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Noch 300 Iraner im Gefängnis

Französische Botschaftsmitarbeiterin frei / Hafterleichterung für Reiss

Die iranische Opposition hat erklärt, dass es bei den Protesten weit mehr Tote gegeben habe, als bislang zugegeben. Die iranische Regierung hat der in Teheran inhaftierten Französin eine bedingte Freilassung angeboten.

Bei den Protesten gegen die Präsidentschaftswahl in Iran sind nach Angaben der Opposition weitaus mehr Menschen getötet worden als offiziell angegeben. Ein Mitglied der Opposition sprach am Dienstag (11. August) von 69 Todesopfern.

Eine Liste mit den Namen von 69 Toten und 220 Inhaftierten sei einem parlamentarischen Sonderausschuss übergeben worden, sagte ein Verbündeter des unterlegenen oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Mir Hossein Mussawi am Dienstag (11. Aug.) der Zeitung »Sarmajeh«. Die Behörden gaben die Zahl der Toten bisher mit rund 30 an.

Justizsprecher Aliresa Dschamschidi sprach unterdessen von noch 300 Inhaftierten. Bei den Unruhen seien 4000 Menschen verhaftet worden, von denen die meisten »sehr schnell« wieder entlassen worden seien, sagte er. Bislang war offiziell von 2000 Festnahmen die Rede gewesen.

Eine wegen der Proteste festgenommene Mitarbeiterin der französischen Botschaft wurde aus dem Gefängnis entlassen. Die französische Regierung teilte mit, Nasak Afschar, eine Mitarbeiterin der Kulturabteilung der Botschaft in Teheran, sei freigelassen worden. Staatspräsident Nicolas Sarkozy habe nach ihrer Freilassung bereits mit der Franko-Iranerin telefoniert. Paris hatte Afschars Freilassung gefordert.

Der seit sechs Wochen inhaftierten Französin Clotilde Reiss boten die Behörden nach Angaben des iranischen Botschafters in Frankreich, Sejed Mehdi Mirabutalebi, Hafterleichterungen an. Die Bedingung dafür sei, dass die 24-jährige in der französischen Botschaft in Teheran untergebracht werde, sagte der Botschafter dem Sender Radio France International.

Das französische Außenamt äußerte sich nicht zu den Angaben. Die Regierung in Paris hatte zuvor aber von ersten Anzeichen für eine mögliche Freilassung von Reiss gesprochen. Reiss steht vor Gericht, weil sie nach Darstellung der iranischen Justiz spioniert und nach der Wahl zu Protesten aufgestachelt haben soll.

* Aus: Neues Deutschland, 12. August 2009


"Demonstranten mehr Macht"

US-Außenministerin Clinton bestätigt Einmischung im Iran

Von Rainer Rupp **

Die USA haben die Proteste im Iran gegen die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl unterstützt. Das bestätigte US-Außenministerin Hillary Clinton in einem am Sonntag auf CNN ausgestrahlten Interview, das sie dem Journalisten Fareed Zakaria bereits auf der ersten Station ihrer derzeitigen Afrika-Reise Mitte vergangener Woche in Nairobi gegeben hatte. Zwar habe die Regierung in Washington alles vermieden, was in der Öffentlichkeit den Eindruck von Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Iran wecken könne, doch habe das US-Außenministerium »hinter den Kulissen eine Menge getan«, so Clinton.

Sie versuchte, mit ihrem Eingeständnis dem Vorwurf entgegenzutreten, sie und Präsident Barack Obama hätten auf die Ereignisse in Teheran nicht schnell genug reagiert. Sie hätten zudem nicht genug unternommen, um den vorgeblichen Wahlbetrug in Teheran zu verurteilen und die Demonstranten zu unterstützen. Statt dessen habe sich, so die Kritik, die Obama-Administration die Chance für Verhandlungen mit Teheran offenhalten wollen.

Das sei keinesfalls der Grund für die – zumindest öffentlich gezeigte –Zurückhaltung des Weißen Hauses gewesen, widersprach Clinton. Allerdings habe man befürchtet, daß eine erkennbare direkte US-Einmischung der Regierung in Teheran eine Steilvorlage gegeben hätte, »uns zu benutzen, um das Land gegen die Demonstranten hinter sich zu vereinigen«. Sie fügte hinzu: »Dennoch haben wir eine Menge getan, um den Demonstranten wirklich mehr Macht zu verleihen.« Als ein Beispiel verwies sie darauf, wie die US-Regierung beim Twitter-Betreiber vorstellig geworden war. Dieser habe ausgerechnet während der Unruhen sein Netz warten wollen. Dank der Intervention Washingtons wurde verhindert, daß der Dienst während der kritischen Phase der Massenproteste abgeschaltet wurde, so Clinton. Insbesondere in diesem Zeitraum hatten die Demonstrantionen über Handy-Massenschaltungen von unbekannten Quellen erfolgreich Handlungsanweisungen und nicht verifizierbare Nachrichten erhalten.

Auch sonst habe die US-Regierung einiges unternommen, um den Demonstranten zu helfen, »ohne für sie zum Hindernis zu werden. Und wir unterstützen die Opposition auch weiterhin.« Details nannte Clinton nicht. Zugleich wiederholte sie die angebliche US-Verhandlungsbereitschaft. Der Iran solle als Voraussetzung hierfür allerdings freiwillig auf die Urananreicherung für zivile Zwecke verzichten. Falls sich Teheran indes nicht bis September entschieden habe, würden verschärfte Sanktionen in Kraft treten. Diese seien bereits mit den Verbündeten gemeinsam ausgearbeitet wurden.

** Aus: junge Welt, 12. August 2009


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