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USA: Konventionelle und nukleare Angriffspläne gegen Iran

CONPLAN 8022: "Global Strike" - Zwei Beiträge von Georg Schönbänker und eine beunruhigende russische Expertise

Im Folgenden dokumentieren wir zwei Artikel von Georg Schöfbänker, die beide zuerst bei "Telepolis" veröffentlicht wurden. Schöfbänker befasst sich darin mit den globalen Kriegs- und Angriffsplänen der US-Administration sowie mit den Anfang April bekannt gewordenen Überlegungen des Pentagon, bei solchen Angriffen auch den Einsatz von Nuklearwaffen zu erwägen.
Den Anfang macht aber eine Meldung, die am 17. April 2006 von der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti verbreitet wurde (siehe Kasten).



Experte: US-Angriff gegen Iran 2007 möglich

MOSKAU, 17. April (RIA Novosti). Die USA können sich im kommenden Jahr für einen Militäreinsatz gegen den Iran entscheiden. Diese Meinung vertrat Alexej Arbatow, Direktor des Moskauer Zentrums für internationale Sicherheit.

Die USA wollen um jeden Preis verhindern, dass der Iran in den Besitz von Atomwaffen gelangt, und werden selbst vor einem neuen Krieg im Nahen Osten nicht Halt machen, sagte der Experte überzeugt.

"Wenn sich die Vereinigten Staaten für eine Militäraktion entscheiden, dann beginnt sie im kommenden Jahr, nach einer sorgfältigen politischen, militärischen und propagandistischen Vorbereitung", äußerte Arbatow am Montag in einer Rund-Tisch-Konfrerenz bei RIA Novosti zum Thema iranisches Atomproblem.

In den zurückliegenden Jahren neigten die Amerikaner immer mehr zu einseitigen Schritten, zum Gewalteinsatz außerhalb des Völkerrechts und ohne Zustimmung der Vereinten Nationen, sagte Arbatow. Das führte der Angriff gegen den Irak klar vor Augen. Dieses Vorgehen habe die Position der USA im Iran untergraben.

Arbatow zufolge zogen die USA daraus bestimmte Lehren und werden ihre Fehler nicht mehr wiederholen. Die USA bekräftigen immer wieder ihre Treue zu einer friedlichen Lösung des iranischen Problems und kritisieren Teheran wegen der Missachtung der Meinung der Weltgemeinschaft, stellte der russische Politologe fest.

Da die Anstrengungen Europas und Russlands, mit dem Iran in Sachen Urananreicherung eine gegenseitig annehmbare Einigung zu erzielen, scheitern, werden die USA einen anderen Weg einschlagen, mutmaßte Arbatow.

Ihm zufolge werden die USA gegenüber Russland, China, Europa und Indien Zugeständnisse machen, um Iran politisch zu isolieren und zu verhindern, dass der Iran Atomwaffen in seine Hände bekommt, sagte der russische Experte. So könnte Washington Russland im GUS-Raum freie Hand lassen sowie das Problem Taiwan sowie das Problem der kontinuierlichen Öllieferungen vom Nahen Osten nach Europa ausspielen.

Gleichzeitig könnten die USA mit dem Truppenabzug aus dem Irak beginnen, urteilte Arbatow. Sobald die US-Truppen den Irak verlassen, werde sich der Iran als einflussreiche regionale Macht in die Geschehnisse im Irak verwickeln und andere arabische Staaten der Region, in denen Sunniten die Mehrheit bilden, gegen sich aufbringen, sagte Arbatow. Das würde den USA grünes Licht für einen Luftangriff geben.

Quelle: RIA Nowosti, 17. April 2006.
Im Internet: http://de.rian.ru




CONPLAN 8022

Von Georg Schöfbänker*

Ein globaler Angriffsplan der USA, der auch den Einsatz von Nuklearwaffen vorsieht, ist in Kraft getreten – mit möglichen Auswirkungen auf den Iran

Der Angriffsplan enthält eine konventionelle und eine Cyberwar-Komponente, aber auch eine nukleare. CONPLAN 8022 wäre im Fall einer möglicherweise bevorstehenden Intervention der USA eines der wichtigsten militärischen Planungsdokumente. Soeben erschien eine neue Studie der Federation of American Scientists (FAS), in der die bisher bekannten Fakten hierzu nochmals zusammen gefasst und gebündelt werden.

