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Verbale Aufrüstung gegen Teheran

Nach IAEA-Bericht zu Irans Atomprogramm dringen USA und Deutschland auf Sanktionen / Chamenei: Vorwürfe absurd

Mit Besorgnis und Drohungen haben am Freitag (19. Feb.) vor allem westliche Staaten auf einen Bericht der IAEA reagiert, dem zufolge Iran bereits an einer Atomwaffe arbeiten könnte. Die USA warnten Teheran vor »Konsequenzen«. Auch aus Berlin wurde Iran mit weiteren Sanktionen gedroht. Russland forderte das Land auf, den Verdacht zu entkräften. Iran zeigte sich dagegen gelassen.

Die US-Regierung sieht sich durch den jüngst bekannt gewordenen Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) über das iranische Atomprogramm in ihren Forderungen nach weiteren Sanktionen gegen Teheran bestärkt. »Der Bericht zeigt ein Mal mehr, dass Iran sich nicht an seine internationalen Verpflichtungen gehalten hat«, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs. Für diesen Fall hätten die USA immer Strafmaßnahmen gefordert.

Russlands Generalstab warnt USA vor Militärschlag gegen Iran

Der russische Generalstabchef Nikolai Makarow schließt einen US-Militärschlag gegen den Iran nicht aus und befürchtet, dass dieser Angriff „schreckliche Flogen“ haben wird.

Sobald das Pentagon seine Aufgaben in Afghanistan und dem Irak löse, entscheide es sich möglicherweise für einen Angriff auf den Iran, sagte Makarow am Mittwoch.

„Ich denke, die Folgen dieses Angriffs werden nicht nur für die Region, sondern auch für uns und die ganze internationale Gemeinschaft schrecklich sein. Was daraus resultiert, ist schwer prognostizierbar“, so der russische Generalstabchef.

Der Iran sei Russlands Nachbar. Die Regierung in Moskau verfolge die Situation aufmerksam und gebe sich Mühe, um diesen Krieg zu verhindern, hieß es.

Quelle: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 17. Februar 2010; http://de.rian.ru



In dem geheimen Bericht von IAEA-Chef Yukiya Amano ist von einer »möglichen Existenz von früheren oder derzeitigen Aktivitäten« die Rede, »die mit der Entwicklung einer nuklearen Sprengladung für eine Rakete in Zusammenhang stehen und geheim gehalten werden«. Außerdem bestätigte Amano, dass Iran damit begonnen habe, Uran auf 20 Prozent anzureichern. Dies hatte Iran zuvor angekündigt und mit medizinischer Forschung begründet.

Teheran wies die Absicht eines Atomwaffenbaus, für den eine Urananreicherung von 85 Prozent nötig wäre, entschieden zurück. Irans offizieller Vertreter bei der IAEA, Ali Asghar Soltanieh, bezeichnete den IAEA-Bericht als »langweilig und nicht neu«. Das geistliche Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei sprach laut einem Bericht des iranischen Fernsehens von »absurden und überholten Kommentaren«, mit denen Vertreter der USA und anderer westlicher Staaten Iran eine Atomwaffen-Absicht unterstellten. »Wir glauben keineswegs an die Atombombe, und wir versuchen nicht, sie zu bekommen«, sagte Chamenei vor ranghohen Militärs bei einer Veranstaltung in einem Militärhafen am Persischen Golf, wo er der Indienststellung des ersten im Lande gebauten iranischen Zerstörers beiwohnte.

Die Bundesregierung sieht sich dagegen in ihrer »großen Besorgnis« bestätigt, erklärte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Freitag (19. Feb.) in Berlin. Alle drängenden Fragen blieben unbeantwortet. Gegenüber Iran gelte zwar weiterhin die Politik der ausgestreckten Hand, Deutschland strebe eine diplomatische Lösung an, sagte Wilhelm. Die »fortgesetzte Missachtung« der internationalen Forderungen durch Iran zwinge die Weltgemeinschaft jedoch dazu, »den Weg weiterer Sanktionen gegen Teheran zu gehen«.

In Paris forderte ein Sprecher des französischen Außenministeriums, der Weltsicherheitsrat müsse in den nächsten Wochen die Verabschiedung neuer Maßnahmen in Angriff nehmen. Er mahnte »Entschlossenheit« gegenüber der Islamischen Republik an.

Auch die israelische Regierung verlangte umgehend »effektive Sanktionen«. Der Führung in Teheran müsse klar gemacht werden, dass sie einen hohen Preis bezahle, wenn sie ihr Atomprogramm weiter vorantreibe. Israels Präsident Schimon Peres forderte darüber hinaus eine »moralische Verurteilung« der iranischen Regierung. Diese müsse noch vor Wirtschaftssanktionen geschehen.

Der russische Außenamtssprecher Andrej Nesterenko sagte, Moskau rufe die Führung in Teheran mit Nachdruck zu einer aktiveren Zusammenarbeit mit der IAEA auf. Moskau schließe zudem als Vetomacht im UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen Iran nicht aus.

Laut dem schwedischen Außenminister Carl Bildt ist es dagegen »schwer zu sagen«, ob Iran heimlich an Atomwaffen baue. Dies sei allerdings vor Jahren der Fall gewesen. US-Geheimdienste hatten 2007 die Ansicht vertreten, dass Iran 2003 sein Atomwaffenprogramm vermutlich gestoppt habe.

