Iran unterm Atomsymbol
Teheran verteidigt sein Programm gegen den Westen und feiert es
Von Jan Keetmann, Istanbul *
Die Generalversammlung der Internationalen Atomenergienehörde (IAEA) tagt seit Montag in Wien.
Ihr wichtigstes Thema dürfte wieder einmal der Atomkonflikt mit Iran sein.
Für den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad ist die Akte seines Landes bei der
Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien geschlossen, nachdem sich Iran mit IAEA-Chef
Mohamed el Baradei im August auf einen Zeitplan zur Offenlegung der Atom-Aktivitäten des Landes
geeinigt hat. El Baradei selbst spricht mittlerweile allerdings viel vorsichtiger von der Vereinbarung,
die er als großen Durchbruch gefeiert hatte.
Der Ägypter fordert nun, seine Kontrollbehörde müsse auch Zugang zu Arealen bekommen, die von
Iran selbst nicht als Atomanlagen deklariert werden. Und er erinnert Teheran an die Einstellung der
Urananreicherung, die der UN-Sicherheitsrat fordert. Während El Baradei den Druck westlicher
Staaten, vor allem der USA, im Nacken spürt und meint, Iran müsse nachlegen, ist man in Teheran
ganz anderer Meinung. Iran will unangemeldete Inspektionen der IAEA nur wieder zulassen, wenn
sich der Sicherheitsrat ganz aus der Sache zurückzieht.
Indes wird die Atomfrage in dem Land, dessen herrschende Mullahs einen guten Teil ihrer
Legitimation aus der Konfrontation mit dem Westen ziehen, immer wichtiger. Der religiöse Führer
und mächtigste Mann im Staate, Ali Chamenei, prophezeite, Iran werde »diese betrunkenen und
arroganten Mächte« durch seine »kunstvollen und weisen Wege« besiegen.
Das iranische Fernsehen dreht derzeit eine 20-teilige Serie, die von der Notwendigkeit der
Beherrschung nuklearer Technologie überzeugen soll. Diese Botschaft wird in eine
Spionagegeschichte eingewoben. Schon im Juli kam ein Videospiel auf den Markt, in dem ein
Spezialagent iranische Nuklearwissenschaftler aus den Fängen der USA befreien muss, überdies ist
ein israelischer Spion zu entlarven. Im Juni gab Iran eine Banknote mit dem Atomsymbol aus, eine
Briefmarke soll folgen.
Anfang September erklärte Ahmadinedschad stolz, Iran habe nun 3000 Zentrifugen zur
Anreicherung von Uran in Betrieb. Experten sagen, genau so viele Zentrifugen müssten ein Jahr
laufen, um Material für eine Atombombe zu erzeugen.
Die IAEA schätzt den Stand der Anreicherung zurückhaltender ein: Iran habe knapp 2000
Zentrifugen im Betrieb, die Einrichtung weiterer Anlagen habe sich im Sommer – aus technischen
oder politischen Gründen – verlangsamt. Sei es wie es sei: Iran kommt mit seinem Atomprogramm
voran und feiert dies. Auch weil es auf anderen Gebieten nicht so gut aussieht. Im August tauschte
Ahmadinedschad die Minister für Erdöl und Industrie aus. Der Chef der Zentralbank trat selbst
zurück. Seit langem wird der Präsident wegen seiner Wirtschaftspolitik kritisiert. Der »islamische
Robin Hood« war schließlich mit dem Versprechen angetreten, den Ölreichtum Irans mit den Armen
zu teilen. An seinen Absichten zweifelt man nicht, doch mittlerweile an seinen Fähigkeiten.
So befahl Ahmadinedschad der Zentralbank, die Zinsen auf 12 Prozent zu senken. Dann befand er,
der Zementpreis sei zu hoch. Worauf niemand mehr in Zement investierte. Zinsen an oder sogar
unter der Inflationsrate beflügelten den Immobilienmarkt. Mit steigenden Immobilienpreisen hoben
die Mieten ab – und das traf gerade die Armen. Die Inflation hat 17 Prozent erreicht, die
Arbeitslosigkeit nimmt weiter zu.
In Teheran gewinnt derweil ein Konkurrent Ahmadinedschads an Einfluss: Der 73-jährige ehemalige
Präsident Ali Akbar Rafsandschani wurde kürzlich zum Vorsitzenden des Expertenrates gewählt, der
aus 86 Geistlichen besteht und den religiösen Führer ernennen, kontrollieren und sogar absetzen
kann. In der Praxis tritt der Rat nur selten zusammen und trifft keine politischen Entscheidungen.
Doch der Aufstieg des pragmatischen und in Grenzen liberalen Rafsandschani bedeutet, dass sich
in Teheran eine Alternative zu Ahmadinedschads radikalem Kurs abzeichnet. Ob das die Möglichkeit
eines Einlenkens im Atomkonflikt einschließt? Vor zu großem Optimismus sei gewarnt, denn auch
unter Rafsandschanis Präsidentschaft wurde am Atomprogramm gearbeitet.
* Aus: Neues Deutschland, 18. September 2007
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