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Iran sucht nach neuen Freunden

Großmanöver sollen Israel warnen

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Regelrechte Luftkämpfe und die Zündung neuer Mittelstreckenraketen sind die Höhepunkte fünftägiger Manöver, die seit Sonntag in Iran veranstaltet werden. Es sind die bisher größten in der 30-jährigen Geschichte der Islamischen Republik. Trainiert wird die Abwehr eines israelischen Bombenschlags gegen iranische Atomanlagen.

Die Übung sei bereits vor Jahresfrist geplant worden, beschwichtigte Brigadegeneral Ahmad Mikani, Chef der iranischen Luftabwehr, die Aufregung im Westen. Das Manöver habe nichts mit der jüngsten Eskalation der Spannungen zu tun. Gemeint war die Ablehnung des UNO-Vorschlags, in Iran schwach angereichertes Uran in Russland und Frankreich weiterzuverarbeiten, durch Teheran.

Ergrimmt über die Abfuhr, drohte USA-Präsident Barack Obama bereits mit einer härteren Gangart. Für Diplomatie, warnte er im Gespräch mit seinem russischen Kollegen Dmitri Medwedjew am Rande des Asien-Pazifik-Gipfels in Singapur, bleibe nicht mehr viel Zeit. Nach iranischer Darstellung schwelgen israelische Medien zudem bereits in Details eines Präventivschlags gegen Iran. Das lässt allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz den Schluss zu, dass die Manöver sehr wohl als Warnung für Israel gedacht sind. Die Raketen des Typs »Shihab« (Komet), die Iran testet, sollen bis zu 2000 Kilometer weit reichen, könnten also auch Ziele in Israel angreifen. Und schon bald, kündigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums an, werde Irans Luftabwehr auch mit einheimischen Systemen ausgerüstet, die den russischen S-300 nicht nachstehen und jeden israelischen Angriff zuverlässig abwehren könnten.

Zwar hatten sich Moskau und Teheran bereits 2005 über die Lieferung moderner S-300-Luftabwehrsysteme geeinigt. Das Abkommen würde Russland etwa zwei Milliarden Dollar in die Kassen spülen. Geliefert wurde bisher jedoch nichts, obwohl Iran mehrfach drängte. Doch ebenso oft standen Emissäre Israels in Moskau auf der Matte. Zuletzt gaben sich Unterhändler beider Staaten im September in Russland die Klinke in die Hand. Teheran hatte offenbar die schlechteren Argumente und kassierte gleich danach die nächste diplomatische Niederlage: Für Obamas Ankündigung, die Stationierung des USA-Raketenschilds in Mitteleuropa bis 2015 zu vertagen, ließ Medwedjew Bereitschaft zu härteren Sanktionen gegen Iran wegen dessen Kernforschungsprogramm erkennen.

Teheran sucht seither nach neuen Partnern und favorisiert die Türkei. Zwar lieferten sich Sultane und Schahs über Jahrhunderte erbitterte Kämpfe. Heute indes haben beide freundschaftliche Beziehungen und die Türkei noch dazu gute Kontakte zu Israel. Beides, so Fjodor Lukjanow, Chefredakteur der Zeitschrift »Russland in der globalen Politik«, könnte dazu führen, dass die Türkei Russlands Part bei den Verhandlungen über Irans Kernforschungsprogramm einnimmt. Zumal Ankara Teheran die Urananreicherung in türkischen Anlagen angeboten hat. Und diesmal fiel Irans Antwort viel moderater aus. Niemand, so wurde Außenamtssprecher Ramin Mehmanparast zitiert, habe je behauptet, dass Iran sich dagegen sperrt, zu 3,5 Prozent angereichertes Uran im Ausland weiterverarbeiten zu lassen. Iran wolle lediglich hundertprozentige Garantien für die Rücklieferung von zu 20 Prozent angereichertem Uran. Das reicht für Brennelemente, nicht für Bomben.

* Aus: Neues Deutschland, 25. November 2009


Weitere Meldungen

Experte: Irans Ersatz für S-300-Raketen nur Bluff

MOSKAU, 25. November (RIA Novosti). Iran ist zurzeit kaum in der Lage, einen massiven Luftangriff abzuwehren, deshalb blufft die Staatsführung mit Militärmanövern und angeblich reifen Waffenprojekten, so der russische Experte Wladimir Jewsejew.

