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"Mit allen Mitteln"

Verstärkte Warnungen vor US-Krieg gegen Iran. New York Times berichtet von Angriffsplänen der Bush-Administration im August 2008

Von Rainer Rupp *

Das am schlechtesten gehütete Geheimnis in Washington ist die Tatsache, daß Bush und sein Vizepräsident Dick Cheney nach einem Vorwand suchen, um Bomben- und Raketenangriffe gegen Iran anzuordnen«. Das schrieb am Montag der langjährige, hochrangige CIA-Mitarbeiter Ray McGovern, der vor dem Hintergrund von Bushs Irak-Kriegslügen gemeinsam mit einer Gruppe ehemaliger Kollegen zu einem der schärfsten Kritiker der Kriegstreiber im Weißen Haus geworden ist. Unter Berufung auf Insider berichtete die New York Times letzte Woche, daß die Bush-Administration für August einen Angriff gegen Iran plant. Hierzu habe es von der Regierung bereits ein Einweisung für die führenden Mitglieder des Geheimdienst­ausschusses des US-Senats gegeben.

Widerstand gegen die Kriegspläne sei laut New York Times nur von den beiden Senatoren Feinstein (Demokraten) und Lugar (Republikaner) gekommen. Die Sprecher der beiden Senatoren haben aber inzwischen den Bericht dementiert. Dennoch halten sich hartnäckig die Gerüchte und Befürchtungen weiter, daß ein neuer Krieg unmittelbar bevorsteht. Maßgeblich trägt dazu die Tatsache bei, daß Bush nach dem Irak-Krieg öffentlich versprochen hat, das Iran-Problem vor Ende seiner Amtszeit zu »lösen«, und zwar »mit allen Mitteln«, friedlich oder anders. Dies sehe Bush, so der politische Enthüllungsjournalist Seymour Hersh, als seine »gottgegebene Aufgabe« an.

Riß durch die Parteien

Da nach ihm kein US-Präsident das Wagnis eingehen würde, Iran anzugreifen, wird Bush insbesondere von der Rüstungsindustrie, von neokonservativen Strategen, von der eng mit der Bush-Regierung liierten israelischen Regierung, von der Stammwählerschaft der Bush-Regierung: den evangelikalen Fundamentalisten und von den großen erzkonservativen Medien angetrieben. Diesbezüglich geht jedoch ein Riß sowohl durch Bushs republikanische als auch durch die oppositionelle demokratische Partei. In letzterer hatte der zionistische, ehemalige demokratische Senator Joseph Lieberman im vergangenen Herbst mit einer parlamentarischen Initiative den Weg freigemacht, um wegen eventueller »terroristischer« Aktivitäten militärisch gegen die iranische Regierung vorzugehen.

Fakten schaffen

Die Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton hatte sich dem mit Blick auf die jüdisch-amerikanische Wahlkampfunterstützung enthusiastisch angeschlossen und gedroht: »Wir werden Iran auslöschen«. Anderserseits hat der einflußreiche demokratische Senator Joseph Biden Bush gewarnt, daß ein Krieg gegen Iran ohne Zustimmung des Kongresses ein Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) nach sich führen werde.

Seit drei Jahren wird von verschiedenen Seiten immer wieder von einem unmittelbar drohenden Krieg gegen den Iran gewarnt. In Reaktion darauf verschärft die Bush-Administration regelmäßig ihre Anti-Iran-Rhetorik. So behaupete ein Mitarbeiter der israelischen Regierung während Bushs jüngstem Besuch in Israel, daß ein hochrangiges Mitglied aus seiner Begleitung von Angriff auf Iran vor Ende der Amtsperiode berichtet habe. Ein solcher Angriffsplan wurde inzwischen vom Weißen Haus dementiert. Derweil warnen prominente US-Politiker wie Zbigniew Brzezinski erneut vor einer bevorstehenden, von den USA nach dem Vorbild des »Golf von Tonking« inszenierten Ereignisses, um einen Angriffskrieg gegen Iran zu rechtfertigen.

Beobachter der Washingtoner Politik nehmen an, daß durch die Initiierung eines Iran-Kriegs militärische Fakten geschaffen werden sollen, die auch den Nachfolger Bushs, egal wer es wird, auf die Fortführung der bisherigen Kriegspolitik festlegen. Gestoppt werden könnte der Krieg jedoch noch durch eine Welle des öffentlichen Protestes.

* Aus: junge Welt, 3. Juni 2008


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