Unmittelbar nach 9/11 zirkulierten unter Washingtons politischen Eliten Gerüchte über einen nuklearen Vergeltungsschlag. Nur, gegen wen? Man hatte weder eine Zielliste, noch einen klar erkennbaren Gegner, noch eine Medienstrategie zur Legitimation und auch keinen militärischen Einsatzplan. Seit Ende 2005 sieht dies nun anders aus.

"Global Strike" ist eine neue Strategie, die dann angewandt werden soll, wenn die Abschreckung kurz vor dem Scheitern steht. Das aus 9/11 resultierende strategische Dilemma, dass sich Selbstmordattentäter grundsätzlich nicht abschrecken lassen, wird dadurch jedenfalls nicht aufgelöst und bearbeitbar gemacht, sondern ist in das Vorfeld eines möglichen Präventivschlages seitens der USA verschoben worden.

Mit dem CONPLAN 8022, sowie der Subvariante 8022-2, beide auch "Global Strike" genannt und erstmals erwähnt vom renommierten US-Militärexperten William Arkin in der Washington Post im Mai 2005, sind seitdem bislang nur wenige Fakten an die Öffentlichkeit gelangt. Im September 2005 berichtet Walter Pincus in der Washington Post von einer Überarbeitung der Militärdoktrin JP 3-12, der "Doctrine for Joint Nuclear Operations" des US-Generalstabs, die mittlerweile vom Pentagon zurückgezogen und von der offiziellen Website des US-Generalstabes entfernt wurde. Nachdem das Web nichts vergisst, sind alle bisherigen Versionen der JP 3-12 vielerorts zu finden, etwa auf der Website des "Nuclear Information Projects" von Hans Kristensen in Kooperation mit der Federation of American Scientists. Sowohl Kristensen wie auch Arkin gehören zu den seriösesten unabhängigen Experten in Hinblick auf die Nuklearstrategie der USA. Anzeige

Die Stärke dieser neuen Studie der FAS liegt im Dokumentationsteil (230 Seiten) verborgen, der eine umfangreiche Genese von "Global Strike" und alle bislang verfügbaren Dokumente enthält, die bis dato auf den verschiedensten Websites verstreut lagen. Der analytische Teil beträgt gerade zehn Seiten und fasst zusammen, was Hans Kristensen, der Autor, schon zuvor in zwei Artikeln in Arms Control Today und im Bulletin of the Atomic Scientist veröffentlicht hatte.

Die Kernelemente der gar nicht so neuen Strategie

Mit der "Nuclear Posture Review" von 2001 (NPR), also mit der "Neubewertung für die Richtlinien für die Kernwaffenstrategie", wurde in einem größeren strategischen Zusammenhang, d.h. auch für die Öffentlichkeit sichtbar, eine nicht nur, aber auch präventive Nuklearstrategie eingeführt ([local] Neue Atomwaffen sollen entwickelt werden).

Die NPR ist ein vom Kongress gegenüber der Exekutive vorgeschriebenes Verfahren, um die Richtlinien der US-Nuklearwaffenplanung zumindest in Ansätzen öffentlich zu diskutieren. Üblicherweise wurden vom US-Verteidigungsministerium immer zwei Versionen produziert. Eine "interne", die als secret oder topsecret eingestuft ist. Sowie eine für den öffentlichen Diskurs bestimmte, die somit nicht klassifiziert ist. Bislang konnte man die NPR als eine Art "Weißbuch" bezeichnen, obgleich natürlich vieles im Dunklen verblieb. Die vorletzte NPR wurde 1994 unter Clinton veröffentlicht. Bereits unter der Präsidentschaft von Clinton dachten die Generalstabchefs über einen präventiven Einsatz von substrategischen Kernwaffen nach. Eine Sub-Doktrin, die "Doctrine for Joint Theater Nuclear Operations" befand sich schon 1996 öffentlich zugänglich im Netz, auf der Website des US-Generalstabes, wurde aber ebenfalls kürzlich entfernt. Es war ein "Expertendokument", das keine größere Öffentlichkeit erreichte. Wie gesagt, schon Mitte der 1990er Jahre enthielt diese Sub-Doktrin folgende Elemente:
  • "Kriegsförmige Erwiderung" (belligerent response, nukleare Vergeltungsmaßnahmen gegen Nichtkernwaffenstaaten, die Massenvernichtungswaffen einsetzen);
  • "Kampfstoffabwehr" (agent defeat, die thermische Vernichtung chemischer und biologischer Substanzen am Boden und in der Luft);
  • die Zerstörung von Einrichtungen und Operationszentren "nichtstaatlicher Akteure";
  • und nicht zuletzt handelte es sich um nukleare Präventivschläge gegen Produktionseinrichtungen von realen oder vermuteten nuklearen, chemischen oder biologischen Produktionseinrichtungen sowie um Kommando- und Kontrollzentren;
Diese Konzepte gingen schon damals weit über das hinaus, was im Kalten Krieg als Abschreckung bezeichnet wurde. Und sie gingen auch bereits über das hinaus, was man als den substrategischen Einsatz von Kernwaffen im Gefecht bezeichnet hatte, um eine als überlegen wahrgenommene konventionelle Kräftekonstellation in einer Blockkonfrontation oder am Schlachtfeld abzuwehren.