Irans Luftabwehrsysteme seien veraltet, sagte Jewsejew, der am russischen Institut für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen tätig ist, am Mittwoch (25. Nov.) in einem RIA-Novosti-Gespräch.

Der zur Verfügung stehende Fla-Komplex Tor-M1 mit seiner Reichweite von etwa 20 Kilometern sei selbständig kaum in der Lage, die iranischen Atomanlagen zu verteidigen. Er könne das nur in Kombination mit einem stärkeren System wie S-300. Das S-300-System würde dann den Schutz der eigentlichen Atomanlagen und der Tor-Komplex den Schutz der S-300-Stellungen übernehmen.

Iran habe aber vorerst keine S-300-Raketen. Deshalb fordere Teheran in letzter Zeit verstärkt von Russland, mit den vereinbarten Lieferungen dieser Waffen zu beginnen.

Die jüngste Erklärung, dass Iran in der Lage sei, vergleichbare Luftabwehrsysteme selbständig zu produzieren, bezeichnete Jewsejew als Desinformation. Wegen seines technologischen Rückstands werde Iran in den nächsten fünf Jahren kaum dazu fähig sein.

Das am Sonntag (22. Nov.) gestartete Manöver sei eher ein PR-Trick. Iran prüfe zwar die Option, mit einem Raketen-Gegenschlag auf einen eventuellen Angriff zu reagieren, in Wirklichkeit sei die Islamische Republik jedoch kaum fähig, einen etwa von Israel ausgehenden massiven High-Tech-Militärangriff abzuwehren, äußerte der Experte.


Raketen-Deal gestoppt: Scharfe Töne aus Iran gegen Russland -- Presse

MOSKAU, 25. November (RIA Novosti). Russlands Streben nach besseren Beziehungen zur neuen US-Administration beunruhigt zunehmend Iran, schreiben russische Zeitungen am Mittwoch.

Die Behörden in Teheran befürchten, dass sich Moskaus Position in Bezug auf Sanktionen und Waffenlieferungen verhärtet. Die Töne aus der Islamischen Republik werden immer forscher. Iranische Militärs drohen Russland mit einer Gerichtsklage und warnen davor, dass sie selbstständig Luftabwehrraketen bauen könnten, die den versprochenen S-300-Systemen ähneln.

Moskau hat sich dafür eingesetzt, Teheran noch Zeit zu geben, damit es über die Vorschläge der IAEO über den Tausch von angereichertem iranischem Uran gegen den Brennstoff für den Forschungsreaktor nachdenken kann. Diesem Vorgehen mussten auch Russlands westliche Partner aus der Sechser-Gruppe zu Iran zustimmen, die mit einem Zeitpunkt rechnen, an dem Moskau sich gezwungen sehen wird, die Verhärtung der Sanktionen gegen Iran zu akzeptieren.

Doch Teheran legt keinen besonders großen Wert auf die russische Hilfe. Gestern drohte General Mohammed Hassan Mansurian, stellvertretender Befehlshaber der Luftabwehr von Iran, Russland mit einer Gerichtsklage wegen der Nichterfüllung des Vertrags über den Verkauf der S-300-Raketen.

Ihm zufolge "könnte der Fall von internationalen Gerichtsinstanzen verhandelt werden", weil die russische Seite "die Erfüllung ihrer Verpflichtungen verweigert". Außerdem sei Iran, wie Mansurian erklärte, in der Lage, ein analoges Luftabwehrsystem zu entwickeln.

Die Erklärung der iranischen Militärs sehe aus wie ein Bluff, findet Marko Lukovic, Chefberater für Verteidigungsfragen in der britischen Beratungsfirma Frost & Sullivan. "Von den modernen Luftabwehrsystemen hat Iran in seiner Bewaffnung hauptsächlich importierte Technik, beispielsweise die 2007 gelieferten russischen Komplexe Tor-M1", sagte der Experte.

Irans Luftabwehr macht mehr als 3050 Waffeneinheiten, einschließlich der russischen Systeme 2K12 "Kub", der SS-200 und der 3SU-23-2 "Jenissej" aus. Es sei nicht ausgeschlossen, dass eine solche Erklärung die Bereitschaft der iranischen Militärs habe demonstrieren sollen, die Sicherheit des Landes selbstständig zu gewährleisten.

