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Iraks Stammesführer für Einheit des Landes

Unterstützung für Versöhnungsplan der Regierung / Abzug fremder Truppen gefordert

Von Karin Leukefeld *

Einen »Ehrenpakt« haben Hunderte irakischer Stammesführer und Scheichs am geschlossen, um den irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki bei der Umsetzung seines Versöhnungsplans zu unterstützen.

Das hochgesteckte Ziel der Vereinbarung ist, die innerreligiösen Konflikte in Irak zu beenden und »den Terrorismus, der das Land zerreißt«, zu stoppen. Angesichts der ernsten Lage, »in der unser Land ist, versprechen wir vor Gott und dem irakischen Volk, aufrichtig und ernsthaft die Einheit unseres Landes zu bewahren«, heißt es in dem Abschlussdokument, das live im staatlichen Fernsehen verlesen wurde. Anwesend waren vor allem Vertreter vieler kleinerer Stämme. Sunnitische Stämme aus der Euphratregion, die weiterhin die Besatzungstruppen bekämpfen, lehnen den Versöhnungsplan ebenso ab wie die Badr-Brigaden, eine schiitische Miliz, die unter Kontrolle von Abdulaziz al-Hakim vom Hohen Rat für eine Islamische Revolution steht. Als Zeichen der Versöhnung ließen unbekannte Kidnapper die Abgeordnete Tayseer al-Mashhadani nach fast zweimonatiger Geiselhaft unverletzt frei. Die Abgeordnete der Sunnitischen Nationalen Einheitsfront war am 1. Juli verschleppt worden.

Die Vereinbarung der Stämme soll vor allem die schwache Regierung von Nuri al-Maliki stärken, in dessen kurzer Amtszeit sich die Sicherheits- und Versorgungslage für die Iraker drastisch verschlechtert hat. Die Regierung ist weiterhin auf den Schutz der US-amerikanischen Truppen angewiesen. Politische Beobachter gehen davon aus, dass ihre Macht nicht weiter reicht als bis zu den Mauern der »Grünen Zone« in Bagdad. Vor allem auf dem Land bieten die mächtigen Stammesführer Schutz und Hilfe. Diese hatten schon in den letzten Amtsjahren von Saddam Hussein zusehends an Einfluss gewonnen. Viele der Stämme vereinen in sich Muslime sunnitischen als auch schiitischen Glaubens, seit Generationen eine Maßnahme, um den Frieden untereinander zu erhalten.

Eine ihrer zentralen Forderungen ist der Abzug der fremden Truppen oder zumindest ein Zeitplan dafür. Ministerpräsident al-Maliki wies darauf hin, dass die US-Truppen sich nicht zurückziehen würden, solange keine Einigkeit in Irak herrscht. »Die Stämme müssen eine wichtige Rolle im Kampf gegen Terroristen, Saboteure und Eindringlinge übernehmen«, so Al-Maliki. Weitere Treffen sollen Geistliche, Armeeoffiziere sowie soziale und politische Gruppen zusammenbringen.

Die Versöhnungskonferenz konnte das Töten nicht stoppen. Am Wochenende wurden erneut 50 Menschen Opfer der Gewalt. Bei einer Explosion vor der regierungsnahen Zeitung »Al Sabah« starben mindestens zwei Menschen. Mangelnde Sicherheit beklagte auch der Leiter des Nationalmuseums und der Antikensammlung, Donny George, der Irak jetzt verlassen hat. George kritisierte die Politik des zuständigen Ministeriums, das sich fast ausschließlich um die islamisch-historischen Stätten kümmere und andere vernachlässige. Außerdem sei die Finanzierung der 1400 Mann starken Spezialtruppe zum Schutz der historischen Stätten nicht mehr gesichert.

Minister Liwa Sumaysim von der Sadr-Bewegung, wies die Kritik zurück. Auch wenn es Meinungsverschiedenheiten gegeben habe, sei George jederzeit willkommen, falls er auf seinen Posten zurückzukehren wolle.

* Aus: Neues Deutschland, 28. August 2006


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