Unter dem Titel "Erwünschte Resultate des Einsatzes von Kernwaffen" (JP 3-12.1 Doctrine for Joint Theater Nuclear Operations, Seite I-2) wurden schon Mitte der 1990er Jahre folgende Zielsetzungen hervorgehoben:
  • Decisively change the perception of enemy leaders about their ability to win.
  • Demonstrate to enemy leaders that, should the conflict continue or escalate, the certain loss outweighs the potential gain.
  • Promptly resolve the conflict on terms favourable to the United States and our allies.
  • Preclude the enemy from achieving its objectives.
  • Ensure the success of the effort by US and/or multinational forces.
Die Entfernung der JP 3-12 aus der öffentlich zugänglichen Liste der Publikationen des US-Generalstabs bedeutet jedoch nicht, dass damit auch deren Absicht und Inhalt revidiert worden wäre. Im Gegenteil.

In der soeben (am 16. März 2006) veröffentlichten Nationalen Sicherheitsstrategie (NSS), die das "höchstrangige" strategische Dokument der USA darstellt, wurde dieser Ansatz nochmals bekräftigt, wenn auch vernebelt. Einerseits heißt es, dass die Abschreckung scheitern könne und dass sich Selbstmordattentäter grundsätzlich nicht abschrecken ließen:

Prevent attacks by terrorist networks before they occur. A government has no higher obligation than to protect the lives and livelihoods of its citizens. The hard core of the terrorists cannot be deterred or reformed; they must be tracked down, killed, or captured.

Auf der anderen Seite wird sehr wohl auf die offensive Nuklearwaffenplanung erneut hingewiesen, diese jedoch wieder mit "Abschreckung" begründet, obgleich es sich dabei um Prävention handelt.

Safe, credible, and reliable nuclear forces continue to play a critical role. We are strengthening deterrence by developing a New Triad composed of offensive strike systems (both nuclear and improved conventional capabilities); active and passive defenses, including missile defenses; and a responsive infrastructure, all bound together by enhanced command and control, planning, and intelligence systems.

"Global Strike" und CONPLAN 8022 sind somit die letzten Mosaiksteinchen in einem Konzept, das man auch "global attack" nennen könnte und sich semantisch schon seit langem mit einem eigenen Logo etwa auf der Homepage der Edwards Airforce Base findet.

Im Kern geht es um offensive und präventive Militäroperationen mit "optimierten" konventionellen Waffen, Cyberwar-Angriffen und eben auch mit Nuklearwaffen. Einige Langstreckenbomber B-52 befinden sich erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges wieder in ständiger Alarmbereitschaft, um jederzeit einen Nuklearschlag durchführen zu können.

Als die größte Bedrohung für die USA durch einen staatlichen Akteur wurde in der NSS vom 16.März 2006 Iran identifiziert.

We may face no greater challenge from a single country than from Iran.

Das ist, was Irans militärische Fähigkeiten anbelangt, absolut lächerlich. Für Jahre. Was Irans regionales und internationales Sicherheitsdilemma und somit seine nuklearen Absichten betrifft, so schrieb einer der bedeutendsten Militärhistoriker der Gegenwart, der Israeli Martin van Creveld:

Wherever U.S forces go, nuclear weapons go with them or can be made to follow in short order. The world has witnessed how the United States attacked Iraq for, as it turned out, no reason at all. Had the Iranians not tried to build nuclear weapons, they would be crazy.

Man darf gespannt sein, wie sich dieser Diskurs vor dem Hintergrund von CONPLAN 8022 und "Global Strike" weiter entwickeln wird.

Der Beitrag wurde im Original auf der Website von Telepolis am 17. März 2006 veröffentlicht.
Quelle: www.heise.de.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors.



