Computer von Mitarbeitern
genau die Schwachstelle, auf die Stuxnet zielt, da eine Anlage wie Bushehr aus Sicherheitsgründen
nicht mit dem Internet verbunden ist. Während das Außenministerium am Dienstag den Computer-
Schädling herunterspielte – »Jetzt kommt der Westen mit einer neuen Geschichte und einem neuen
Propaganda-Trick, den kein Mensch hier ernst nimmt«, so Außenamtssprecher Ramin
Mehmanparast –, warnte die iranischen IT-Organisation eindringlich vor dem Trojaner und forderte
alle Behörden auf, das Problem ernst zu nehmen. Etwa 30 000 Rechner in iranischen
Industrieanlagen sollen nach amtlichen Angaben von dem Virus infiziert worden sein.
Doch Stuxnet ist nur eines der Probleme für das Regime und bisher nicht mal das größte. Am
Wochenende fiel der Kurs des iranischen Rial gegenüber dem Dollar um drei Prozent. Zwei
mögliche Gründe werden genannt: ein Streik der Goldhändler im Teheraner Basar gegen eine
geplante Mehrwertsteuererhöhung und Schwierigkeiten wegen der Sanktionen, Geschäfte über die
Arabischen Emirate abzuwickeln. Der Basar war einst ein großer Rückhalt für das Regime, und der
Handel über die Arabischen Emirate ist nicht weniger wichtig. Wo man hinsieht, gibt es
wirtschaftliche Probleme. Selbst in der Landwirtschaft sind 70 0000 Arbeitsplätze verloren
gegangen. Auch die Landbevölkerung war bisher eine Stütze des Regimes.
Dabei beginnen die im Juni wegen des iranischen Atomprogrammes verschärften Sanktionen
gerade erst, Wirkung zu entfalten. Selbst Firmen, deren Produkte nicht unter die noch schmale
Embargoliste fallen, ist das Geschäft mit Iran nicht mehr geheuer. Das reicht vom deutschen
Stahlkonzern ThyssenKrupp bis zum südkoreanischen Fahrzeugbauer KIA. Ein schwerer Schlag
dürfte auch gewesen sein, dass Moskau überraschend den Verkauf von Flugabwehrraketen an Iran
verboten hat.
In die Lücke versucht die Türkei, die im UN-Sicherheitsrat gegen die Sanktionen stimmte, zu
springen. Ministerpräsident Tayyip Erdogan will den Handel mit Iran verdreifachen. Auch Irans
Geschäfte mit China florieren. Doch viel mehr Lichtblicke gibt es nicht. Hinzu kommt das
»Reformprojekt« der Regierung Ahmadinedschad. So soll mit den hohen Subventionen für Energie
und Grundnahrungsmittel Schluss sein. Die Iraner spürten es erstmals im September an
explodierenden Stromrechnungen. Um soziale Härten zu vermeiden, soll Bedürftigen nun direkt
geholfen werden. 74 Prozent der Haushalte haben bereits einen Antrag auf staatliche Hilfe gestellt.
Selbst ein so treuer Parteigänger Ahmadinedschads wie Ayatollah Ahmad Jannati hat in seiner
Freitagspredigt gewarnt: »Wir haben eine durchaus kärgliche Zeit vor uns.«
* Aus: Neues Deutschland, 29. September 2010
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