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Ahmadinedschad ist schuld

Am 14. Juni wird in Iran ein neuer Präsident gewählt

Von Knut Mellenthin *

Vom heutigen Dienstag bis zum Sonnabend können sich die Bewerber zur iranischen Präsidentschaftswahl am 14. Juni formal anmelden. Wer wirklich als Kandidat antreten darf, entscheidet jedoch der Wächterrat – ein Gremium aus sechs Klerikern, das zur Hälfte vom »Obersten Revolutionsführer« Ajatollah Ali Khamenei ernannt und zur anderen Hälfte auch nicht gerade demokratisch gewählt wird. Sicher ist nur, daß Mahmud Ahmadinedschad nach zwei Amtszeiten nicht wieder kandidieren darf. Ob sein enger Berater Esfandiar Rahim Maschaei, den der Präsident vermutlich ins Rennen schicken will, zugelassen wird, ist völlig ungewiß. Der zu vielen Themen relativ liberal und aufgeklärt argumentierende Maschaei ist für die konservativen Kleriker ein rotes Tuch. Sie bezweifeln, ob er überhaupt gläubiger Muslim sei und nennen ihn, was mindestens ebenso schwer wiegt, einen »Freimaurer«.

Im Ausland blickt man mit Spannung auf die Wahl. Wenn diese gelaufen ist, wolle die US-Regierung gemeinsam mit der israelischen Führung entscheiden, ob man »militärische Optionen« ins Auge fassen »müsse«. Das soll Verteidigungsminister Chuck Hagel, einem Bericht des Wall Street Journal vom Freitag zufolge, mit seinen israelischen Kollegen besprochen haben, als er vor kurzem dort zu Besuch war. Gleichzeitig berichtete das neokonservative Blatt über eine Weiterentwicklung der stärksten konventionellen Bombe der USA, des Massive Ordnance Penetrator, die für die Zerströrung von stark verbunkerten Anlagen geeignet ist. Die Sprengkraft sei nochmals erhöht und die Zielgenauigkeit verbessert worden.

Westliche Mainstream-Medien, vor allem die besonders intensiv beobachtenden israelischen und US-amerikanischen, melden im Vorfeld der iranischen Präsidentenwahl »gemäßigte Töne« von allen bedeutenden Politikern, die als mögliche Kandidaten angesehen werden. Selbst eine ausgesprochene Plattheit wie Akbar Haschemi Rafsandschanis Feststellung »Wir befinden uns mit Israel nicht im Krieg« wird groß herausgestellt. Der jetzt 78Jährige war Präsident von 1989 bis 1997 und unterlag 2005 im zweiten Wahlgang gegen Ahmadinedschad. Im westlichen Ausland gilt er mittlerweile als »Pragmatiker«, obwohl er während seiner Amtszeit von den USA und Israel für mehrere schwere Terroranschläge verantwortlich gemacht wurde.

Alle Bewerber scheinen sich bisher einig, daß sie ihren Wahlkampf nicht mit alternativen Politikvorschlägen, sondern mit oberflächlichen Angriffen gegen Ahmadinedschads Außen- und Wirtschaftspolitik bestreiten wollen. Daß der Amtsinhaber mit seinen Äußerungen zum Holocaust dem Ansehen Irans schwer geschadet habe, ist ohnehin Konsens. Ahmadinedschad habe seine »Zweifel« an der Realität des Holocaust »ohne Erwägung der Ergebnisse und Implikationen« vorgebracht, meint zum Beispiel Teherans Bürgermeister Mohammad Bagher Ghalibaf.

Daß auch der außenpolitische Spitzenberater des »Obersten Revolutions­führers«, Ali Akhbar Velajati, sich genau in diesem Sinn äußert, läßt darauf schließen, daß diese Kritik der vorherrschenden Linie entspricht. Velajati war Außenminister in den Jahren 1981 bis 1997 – weit länger als irgendeiner seiner Nachfolger. Er ist zur Wahl ein Dreierbündnis mit Ghalibaf und einem bekannten Parlamentsabgeordneten eingegangen. Wer von ihnen kandidieren wird, steht indes noch nicht fest.

Velajati, in seiner Amtszeit alles andere als ein Liebling des Westens, behauptet auch zu wissen, wie das Kunststück zu vollbringen sei, einerseits ohne Abstriche am friedlichen Atomprogramm festzuhalten, und andererseits Irans angeblich von Ahmadinedschad schwer beschädigte Beziehungen zum Ausland »wiederherzustellen«. Wie das praktisch gehen soll, deutet er jedoch ebensowenig an wie Hassan Rohani, der von 2003 bis 2005 Irans Chefunterhändler im Atomstreit war und zur Präsidentenwahl mit dem luftigen Versprechen antreten will, eine »Regierung der Klugheit und Hoffnung« bilden zu wollen. Tatsächlich sind von keinem künftigen Präsidenten die umfassenden Zugeständnissen auf allen Gebieten zu erwarten, die die USA als Voraussetzung für eine Abmilderung ihres Konfrontationskurses fordern.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 7. Mai 2013


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