Kriegspläne gegen Iran

Von Georg Schöfbänker*

Nach einem Bericht von Seymour Hersh gehört die auch militärische Beendigung des iranischen Nuklearprogramms zu einer der dringendsten außenpolitischen Prioritäten der Bush-Regierung

Der US-Enthüllungsjournalist Seymour Hersh hat in einem vielbeachteten Artikel im New Yorker seine Serie über Angriffspläne der US Regierung gegenüber dem Iran fortgesetzt. Auch bei Hershs neuestem Artikel ist - wie auch schon aus anderen Quellen bekannt wurde - dabei vom möglichen Einsatz substrategischer Kernwaffen die Rede. Dies wurde auch von der Washington Post bestätigt.

Nachdem der vielleicht bekannteste Enthüllungsjournalist der USA, Seymour Hersh, schon im Januar 2005 im "New Yorker" auf neuerliche Kriegsplanungen der USA gegenüber Iran hingewiesen hatte (Das letzte Hurra...), lässt sich seinem neuesten Beitrag vor allem eine aktuelle Dringlichkeit entnehmen. Aus der anschwellenden Rhetorik, aus der zunehmenden medialen Aufgeregtheit, manche US-Medien sprechen bereits von einem "countdown" gegenüber Iran, lässt sich mit Sicherheit Folgendes ableiten: Die Frage des iranischen Nuklearprogramms zählt nun zu den bedeutendsten außenpolitischen Prioritäten der Bush-Regierung. Trotz des gesamten Debakels im Irak.

Diese Dringlichkeit erklärt sich nicht aus der tatsächlichen zeitlichen Ferne zur Herstellung einer möglichen ersten Kernwaffe. Hier geht selbst John Negroponte, der oberste Geheimdienstchef der USA, von einem Zeitraum zwischen fünf und zehn Jahren aus. Nach Hershs Quellen - er nennt einen "Regierungsberater mit engen Verbindungen zum Pentagon" - ist Bush erstens davon überzeugt, dass Iran "die Bombe" auf jeden Fall bauen werde, wenn er nicht gestoppt wird, und zweitens, dass er tun müsse, was kein Präsident nach ihm jemals tun würde, nämlich "Iran zu retten".

Im Unterschied zu den weniger alarmistischen Analysen der IAEA oder unabhängiger Think-Tanks, wonach es noch Zeit für eine Verhandlungslösung gäbe, scheinen die Scharfmacher in der Umgebung von Bush nun die israelische Position übernommen zu haben, wonach bereits die technische Option der Urananreicherung verhindert werden müsse. Aus dem Umfeld von Bush wurde dies in den letzten beiden Monaten ähnlich formuliert. Iran dürfe nicht die Möglichkeit haben, die Technologie der Urananreicherung zu beherrschen.

Bei Hersh liest sich das so: Iran müsse die Möglichkeit verwehrt werden, auch nur eine Pilotanreicherung zu betreiben. Oder: Staatssekretär Robert Joseph wird mit der Aussage zitiert: "Wir können es nicht zulassen, dass sich nur eine einzelne Zentrifuge im Iran dreht. Iran ist eine direkte Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA und wir werden dies nicht tolerieren." Dies ist nun Doktrin und mehr als nur ein Versuch, Iran mit drastischer Rhetorik zum Einlenken zwingen zu wollen. Es verstellt den Blick jedoch darauf, dass es jenen Hardlinern, die eine militärische Konfrontation suchen, schon längst nicht mehr nur um das Nuklearprogramm, sondern eben auch um einen generellen Regimewechsel in Teheran geht.

Parallelen zum Irak-Krieg

Wie glaubwürdig kann man Hersh und seine Quellen einstufen, insbensondere wenn es um die militärischen Planungen geht? Seymour Hersh ist nicht der Typ, der sich irgendwie als Sprachrohr einer Regierung, schon gar nicht der Bush-Regierung, hergeben würde. Er hat für diesen Bericht länger recherchiert und nennt, was die US-Situation angelangt, folgende Quellen: einen früheren Geheimdienstmitarbeiter, einen früheren Verteidigungsexperten, einen früheren hochrangigen Mitarbeiter des Pentagon, einen kürzlich zurückgetretenen hochrangigen Mitarbeiter der Bush-Regierung, sowie "im Amt befindliche" Regierungsberater, einen militärischen Planer, einen hochrangigen Diplomaten, einen Pentagon-Berater, ein Mitglied des US-Repräsentantenhauses sowie einen israelischen Geheimdienstmitarbeiter. Nachdem vieles, was Hersh schreibt, ohnehin schon aus anderen Quellen bekannt ist, etwa die Planungen für einen Kernwaffeneinsatz, sollte man seinen Text eher als Bestätigung der schlimmsten Befürchtungen der Planung mancher Hardliner in der US-Regierung betrachten denn als haltlose Übertreibung.

