Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Neue Kriegsdrohungen gegen Iran

Von Knut Mellenthin *

Während sich Präsident Barack Obama noch bemüht, Russland und China für eine Verschärfung der UN-Sanktionen gegen Iran zu gewinnen, werden im amerikanischen Kongress die Rufe nach einem politischen und militärischen Alleingang der USA und Israels immer lauter.

So wird sich das Abgeordnetenhaus demnächst mit einem Resolutionsantrag von Louie Gohmert, einem Parlamentarier der Republikaner aus Texas, zu befassen haben. Derzeit sammelt der Abgeordnete, der bisher nicht durch außenpolitische Aktivitäten aufgefallen war, Unterstützer für seine Initiative. Nach Bekenntnissen zur "besonderen Freundschaft" mit Israel als "treuem Verbündeten der Vereinigten Staaten" kommt Gohmerts Entwurf zur Sache: "Das Abgeordnetenhaus (...) erklärt seine Unterstützung für Israels Recht, alle Mittel einzusetzen, die erforderlich sind, um der von Iran ausgehenden nuklearen Bedrohung zu begegnen und sie auszuschalten, Israels Souveränität zu verteidigen, und das Leben und die Sicherheit des israelischen Volkes zu schützen, einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt, wenn innerhalb einer vernünftigen Zeit keine andere, friedliche Lösung gefunden werden kann."

In der Antragsbegründung unterstellt Gohmert, dass Iran an Atomwaffen arbeitet und sie an Terroristen weitergeben könnte. Es fehlen auch nicht die üblichen falschen Zitate, wonach Präsident Mahmud Ahmadinedschad Israel "von der Landkarte fegen" wolle.

Auch die Jahreskonferenz der Israel-Lobby AIPAC Anfang voriger Woche stand völlig im Zeichen aggressiver Propaganda und offener Drohungen gegen Iran. Das wurde über das ohnehin zu erwartende Maß hinaus noch gesteigert durch das taktische Ziel, von den Meinungsverschiedenheit zwischen Washington und Jerusalem über die Siedlungsneubauten in den besetzten Gebieten abzulenken.

Den Vogel schoß dabei der republikanische Senator Lindsey Graham aus South Carolina ab, der für seine Partei im Streitkräfte-Ausschuss des Senats sitzt. Graham beschwor die Gefahr, dass dies die letzte AIPAC-Konferenz sein könne, bevor Iran seine ersten Atomwaffen besitzt. "Die Zeit ist nicht auf unserer Seite." Deshalb müssten "alle Optionen auf dem Tisch liegen", sagte der Senator und fügte hinzu: "Sie wissen genau, wovon ich spreche." Um aber wirklich jedes Missverständnis auszuschließen, fuhr er fort: "Wenn militärische Gewalt eingesetzt wird, sollte das auf endgültige Weise geschehen. Eine Fähigkeit des Iran zur konventionellen Kriegführung gegen seine Nachbarn und unsere Truppen in der Region darf es nicht mehr geben. Sie dürfen kein Flugzeug mehr haben, das fliegen kann, und kein Schiff mehr, das schwimmen kann."

"Die diplomatischen Bemühungen sind fehlgeschlagen", erklärte auch der demokratische Senator Charles Schumer aus New York in seiner Rede vor den 8000 Delegierten und Gästen der AIPAC-Konferenz. Der Iran sei zu nahe am Besitz von Atomwaffen, um die bisherige Politik fortzusetzen. "Die USA müssen Iran als erste treffen, selbstständig, mit einseitigen Sanktionen, ganz egal, was die anderen Nationen der Welt tun. Wir können nicht mehr warten, wir müssen diese Sanktionen jetzt sofort einsetzen. Wer können es uns nicht leisten, auf Russland oder China zu warten."

Neuen Stoff dürfte die Kampagne gegen Iran durch einen Artikel erhalten, den die New York Times am Sonnabend veröffentlichte. Unter Berufung auf "internationale Inspektoren und westliche Geheimdienste", aber ohne eine einzige Quelle konkret zu nennen, spekulierte das Blatt über zwei neue iranische Atomanlagen, die möglicherweise schon im Bau seien. Die New York Times wiederholte in diesem Zusammenhang auch Vermutungen, dass eine Aktualisierung des 2007 veröffentlichten Berichts der US-Geheimdienste über das iranische Atomprogramm kurz vor dem Abschluss stehe. Die Dienste hatten damals geschrieben, dass Iran sein "Atomwaffenprogramm" im Herbst 2003 eingestellt habe. Diese Aussage soll jetzt "korrigiert" werden.

* Dieser Beitrag erschien - leicht verändert - unter dem Titel "Rufe nach einem Alleingang" in der "jungen Welt" vom 29. März 2010

Aufrüstung im indischen Ozean / Christoph Bertram warnt vor weiteren Sanktionen

Im Folgenden dokumentieren wir zwei ganz unterschiedliche Meldungen: In der ersten deckt der "Sunday Herald" auf, dass die USA in der letzten Zeit zahlreiche Bunker Buster Bomben auf den Stützpunkt Diego Garcia verfrachtet hat, und vermutet, dass solche Waffen in einem möglichen Krieg gegen Iran Verwendung finden würden. Der zweite Text ist eine Sammlung von Aussagen des ehemaligen Direktors der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) zur westlichen Iran-Politik.

