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Hoffnungen in Bagdad

Neue Runde der Atomverhandlungen mit Iran

Von Roland Etzel *

Heute sollen in Bagdad Atomverhandlungen der 5+1-Gruppe mit Iran stattfinden. Die Atmosphäre dafür scheint verbessert, doch das wird nicht überall positiv begleitet.

Die Zeichen standen auf Sturm gestern in Bagdad - auf Sandsturm. Die Vertreter der fünf UN-Vetomächte plus Deutschland (5+1) und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), die gemeinsam mit den Vertretern Irans zur neuen Verhandlungsrunde ab heute in Bagdad anreisen wollten, mussten sich gedulden. Der internationale Flughafen der irakischen Hauptstadt war bis zum Abend geschlossen.

Bei den erwarteten Teilnehmern herrscht dennoch optimistische Stimmung, denn die Vorgespräche von IAEA-Generaldirektor Yukiya Amano in Teheran endeten mit einem eingedenk der scharfen, ja kriegerischen Töne der Westmächte, vor allem Israels, gegenüber Iran unerwartet konziliant. Auch der Japaner Amano hatte zuletzt im Gegensatz zu seinem etwas diplomatischeren Vorgänger, Friedensnobelpreisträger Mohammed al-Baradei (Ägypten), Teheran des Bruchs getroffener Verträge mit der IAEA bezichtigt.

In Teheran nun erklärte Amano zu Wochenbeginn, er habe sich mit dem iranischen Verhandlungsführer Said Dschalili auf eine »strukturierte Herangehensweise« zur Klärung offener Fragen im Zusammenhang mit Teherans Atomprogramm geeinigt. Dazu wurde ein regelrechtes Abkommen geschlossen.

Der Sandsturm konnte dies nicht verhindern, allenfalls um Stunden verzögern. Viel gefährlicher für eine Entkrampfung des westlichen Verhältnisses zu Iran und eine wieder sachbezogene Kooperation der IAEA mit Teheran war der Beschluss, der gestern aus Washington bekannt wurde. Dort verkündete der Senat eine weitere Verschärfung der Wirtschaftssanktionen gegen Iran, und zwar einstimmig. Die beginnende heiße Phase des Wahlkampfes in den USA führt ungeachtet aktueller Verhandlungen einmal mehr dazu, dass sich Demokraten und Republikaner in antiiranischer Militanz ständig gegenseitig zu überbieten versuchen. Die eigene, nach wie vor unbewiesene Behauptung, Teheran plane den Bau von Atomwaffen, wird im US-Kongress als Tatsache behandelt.

Diese Attitüde ist auch Gründungskonsens einer Israel zugeneigten Lobby-Gruppe in Westeuropa namens »Stop the bomb«, die - ungeachtet der Tatsache, dass Israel als einziges Land im Nahen Osten Kernwaffen besitzt, diese aber nicht kontrollieren lässt - Iran der atomaren Bedrohung der Region und besonders Israels bezichtigt. In der Praxis läuft das Wirken der Gruppe darauf hinaus, Kontakte jeglicher Art mit Iran zu verhindern oder wenigstens zu diskreditieren. Auch gestern forderte »Stop the bomb« unter anderem, dass die EU trotz Verhandlungen keine Verzögerung bei der Durchsetzung des Ölembargos zulassen dürfe. Im Sinne eines Verhandlungserfolgs wäre diese Art ökonomische Erdrosselungspolitik vermutlich nicht. Bis dato ist der Einfluss der Lobby-Gruppe aber als gering einzuschätzen.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 23. Mai 2012

Letzte Meldung: Verhandlungen drohen zu scheitern

Die 5+1-Gruppe hatte den Iran zu Beginn der Gespräche zu einem Stopp der hochprozentigen Urananreicherung aufgefordert. Im Gegenzug hatte sie laut dapd Teheran unter anderem die Lieferung von medizinisch nutzbaren Isotopen und dringend benötigten Ersatzteilen für iranische Flugzeuge sowie eine Kooperation in der Atomsicherheit angeboten.
Der Iran fordert indessen eine Erleichterung der Sanktionen gegen seine Öl-Wirtschaft. Im Gegenzug wollte Teheran die Wiederaufnahme der Kontrollen durch die Internationale Atomenergiebehörde ermöglichen.
(Quelle: dapd, 24.05.2012)



