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Ölstaat Iran hat Benzin rationiert

Der Zorn trifft vor allem Ahmadinedschad

Von Jan Keetman, Istanbul *

Ein Großteil der Iraner wird die Präsidentschaft Mahmud Ahmadinedschads weniger mit dem Streit um die Urananreicherung oder den unsäglichen Äußerungen zum Holocaust als vielmehr mit der Einführung der Benzinrationierung verbinden.

Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat bei den Iranern um Verständnis für die umstrittene Benzinrationierung geworben. Er wisse um die Probleme, die die Regierungsentscheidung für das Volk bedeute, sagte Ahmadinedschad am Sonntag im staatlichen Fernsehen. Dieser Schritt sei aber notwendig. Ziel sei es den täglichen Benzinverbrauch von derzeit 80 Millionen auf 60 Millionen Liter zu senken.

Vor einer knappen Woche, am Dienstagabend um 22 Uhr Ortszeit, verkündete das iranische Fernsehen das Schreckliche: Ab Mitternacht werde die lange angekündigte, aber immer wieder verschobene Benzinrationierung in Kraft treten. Die Wut der Autofahrer, die zu den Tankstellen eilten, um noch einmal vollzutanken und die Kanister füllen zu lassen, entlud sich in deftigen Flüchen gegen die Regierung und in Handgreiflichkeiten. Mehrere Tankstellen Teherans gingen gar in Flammen auf.

Die ökonomische Vernunft und die Gesetzeslage sind völlig auf der Seite des Präsidenten. Benzin und andere Mineralölprodukte sind in Iran billiger als Mineralwasser. Die Folge sind Verschwendung, Schmuggel und verstopfte Straßen. In den Nahverkehr wird nur wenig investiert. 20 Jahre brauchte es, um in Teheran ein paar U-Bahnstationen zu eröffnen. Andererseits kommt das Land mit dem Bau neuer Raffinerien dem ständig wachsenden Verbrauch von billigem Sprit nicht nach. Der viertgrößte Ölexporteur der Welt muss daher 40 Prozent seines Benzins aus dem Ausland einführen.

Doch nicht nur die strategische Verwundbarkeit aufgrund der Benzineinfuhren, vor allem die wachsenden Ausgaben für den subventionierten Treibstoff machen der iranischen Führung zunehmend Sorgen. Im Frühjahr wurde deshalb die Erhöhung der Benzinpreise um 25 Prozent beschlossen. Der Liter Benzin kommt danach auf 0,085 Euro.

Die vom Parlament beschlossene Rationierung ist ebenfalls noch immer großzügig. 100 Liter im Monat für einen Privatwagen, sofern er nicht auch mit Flüssiggas betrieben werden kann. Doch die meisten Iraner haben sich daran gewöhnt, dass Benzin für sie in jeder Menge und zu einem Spottpreis zu haben ist. Vor der Revolution gegen den Schah hatte Ayatollah Ruhollah Khomeini in einem religiösen Rechtsgutachten, einer Fatwa, festgestellt, dass das Erdöl dem Volke gehöre, dass es also umsonst oder sehr billig abgegeben werden sollte.

Präsident Ahmadinedschad war im Wahlkampf mit dem Versprechen angetreten, den Ölreichtum an die Armen auch auszuzahlen. Nun ist gerade er es, der den Benzinsegen einschränkt. Offenbar haben im Parlament einige Abgeordnete bereits wieder kalte Füße bekommen und bereiten einen neuen Gesetzentwurf vor, mit dem die Rationierung wieder rückgängig gemacht werden soll.

Wie dem auch sei, der Zorn trifft vor allem Ahmadinedschad und er könnte sich bei den Parlamentswahlen im nächsten Frühjahr und den Präsidentenwahlen 2009 bemerkbar machen. Der Westen sollte sich aber in Bezug auf das Atomprogramm keine zu großen Hoffnungen machen: Noch ist Ahmadinedschad an der Regierung und auch seine potenziellen Nachfolger stehen hinter dem Programm.

* Aus: Neues Deutschland, 2. Juli 2007


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