* Aus: Neues Deutschland, 20. Februar 2010


Infos aus trüber Quelle

Von Knut Mellenthin **

Endlich einmal ein Iran-Bericht der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA), mit dem die US-Regierung völlig zufrieden ist! Er enthalte »viele besorgniserregende Dinge«, rühmte Philip Crowley, Sprecher des State Department. Vizepräsident Joseph Biden ging sofort zur praktischen Seite über: »Gemeinsam mit unseren internationalen Partnern arbeiten wir daran sicherzustellen, daß der Iran wirkliche Konsequenzen dafür zu spüren bekommt, daß er sich nicht an die internationalen Abmachungen hält.«

Da konnte das deutsche Echo nicht ausbleiben. »Große Besorgnis« der Bundesregierung verkündete ihr Sprecher Ulrich Wilhelm, unterstützt von diversen Medien (»Der Iran baut an der Atombombe!«, Bild, 19.2.). »Die fortgesetzte Mißachtung« der Forderungen der USA und der EU durch den Iran zwinge dazu, »den Weg weiterer Sanktionen zu gehen«. Aber wenigstens vor einem deutschen Überraschungsangriff ist Teheran sicher: »Wir schließen eine militärische Lösung aus«, versprach Wilhelm. Offenbar ohne Abstimmung mit Washington und Jerusalem.

Der IAEA-Bericht, um den es dabei geht, ist noch nicht einmal veröffentlicht, aber schon im Internet zu finden. Offiziell wird er erst der nächsten Vorstandssitzung der Behörde vorgelegt werden, die Anfang März stattfindet. Aber wie üblich wurden spezielle Highlights des Reports schon vorab durch »gezielte Indiskretionen« weit gestreut. Im Grunde geht es dabei jetzt nur um die folgenden drei Sätze, die im Bericht unter dem Punkt »Mögliche militärische Dimensionen« stehen: »Die Informationen, die der Behörde in Zusammenhang mit diesen ausstehenden Fragen zugänglich sind, sind umfangreich und wurden im Laufe der Zeit von verschiedenartigen Quellen gesammelt. Diese Informationen sind zudem weitgehend in sich stimmig, glaubwürdig hinsichtlich der technischen Details, des Zeitrahmens, in dem diese Aktivitäten stattgefunden haben sollen, und der Personen und Organisationen, die daran beteiligt gewesen sein sollen. Alles zusammengenommen veranlaßt das zu Sorgen über die mögliche Existenz von früheren oder laufenden undeklarierten Aktivitäten hinsichtlich der Entwicklung eines nuklearen Raketensprengkopfes.«

Auch wenn diese Sätze jetzt von westlichen Politikern und Medien triumphierend zitiert werden, enthalten sie absolut nichts Neues. Sie geben keinerlei neue Erkenntnisse der IAEA, sondern nur eine veränderte politische Bewertung wieder. Das ist leicht dadurch zu erklären, daß dies der erste Report in der Amtszeit des neuen Generaldirektors der Behörde, des Japaners Jukija Amano, ist. Sein Vorgänger, der Ägypter Mohammad ElBaradei, hatte mehrfach dem westlichen Drängen widerstanden, in seinen Berichten Gerüchte und Vermutungen aufzuwerten.

Die erwähnten »Informationen« der IAEA stammen aus geheimdienstlichen Quellen, unter anderem auch vom BND. Hauptbeweisstück ist ein angeblich aus dem Iran geschmuggeltes Laptop, auf dem sich Pläne für einen Nuklearsprengkopf befinden sollen. Die Behörde hat die USA bis jetzt nicht dazu bewegen können, die fraglichen Beweise freizugeben.

Iran hat vor dem Hintergrund des Rummels um den IAEA-Bericht bekräftigt, daß es nicht an Atomwaffen interessiert ist. »Wir glauben keineswegs an die Atombombe, und wir versuchen nicht, sie zu bekommen«, sagte die höchste Autorität des Landes, Ajatollah Ali Khamenei, am Freitag (19. Feb.) im Fernsehen.

** Aus: junge Welt, 20. Februar 2010


Der Kriegsgefahr näher

Von Roland Etzel ***

Die Tonart zwischen den NATO-Staaten und der Regierung in Teheran hat sich in den vergangenen Tagen noch einmal deutlich verschärft. Washington dringt – mindestens – auf ein abgestimmtes Wirtschaftsembargo, Berlin und Paris springen bei, versichern aber, trotzdem eine diplomatische Lösung anzustreben – noch. Am schrillsten klingen die Befeuerungsrufe aus Jerusalem. Präventivschlag – »wann, wenn nicht jetzt?« fordert Netanjahu.

Im Grunde ist nichts eingetreten, was diese Eskalation, die der Schwelle zum Krieg bereits bedenklich nahe kommt, begründen könnte. Was der neue Chef der internationalen Atombehörde aus Japan kundtat, rechtfertigt die Tendenz seiner Äußerungen jedenfalls kaum. Sein Vorgänger Baradei aus Ägypten mahnte stets zu Zurückhaltung und Verhandlungsgeduld gegenüber Iran, was ihm sowohl Bespitzelungsattacken durch Bushs CIA als auch den Friedensnobelpreis einbrachte. Manches deutet jetzt auf eine Umkehr der bisherigen Situation hin: Obama, der vor einem Jahr eine Abkehr vom Konfrontationskurs Bushs gegenüber Teheran proklamiert hatte, wird vom neuen IAEA-Chef nun fast dazu gedrängt.

Begünstigt wird dies alles durch die Attitüde aufreizender Arroganz, mit der Teheran der wachsenden Kriegsgefahr begegnet. Zu den Berichten der IAEA ließe sich manches sagen. »Langweilig«, wie Irans Vertreter sie herablassend bezeichnete, sind sie jedoch am allerwenigsten.

*** Aus: Neues Deutschland, 20. Februar 2010 (Kommentar)


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