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Iraks Regierungschef in der Kritik

Kabinett noch immer nicht vollständig

Von Karin Leukefeld *

Zwei Wochen nach der Ernennung eines Teils seiner neuen Regierung ist der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki in ein Kreuzfeuer von Kritik geraten.

Dschamal al-Batikh von der überkonfessionellen Irakija-Liste forderte den alten und neuen Premier auf, inkompetente Minister in seinem Kabinett durch Fachleute zu ersetzen. Parlamentspräsident Osama al-Nudschaifi, der ebenfalls auf der Irakija-Liste gewählt wurde, kritisierte derweil die Beziehungen zwischen dem Kabinett und den Provinzregierungen. Die Regierungsspitze müsse die Provinzen besuchen, um die Probleme der Leute besser einschätzen zu können, sagte Nudschaifi, der vor seiner Wahl zum Parlamentsvorsitzenden Gouverneur der zwischen Kurden und Zentralregierung umstrittenen Provinz Niniveh war. Auch christliche Assyrer haben kürzlich Anspruch auf Niniveh als autonome christliche Provinz erhoben.

Noch immer wird heftig über die Besetzung der Sicherheitsministerien debattiert. Mit der Begründung, er habe noch keine unabhängigen und kompetenten Persönlichkeiten für die Ämter gefunden, hatte Maliki die Ressorts für Verteidigung, Innenpolitik und Nationale Sicherheit zunächst selbst übernommen. Die Irakija-Liste hat ihren Anspruch auf das Verteidigungsministerium mit der Vorlage einer Kandidatenliste unterstrichen. Für die Kurden forderte Fuad Hussein, Büroleiter von Präsident Dschelal Talabani, ebenfalls eines der Schlüsselministerien.

Für den neu geschaffenen Nationalrat für Strategische Politik, eine Art Querschnittsministerium, das vom ehemaligen Regierungschef Iyad Allawi geführt werden soll, hat dessen Irakija-Liste inzwischen einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der voraussichtlich am 10. Januar im Parlament verabschiedet werden soll.

Auf Antrag weiblicher Abgeordneter aller Fraktionen hatte das Parlament zum Jahreswechsel eine Resolution unter dem Titel »Die Angelegenheiten der Frauen haben Vorrang« verabschiedet. Eingerichtet wurde auch ein Kontrollkomitee, das dafür sorgen soll, dass Frauenthemen in der Arbeit von Parlament und Regierung nicht zu kurz kommen. Die Kritik war dadurch ausgelöst worden, dass Maliki bisher nur eine einzige Frau in sein Kabinett berufen hat – auf einen Posten ohne Geschäftsbereich. Maliki schob die Schuld auf die Parteien, die keine Frauen nominiert hätten. Doch die kurdische Abgeordnete Ala Talabani warf Maliki Mangel an Vertrauen in die politischen Fähigkeiten von Frauen vor. Sogar für das Frauenministerium habe er einen Mann ernannt. Der Posten wurde Außenminister Hosjar Zebari von der Kurdischen Allianz übertragen.

Safia al-Suhail, Abgeordnete der Liste für Rechtsstaatlichkeit, forderte »eine Frau als Vizepräsidentin« und »eine Rolle in Entscheidungsprozessen«. Der Ministerpräsident habe versprochen, dass Frauen in der Regierung vertreten sein würden, fügte ihre Parteikollegin Hanan Fatlawi hinzu. Sie sei da aber nicht optimistisch.

Die irakische Verfassung sieht eine Quote von 25 Prozent für Frauen im Parlament vor, für die Regierung gilt das allerdings nicht. Während der Parlamentsdebatte solidarisierten sich viele männliche Abgeordnete mit dem Anliegen der Frauen. In Irak müsse eine »neue humanitäre Denkweise kultiviert« werden, sagte der frühere Ministerpräsident Ibrahim al-Dschafari. Es gehe nicht darum, zwischen Frauen und Männern zu unterscheiden, sondern man müsse »die qualifizierten von den unqualifizierten Personen unter den Männern und Frauen« unterscheiden. Die Ungerechtigkeit gegenüber Frauen sei eine Schande, kritisierte auch Baha al-Aradschi (Sadr-Bewegung). Um die Rechte der Frauen zu garantieren, regte Aradschi entsprechende Gesetzesinitiativen an.

* Aus: Neues Deutschland, 6. Januar 2011


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