Amano reiste nach Teheran

Durchbruch in Verhandlungen zwischen Iran und der Internationalen Atomenergiebehörde

Von Knut Mellenthin **


Zwischen Iran und der Internationalen Atomenergiebehörde ist es offenbar zu einer weitgehenden Einigung über die Besichtigung militärischer Anlagen gekommen, die rechtlich nicht in die Kompetenz der IAEA fallen. Im Zentrum steht dabei der Komplex Parchin, der 20 bis 30 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Teheran liegt. Inspektoren der Behörde waren bereits 2005 zweimal dort, ohne Verstöße gegen den Atomwaffensperrvertrag zu finden. Die IAEA vermutet aufgrund von geheimdienstlichen Quellen aus nicht genannten Staaten, daß Iran in Parchin Tests für die Entwicklung eines Atomwaffenzünders durchgeführt habe. Iran bestreitet diesen Verdacht.

Frühere Versuche der IAEA, Zutritt zu den Anlagen in Parchin zu erhalten, waren bei Gesprächen, die im Januar und Februar in Teheran geführt wurden, gescheitert. Iran verlangte als Vorbedingung den Abschluß einer detaillierten schriftlichen Vereinbarung, die solche Inspektionen, die nicht Teil der regulären Tätigkeit der Atombehörde sind, regelt. Damit soll die Schaffung eines Präzedenzfalls verhindert werden: Der UN-Sicherheitsrat hat Iran in mehreren sanktionsbewehrten Resolutionen aufgefordert, der IAEA ein generelles Zugangsrecht zu sämtlichen Orten, Personen und Dokumenten des Landes zu gewähren. Dieses Begehren wird vom Iran als rechtlich unbegründet abgelehnt.

Die Iraner haben sich nun offenbar mit ihrer Forderung nach einer speziellen Vereinbarung durchgesetzt. IAEA-Generaldirektor Jukija Amano, der am Montag eine Reihe von Gesprächen in Teheran geführt hatte, teilte der Presse anschließend mit, daß es zwar noch einzelne Meinungsverschiedenheiten gebe, aber daß er mit der baldigen Unterzeichnung eines Abkommens rechne. Schon die überraschende Ankündigung der Reise Amanos war als Signal für einen nahe bevorstehenden Durchbruch interpretiert worden. Es war der erste Besuch des Generaldirektors im Iran seit seinem Amtsantritt am 1. Dezember 2009. Mehrere frühere Einladungen nach Teheran hatte Amano ausgeschlagen.

Die jetzt erzielten Fortschritte gelten als günstiges Zeichen für die Gespräche zwischen dem Iran und der Gruppe der 5+1, die heute in der irakischen Hauptstadt Bagdad beginnen. Bereits bei einem vorausgegangenen Treffen im türkischen Istanbul Mitte April war man sich nähergekommen. Die Sechsergruppe, die die Verhandlungen mit den Iranern führt, besteht aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats – China, Frankreich, Großbritannien, Rußland und USA – sowie Deutschland. Die Gespräche finden in dieser Zusammensetzung seit 2008 statt.

Eine Einigung wird allerdings sehr viel schwieriger werden als die sich jetzt andeutende Verständigung zwischen Teheran und der IAEA über die Inspektionen, da vom Iran mehr oder weniger weitgehende Abstriche von seinem unstrittig legalen zivilen Atomprogramm gefordert werden. Dennoch wächst in Jerusalem die Sorge, daß es zu einer friedlichen Lösung des Konflikts kommen könnte. Israelische Diplomaten waren in den vergangenen Wochen in Europa, den USA und Rußland unterwegs, um die Verhandlungen durch Maximalforderungen zu torpedieren.

Ganz in diesem Sinn hat der US-Senat am Montag neue Sanktionen gegen Unternehmen und Staaten beschlossen, die mit Iran geschäftliche Beziehungen unterhalten. Diese Strafmaßnahmen sollen in Kraft bleiben, solange Iran nicht vollständig auf jede Anreicherung von Uran verzichtet. Damit wäre der Regierung in Washington der Weg zu einem Kompromiß verbaut. Die Resolution war maßgeblich von der Pro-Israel-Lobby AIPAC mitformuliert worden.

** Aus: junge Welt, Mittwoch, 23. Mai 2012


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