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Ökonomie des Krieges

Nach Kouchners Iran-Äußerungen

Von Knut Mellenthin *

Am Sonntag rief der französische Außenminister Bernard Kouchner im Fernsehen die Welt dazu auf, sich im Streit um das iranische Atomprogramm »auf das Schlimmste vorzubereiten«. Und das Schlimmste sei, so der Minister, ein Krieg. Am Montag versuchte Kouchner gegenüber der Tageszeitung Le Monde abzuschwächen: »Ich will nicht, daß man sagt, ich sei ein Kriegstreiber. Meine Botschaft war eine Botschaft des Friedens, des Ernstes und der Entschlossenheit.« Dieser Interpretation schloß sich die Bundesregierung an: Kouchners Äußerung sei keine Kriegsdrohung, sondern sie zeige lediglich, »wie ernst unsere Freunde die Lage einschätzen«, sagte ein Sprecher des deutschen Außenministeriums.

»Das Mittel zur Vermeidung eines Krieges sind Sanktionen«, erläuterte Kouchner in Le Monde. »Die, die wirksam sind, sind die der Amerikaner: Wirtschaftssanktionen, gegen die großen Vermögen, gegen die Banken.« Gemeint sind Zwangsmaßnahmen Wahingtons, die über die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats vom Dezember 2006 und März 2007 hinausgehen. Sanktionen ohne Zustimmung Rußlands und Chinas, die zunehmend auf Distanz zum Konfrontationskurs von EU und USA gehen.

Das hatte Kouchner schon in seiner Fernsehansprache am Sonntag gefordert und hinzugefügt, es handle sich dabei um einen Vorschlag »unserer deutschen Freunde«. Da aus Berlin kein Dementi zu vernehmen war, kann davon ausgegangen werden, daß Kouchner die Wahrheit sagte. Er wies in diesem Zusammenhang darauf hin, daß seine Regierung große französische Unternehmen wie den Ölkonzern Total und den Energiekonzern Gaz de France aufgefordert habe, keine neuen Verträge mit dem Iran abzuschließen. Auch der deutsche Regierungssprecher Ulrich Wilhelm verkündete am Montag stolz, daß der deutsch-iranische Handel bereits stark vermindert worden sei.

Wer einen Krieg vermeiden will, muß für eine Ausweitung und Verschärfung der wirtschaftlichen Strafmaßnahmen eintreten – das ist die gemeinsame deutsch-französische Botschaft. Eine Friedensbotschaft ist das jedoch ganz und gar nicht. Sanktionen verhindern den Krieg nicht, sondern sie führen zu ihm hin. Dieses Ergebnis ist voraussehbar, also offenbar gewollt. Der Irak war auch nach zwölf Jahren Sanktionen nicht in die Knie gegangen. Aber er war in dieser Zeit so geschwächt und international isoliert worden, daß die US-Regierung ohne den Segen des UN-Sicherheitsrats den Angriff befehlen konnte.

Auch vom Iran ist keine Kapitulation zu erwarten. Schon gar nicht angesichts der direkten Kriegsvorbereitungen der USA, die einen Angriff noch während der Amtszeit von Präsident George W. Bush befürchten lassen. Die Kombination von wirtschaftlicher Erpressung und ständigen Kriegsdrohungen ist keine Diplomatie. Der Weg zu einer nicht-militärischen Lösung, für die die Zeit immer knapper wird, kann nur über Verhandlungen führen – ohne Vorbedingungen und Säbelrasseln.

* Aus: junge Welt, 19.09.2007

Warnungen vor "Tragödie" und "Katastrophe"

Kouchners Kriegsdrohungen gegen Iran international kritisiert. Zustimmung aus Washington

Auf scharfe Kritik Rußlands stießen am Dienstag die kriegstreiberischen Äußerungen des französischen Außenministers Bernard Kouchner gegen Iran vom Sonntag. Außenminister Sergej Lawrow sagte nach einem Gespräch mit Kouchner in Moskau: »Rußland ist wegen der vielen Berichte über militärische Sanktionen gegen den Iran besorgt.« Lawrows Vize Losjukow warnte in einem Zeitungsinterview, »Bombardierungen gegen den Iran würden mit katastrophalen Folgen enden«. Kouchner bemühte sich indes, die Schärfe seiner ursprünglichen Aussage, im Streit um das iranische Atomprogramm müsse man sich auf Krieg vorbereiten, abzumildern: »Man kann nicht pazifistischer sein als ich, aber man muß auch den Dingen ins Auge sehen.«

Auch Rom und Peking lehnten jegliche militärische Option in den Auseinandersetzungen um Teherans Nuklearkurs ab. Italiens Außenminister Massimo D’Alema warnte am Montag abend vor »Tragödien«. In Peking sagte ein Sprecher des Außenministeriums: »Wir sind gegen die ständigen Drohungen mit militärischer Gewalt in den internationalen Beziehungen.«

Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad gab sich am Dienstag zwar gelassen. »Wir nehmen diese Aussagen nicht ernst. Aussagen für die Medien unterscheiden sich von den wirklichen Positionen«, äußerte er vor Journalisten in Teheran. Zuvor hatten allerdings die staatlichen iranischen Medien Paris scharf kritisiert. Der Elysee-Palast habe es übernommen, die Politik des Weißen Hauses für Europa zu übersetzen, hieß es in einem Kommentar der amtlichen Nachrichtenagentur IRNA. Die französische Regierung habe einen Ton angenommen, »der noch härter, aufhetzender und unlogischer« sei als der in Washington.

Direkte Unterstützung hatte der französische Chefdiplomat dagegen aus den USA erhalten. Dort hatte Verteidigungsminister Robert Gates mit Blick auf mögliche Sanktionen gegen den Iran gesagt: »Alle Optionen liegen auf dem Tisch.« (AFP/AP/jW)

(junge Welt, 19. September 2007)




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