US Bunker Buster zur Insel Diego Garcia

The Sunday Herald. Hunderte der "US Bunker buster" Bomben wurden von Kalifornien zur britischen Insel Diego Garcia im indischen Ozean verschifft, wahrscheinlich zur Vorbereitung eines Angriffs auf den Iran.
The Sunday Herald schrieb, dass im Januar 10 Munitionskontainer auf die Insel kamen. Darunter 387 "Blue" Bomben, die für Untergrundstrukturen benutzt werden. Obwohl die Insel Diego Garcia ein Teil des British Indian Ocean Territory ist, wird sie als Militärbasis der USA benutzt, dazu gab es zwischen den USA und GB 1971 eine Übereinkunft. Aber zuerst mussten 2000 Einwohner der Insel gezwungen werden auf die Seychellen und Mauritius umzusiedeln. Der Sunday Herald berichtete 2007, dass die Lagerhallen für Stealth Bomber für die Bunker Buster Bomben hergerichtet worden seien.
(Quelle: INAMO-Nachrichtenticker, 14.03.2010)

"Wir manövrieren uns mit Sanktionen immer weiter in eine Sackgasse"

Christoph Bertram, ehemaliger Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, der wichtigste Think tank des Außenministeriums, äußerte sich in einem Interviews für n-tv vom 11. Februar 2010 zum iranischen Atomkonflikt. Das Interview führte Till Schwarze. Wir dokumentieren daraus ein paar Passagen:

Christoph Bertram: (...) Die Andeutungen von US-Präsident Barack Obama, er wolle mit dem Iran auf gleicher Augenhöhe und gegenseitigem Respekt über alle anstehenden ragen sprechen, ist bislang nicht wahr gemacht worden. Und die Iraner sind derzeit - auch aus innenpolitischen Gründen - nicht besonders begierig, sich mit dem Westen einzulassen. Solange es keine Bewegung gibt, und die müsste derzeit vom Westen ausgehen, wird die Entwicklung so weiter gehen wie bisher. (...)

(...) Dem Iran wurde vom Westen gesagt: Wenn Ihr nicht bis zum 31.12.2009 einlenkt, werden wir Sanktionen verkünden müssen. Für die Iraner hat es bisher kein glaubwürdiges Angebot zu einem umfassenden Gespräch gegeben. Deshalb muss man sich nicht wundern, wenn die Verhandlungen nicht weiterkommen.

Es gibt eine Anfrage der Iraner, ob sie für medizinische Zwecke angereichtertes Uran bekommen könnten. Auf diese Anfrage ist zwar geantwortet worden, aber unter Bedingungen, die der Westen allein bestimmen wollte: Der größte Teil des bisher angereicherten Urans soll aus dem Iran geholt, im Ausland aufbereitet und dann wieder zurück gebracht werden. Die Iraner sperren sich gegen die einseitige Festsetzung dieser Bedingungen.
Solange der Westen sich in diesem Punkt nicht bewegt, wird der Iran das Uran selbst anreichern.

Dieses Recht [zur Urananreicherung] hat er [der Iran] nach dem Nichtverbreitungsvertrag, dem er beigetreten ist. Der Westen argumentiert im Atomstreit bislang allerdings, dass der Iran gegen diesen Vertrag verstoßen hat und deswegen besondere Vertrauensbeweise erbringen muss. Dem kann man durchaus zustimmen, weil die Iraner vertragswidrig nicht alle ihre Aktivitäten in den vergangen 20 Jahren offen gelegt haben. Aber um hier weiterzukommen, müsste der Westen aufhören, sich allein auf die Nuklearfrage zu konzentrieren. Erst wenn alle politischen Beziehungen in die Verhandlungen einbezogen werden, wird man auch in der Nuklearfrage Fortschritte erzielen. (...)

(...) Praktisch seit Beginn der islamischen Revolution gibt es Sanktionen gegen das Land, und sie haben nichts bewirkt. Die Wahrscheinlichkeit, dass nun schärfere Sanktionen eine Wirkung haben werden, ist außerordentlich gering. Deshalb verwundert mich das Getöse des Westens nach dem Motto: Wir erlassen schreckliche Sanktionen und dann wird der Iran klein beigeben. Denn was ist, wenn die Sanktionen keinerlei Wirkung haben? Sagt der Westen dann: Ach schade, es hat nicht geklappt, und lässt es gut sein? Oder fangen wir dann an, uns militärische Maßnahmen zu überlegen, wie es der amerikanische Senator Joe Liebermann auf der Münchner Sicherheitskonferenz gefordert hat? Das kann es doch nicht sein. Wir manövrieren uns mit Sanktionen immer weiter in eine Sackgasse, von der wir wissen müssten, dass sie uns nicht zum Ziel führt. (...)

(...) Mit der Sowjetunion haben wir Entspannungspolitik betrieben. Und wir sind damit sehr erfolgreich gewesen. Dabei hat der Westen stets seine atomare Abschreckung aufrechterhalten und deutlich gemacht, dass er zu keinen Abstrichen an seiner Sicherheit bereit ist. (...) Es lassen sich in der Atomfrage keine Fortschritte erzielen, wenn der Westen nicht sagt: Wir wollen mit den Iranern zusammen Fortschritte erzielen; wir sind bereit, das über die ganze Bandbreite der politischen Beziehungen zu machen; wir sind dafür auch bereit, aggressive Akte, wie etwa Sanktionen, zu unterlassen.

Ein Iran mit Nuklearwaffen würde sich wie alle anderen Staaten mit Atomwaffen verhalten: Er würde diese Waffe auf keinen Fall für einen Angriff, sondern zur Abschreckung verwenden. Die Vorstellung, dass sich der Iran mit seinen paar Bomben gegen ein nuklear hoch gerüstetes Israel durchsetzen könnte, erscheint mir mehr als absurd. (...)

Quelle: n-tv, 11. Februar 2010 (Nuklearwaffen sollen abschrecken. Experte: Irans Bombe bedroht Israel nicht); www.n-tv.de




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