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Deadline März 2013

Washington strebt internationales Ultimatum gegen Iran an. Angeblich 71 Prozent der US-Bürger für Unterstützung Israels nach militärischem "Präventivschlag" Irans

Von Knut Mellenthin *

Die US-Regierung verschärft im Streit um das iranische Atomprogramm das Klima. Der amerikanische Vertreter bei der Internationalen Atomenergiebehörde, Robert Wood, drohte am Donnerstag während einer Vorstandsitzung mit einem Ultimatum. In seinem sofort im Internet veröffentlichten Redebeitrag kündigte er die Absicht seiner Regierung an, zusammen mit ihren Partnern und Gefolgsleuten eine erneute Verweisung des Streits an den UN-Sicherheitsrat anzustreben, falls Iran bis zum März 2013 keine »substantielle Zusammenarbeit« mit der IAEA »begonnen« hat. Das zielt eindeutig auf eine Entscheidung in der nächsten Vierteljahressitzung des Vorstands, die vom 4. bis 8. März stattfinden wird.

Wood forderte vom Vorstand gleichzeitig, IAEA-Generaldirektor Jukija Amano ausdrücklich zu beauftragen, in seinem nächsten Iran-Bericht Auskunft zu geben, ob Iran in der Zwischenzeit »irgendwelche substantiellen Schritte unternommen« habe, »um den Sorgen der Behörde Rechnung zu tragen«. Dieser Bericht wird etwa zwei Wochen vor der nächsten Sitzung, also ungefähr Mitte Februar 2013, vorliegen und dann erfahrungsgemäß sofort den Medien zugespielt werden.

Eine solche Aufforderung an Amano ist an sich überflüssig, da die Beantwortung dieser Frage ohnehin zum Standard seiner Iran-Berichte gehört. Daß Wood dies dennoch ausdrücklich erwähnte, deutet auf die Absicht Wa¬shingtons hin, den Streit in absehbarer Zeit zuzuspitzen. In seinem Referat zu Beginn der Sitzung, die am Donnerstag und Freitag wie üblich in Wien, dem Sitz der IAEA, stattfand, hatte Amano eine uneingeschränkt negative Bilanz des zu Ende gehenden Jahres gezogen: Es seien in den Gesprächen mit Iran »keine konkreten Ergebnisse erreicht« worden. »Ich bin nicht in der Lage, irgendwelche Fortschritte bei der Klärung der Probleme um eine mögliche militärische Dimension des iranischen Atomprogramms zu melden.«

Eine erneute Verweisung des Streits an den UN-Sicherheitsrat, der ohnehin schon seit 2006 damit befaßt ist, würde weder eine grundsätzlich neue Lage schaffen, noch gar einen Handlungszwang auslösen. Washington scheint mit diesem Schritt aber der Forderung der israelischen Regierung nach öffentlich fixierten »Deadlines« ein kleines Stück entgegenkommen zu wollen.

Zur Verschärfung des Klimas gehört auch, daß die Nachrichtenagentur AP am Dienstag eine dilettantisch gezeichnete Graphik veröffentlichte, die angeblich beweist, daß Iran an der Herstellung einer Atomwaffe mit der mehr als dreifachen Sprengkraft der Hiroschima-Bombe arbeitet. Die meisten Kommentatoren sind sich einig, daß die Grafik, die der Agentur angeblich von einem nicht genannten Land zugespielt wurde und über deren Herkunft absolut nichts bekannt ist, von jedem Physikstudenten der ersten Semester stammen könnte. Sie ähnelt zudem verblüffend genau technisch hochwertigeren Zeichnungen, die man in Lehrbüchern und im Internet finden kann.

Das Israel Project, eine in den USA ansässige, aber auch in anderen Ländern tätige zionistische PR-Organisation, hat am Mittwoch angebliche Ergebnisse einer Meinungsumfrage unter US-Amerikanern veröffentlicht. Demzufolge sind angeblich 71 Prozent der Befragten dafür, Israel zu Hilfe zu kommen, falls es infolge eines »Präventivschlags« unter iranischen Beschuß käme. Nur 22 Prozent seien dagegen. Die Zahlen zeigen eine deutliche Verschiebung zugunsten Israels gegenüber dem Vorjahr. Damals waren 61 Prozent für Unterstützung Israels und 33 Prozent dagegen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 01. Dezember 2012


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