Streit um neue Iran-Sanktionen
Teheran informierte IAEA über Uran-Vertrag mit Türkei und Brasilien - Ausweg aus der Krise?
Von Wolfgang Kötter *
Während Iran die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) jetzt
offiziell über sein mit der Türkei und Brasilien getroffenes Abkommen
zur Urananreicherung im Ausland informiert hat, sind die Vorbereitungen
für eine neue Sanktionsrunde im UN-Sicherheitsrat weit vorangeschritten.
Zwar beteuert Teheran unermüdlich, dass es sein Atomprogramm
ausschließlich zu friedlichen Zwecken nutze, doch wird im Westen
befürchtet, dass Iran unter dem Deckmantel eines zivilen Nuklearprojekts
Kernwaffen entwickelt. Am New Yorker UN-Sitz haben die USA deshalb
inzwischen eine vierte Sanktionsresolution eingebracht. Aber nicht alle
halten das für eine gute Idee. Aus Sicht der Kritiker gibt es einen
besseren Weg: den von Brasilia und Ankara vermittelten Deal vom 17. Mai
über die Auslagerung der umstrittenen Urananreicherung.
Bei dem seit Monaten diskutierten Atomgeschäft geht es um höher
angereichertes Uran, das Iran zum Betrieb eines medizinischen
Forschungsreaktors etwa für Strahlentherapien bei Krebspatienten
braucht. Brasilien und die Türkei wollen als nichtständige Mitglieder
des Weltsicherheitsrats die festgefahrenen Verhandlungen der
Sechsergruppe - die fünf ständigen Mitglieder des Rats plus Deutschland
- wieder flott machen und möchten künftig ebenfalls als Partner mit ins
Boot geholt werden. Die Türkei bietet sich als Zwischenstation für den
Uranaustausch an. Im Rahmen dieser Vereinbarung soll Iran innerhalb
eines Monats 1,2 Tonnen schwach angereicherten Urans liefern, um im
darauf folgenden Jahr 120 Kilogramm 20-prozentige Kernbrennstäbe von der
sogenannten Wiener Gruppe - Russland, USA, Frankreich und IAEA - zu
bekommen. Nach Meinung des türkischen Außenministers Davutoglu seien
nach dieser Einigung neue Sanktionen hinfällig.
In den internationalen Reaktionen mischt sich allerdings vorsichtige
Zustimmung mit Skepsis, denn Teheran will anscheinend auch an der
Urananreicherung in der eigenen Nuklearanlage Natans festhalten. Die
Arabische Liga hingegen lobt die Einigung. Das Abkommen sei ein
»positiver Schritt«. Die Bundesregierung, die EU und auch Russland
zeigen sich hingegen zurückhaltend. Washington bleibt misstrauisch, hält
das Einlenken Teherans lediglich für ein Manöver, um Sanktionen
abzuwenden, und meldet »ernste Bedenken« an. Um den Druck zu erhöhen,
stellte man den Resolutionstext über eine vierte UN-Sanktionsrunde zur
Abstimmung - in »enger Zusammenarbeit mit unseren Partnern in der
Sechsergruppe«, so USA-Außenministerin Hillary Clinton. Iran verstoße
»mit der fortgesetzten Anreicherung von Uran auf dem eigenen Territorium
weiterhin gegen Resolutionen des Sicherheitsrates«, betonte
UN-Botschafterin Susan Rice. Eine Verschärfung der Sanktionen sei daher
»unumgänglich«.
Der zehnseitige Text beinhaltet ein verschärftes Waffenembargo für
insgesamt acht verschiedene Kategorien schwerer Waffen darunter
Kampfflugzeuge, Raketen, Panzer, Hubschrauber und Kriegsschiffe.
Iranische Bankgeschäfte und Finanztransaktionen sollen noch stärker
überprüft und eingeschränkt werden. So würden Gelder der Islamischen
Revolutionsgarde eingefroren, und Iran dürfte nicht mehr in Uranminen
oder andere sensible Bereiche im Ausland investieren. Außerdem sollen
die Revolutionsgardisten mit Reisebeschränkungen belegt werden. Neu ist
ein Aufruf zur Kontrolle von Schiffen und Flugzeugen, deren Fracht dem
iranischen Atomprogramm dienen könnte.
Mit dem Resolutionsentwurf sollen einerseits die Kosten Irans für die
anhaltende Missachtung der internationalen Gemeinschaft erhöht werden,
sagte Rice. Anderseits solle Teheran überzeugt werden, die Bedenken
gegen das Atomprogramm friedlich auszuräumen. Die Resolution würde die
diplomatischen Bemühungen ergänzen und nicht ersetzen. Die Großmächte
drängten auf eine Abstimmung im Juni, weil die turnusmäßige
Ratspräsidentschaft für diesen Monat von Sanktionsgegner Libanon auf
Mexiko wechselt. Aber selbst wenn die Ständigen Ratsmitglieder gemeinsam
für die Resolution votieren sollten, werden noch vier weitere Stimmen
benötigt. Brasilien und die Türkei haben ihre Ablehnung bereits
öffentlich kundgetan. Als Kritiker gelten auch Uganda,
Bosnien-Herzegowina und Mexiko. Sichere Befürworter sind nur Japan und
Österreich, während Nigeria und Gabun sich noch nicht festgelegt haben.
Dass Sanktionen allein keine Lösung bringen, zeigt die bisherige
Entwicklung. Andererseits könnte der trilaterale Kompromiss
möglicherweise der Auftakt für eine umfassende diplomatische Lösung des
Atomstreits sein. Offensichtlich kann das Nuklearproblem nur im
Gesamtzusammenhang des Nahostkonflikts erfolgreich angepackt werden,
wobei die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt werden müssen.
* Aus: Neues Deutschland, 26. Mai 2010
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