Inzwischen versucht Teheran, Moskau unter psychologischen Druck zu setzen. Ramin Mehmanparast, Sprecher des iranischen Außenministeriums, spielte gestern darauf an, dass sich die Einstellung der Öffentlichkeit in dem Land gegenüber Moskau verschlechtern könnte: "Die öffentliche Meinung in Iran reagiert recht sensibel auf die Einlösung der gegebenen Versprechen bestimmter Staaten. Es darf nicht zugelassen werden, dass in der iranischen Gesellschaft ein Gefühl der Kränkung zunähme."


Streit um S-300 für Iran: Moskau sieht keinen Verstoß gegen Verpflichtungen

MOSKAU, 17. November (RIA Novosti). Vor dem Hintergrund der iranischen Vorwürfe, Russland vereitle die vereinbarte Lieferung seiner S-300-Raketen an Teheran, streitet die Regierung in Moskau Verstöße gegen ihre internationalen Verpflichtungen ab.

Der Sprecher des russischen Außenministeriums, Andrej Nesterenko, wurde am Dienstag (17. Nov.) auf einer Pressekonferenz nach S-300-Lieferungen an Iran gefragt, gab aber keine eindeutige Antwort.

"Die russische Seite hält ihre Verpflichtungen im Bereich der militärtechnischen Kooperation verantwortungsvoll ein und wird auch weiterhin daran festhalten", hieß es.

Russland erfülle bei seiner Kooperation mit Iran auch alle internationalen Vorschriften. Es gehe "lediglich um die Lieferung von Verteidigungswaffen, die keine Destabilisierung in der Region verursachen können", so Nesterenko.

Die Nachrichtenagentur Mehr hatte am Freitag den iranischen Generalstabchef Seyyed Hassan Firuzabadi mit den Worten zitiert, Teheran sei mit den "russischen Freunden" unzufrieden: "Warum wird der Vertrag, nach dem Iran S-300-Luftabwehrsysteme für Verteidigungszwecke erhalten soll, trotz der zwischen den beiden Staaten getroffenen Vereinbarungen nicht erfüllt?".

Der Liefervertrag war im Dezember 2005 unterzeichnet worden. Ob und wann die Auslieferung beginnt, wurde bislang allerdings nicht bekannt gegeben. Die Zeitung "Wedomosti" berichtete am 22. Oktober, Russland habe den Vertrag auf Eis gelegt.


Experte: Schärfere Töne um S-300-Raketen belegen Irans Verwirrung

MOSKAU, 16. November (RIA Novosti). Da es ihm im Atomstreit nicht gelungen ist, die UN-Vetomächte zu spalten, wird Teheran nach Ansicht des russischen Auslands-Experten Wladimir Saschin unruhig und verschärft deshalb den Ton bei den Versuchen, russische S-300-Raketen zu bekommen.

"Ich denke, Russlands Haltung zum iranischen Atomprogramm wurde etwas korrigiert", sagte Saschin, der am russischen Orientalistik-Institut tätig ist, am Montag (16. Nov.) in einem RIA-Novosti-Gespräch.

Die Regierung in Teheran agiere in letzter Zeit nicht kompromissbereit und manchmal sogar provokativ. So habe sie bislang keine positive Antwort auf den IAEO-Vorschlag gegeben, das Uran in Russland anreichern zu lassen.

"Bald sagt Iran ,ja', bald ,nein', bald ,möglicherweise'. Das sieht für mich wie Zeitspiel aus", so Saschin. In den letzten sechs Jahren habe Iran versucht, die internationalen Vermittler (sechs UN-Vetomächte und Deutschland) zu spalten. Das sei zum Teil gelungen. Nun spüre Teheran, dass das Geduld der Sechs am Ende sei.

Vor diesem Hintergrund verändere sich auch Moskaus Haltung, obwohl der Kreml das Iran-Problem weiterhin diplomatisch lösen wolle. Russlands jüngste Erklärungen seien eine Art Warnung, sagte Saschin. Dmitri Medwedew hatte am Sonntag betont, die Gespräche mit Teheran seien kein Selbstzweck und bei ihrem Scheitern gebe es "andere Mittel".

Deswegen werde Iran unruhig, so Saschin weiter. Eine Bestätigung dafür sei der jüngste Appell an Moskau, mit den zuvor vereinbarten Lieferungen russischer S-300-Raketen zu beginnen.

Da die Vermittler eine einheitliche Haltung an den Tag legen, kann Iran zu Kompromissen bewegt werden, mutmaßte der Experte. Das Problem bestehe aber darin, dass es innerhalb der iranischen Elite keine Einheit in Bezug auf den weiteren Kurs gebe.

Alle Meldungen aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti; http://de.rian.ru




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