Es sind eher die Details, der Subtext, der zu denken gibt, wo sich Parallelen zum Irakkrieg geradezu aufdrängen. Geheime Briefings für ausgewählte Senatoren und Abgeordnete. Ein Detail, das, wenn es stimmt, militärisch sinnlos wäre, aber als psychologische Einschüchterung verstanden werden könnte. Hersh berichtet von Flugmanövern von trägergestützten taktischen Kampfflugzeugen, bei denen in Reichweite iranischen Radars Kernwaffenabwürfe simuliert worden sein sollen. Das Pikante dabei ist, dass es nach allem bekanntem Wissen seit 1994 keine luftgestützten Kernwaffen für taktische Kampfflugzeuge mehr auf amerikanischen Trägerverbänden gibt.

Ein weiteres bemerkenswertes Detail ist die Rolle, die A.Q. Khan, der Vater der pakistanischen Kernwaffe, beim iranischen Nuklearprogramm spielt oder spielen soll. Er wird ja verdächtigt, Zentrifugen und Zentrifugenteile, sowie einen chinesischen Bauplan an das iranische Regime auf eigenen Gewinn und ohne Mitwisserschaft der pakistanischen Behörden verkauft zu haben. Dies ist zumindest die gängige Theorie. A.Q. Khan gilt in Pakistan noch immer als Nationalheld, steht unter Hausarrest und US-Behörden geben sich bei ihm die Türklinke in die Hand. Eine der Quellen von Hersh spricht davon, dass A.Q. Khan "singe wie ein Kanarienvogel", eine andere meint gar, aus seinen Aussagen ließe sich eine neue und völlig dramatische Gefahrenlage rekonstruieren. Das ist insofern merkwürdig, als es der IAEA, der eigentlich zuständigen Behörde für die Aufklärung des iranischen Nuklearprogramms, bisher kein einziges Mal gestattet wurde, A.Q. Khan zu vernehmen.

Machtkampf innerhalb des Militärs?

Die Tatsache, dass gerade jetzt, etwa zwanzig Tage vor Ablauf der Frist des UN-Sicherheitsrates gegenüber Iran alle Anreicherungsexperimente einzustellen, weitere Details über nukleare Einsatzplanungen an die Öffentlichkeit durchsickern, könnte auch bedeuten, dass sich, wie Hersh behauptet, zahlreiche Spitzenmilitärs deutlich gegen eine "nukleare Option" bei einem Angriff aussprechen.

Hersh nennt hier vor allem die Generalstabchefs und meint, es wären auch einige bereit, deswegen zurück zu treten. Die Generalstabchefs haben hier jedoch bestenfalls beratende Funktion, da sie nicht in der Befehlskette bei einem allfälligen Angriff vorkommen werden. Diese verläuft vom Weißen Haus oder vom Pentagon direkt zum CENTCOM, dem regionalen Einsatzkommando.

Die Nicht-Widerlegbarkeit und das "parallele Nuklearprogramm"

Eine Argumentation ist in den letzten Monaten verstärkt aufgebaut worden: das "parallele Nuklearprogramm". Dieser Gedankenstrang findet sich auch bei Hershs Quellen und funktioniert so: Selbst wenn Iran alle IAEA-Auflagen erfüllen sollte, aber trotzdem mit seinem Anreicherungsprojekt weiter machen würde, werde das Land die technische Fähigkeit erlangen, dies in einem geheimen parallelen Nuklearprogramm fortzusetzen.

Nur gibt es bis heute keinerlei ernst zu nehmenden Hinweise darüber. Auch von der IAEA, die hier durchaus ihren Ruf zu verlieren hat, wurde nichts gefunden. Sollte es also zu Luftangriffen kommen, so würde damit auch fast jede Form der Überprüfbarkeit beseitigt sein. Fast alle Experten sind sich darüber einig, dass eine solche Form der militärischen Intervention ein militärisches Nuklearprogramm des Iran zwar verzögern, aber nicht stoppen könnte.

Der Beitrag wurde im Original auf der Website von Telepolis am 10. April 2006 veröffentlicht.
Quelle: www.heise.de.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors.


* Georg Schöfbänker ist Politikwissenschafter und betreibt das Österreichische Informationsbüro für Sicherheitspolitik und Rüstungskontrolle in Linz.


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