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Im Wirtschaftsteil der FAZ: Spekulationen über einen Militärschlag

"Am Ölmarkt wird mit einem baldigen Angriff auf den Irak gerechnet"

Sogar im Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen wird schon über den lang angekündigten Krieg gegen Irak spekuliert. Anlass dafür sind Presistrukturänderungen auf den internationalen Ölmärkten. Am 16. Juli erschien ein Artikel, der überschrieben war mit "Spekulationen, über einen Militärschlag. Am Ölmarkt wird mit einem baldigen Angriff auf den Irak gerechnet". Darin wird festgestellt, dass am Rohölmarkt die Preise steigen, wofür es allerdings keine richtigen Gründe gäbe. Also werden andere Gründe gesucht.

Es falle auf, so die FAZ, dass sich die Preisstruktur an den Terminbörsen in London und New York in jüngster Zeit verändert habe. "Sie ist bei den nahen Kontrakten invers und damit atypisch geworden." Es erscheine plausibel, dass kommerzielle Kräfte ebenso wie die Spekulanten "einkaufen". Als Motiv kämen die "zunehmenden Ungewissheiten über die künftige Versorgung mit Rohöl" in Frage. So wäre es auch nicht verwunderlich, wenn die Diskussion über einen militärischen Schlag gegen den Irak bald wiederaufleben würde. Immerhin ist das Land ein bedeutender Ölexporteur. Die Ausfuhren dieses seit 1990 nicht mehr aktiven Opec-Mitglieds hängen indessen von der politischen Tageslage ab. Die Vereinten Nationen haben hier das wichtigste Wörtchen mitzureden, wenn sie über Sanktionen und das immer wieder verlängerte Programm "Öl für Lebensmittel" entscheiden.

"Nicht vom Tisch" sei auch die - in den vergangenen Wochen nach Meinung der FAZ "fast verstummte" - Diskussion über eine von den Vereinigten Staaten geführte Militäraktion gegen den Irak. Drei Indizien für einen in naher Zuklunft bevorstehenden US-Angriff auf den Irak werden im FAZ-Artikel genannt:

Einmal gäbe es Hinweise darauf, daß die Regierung in Washington starken Einfluss auf die Türkei nimmt, geplante Neuwahlen nicht schon im November, sondern erst in sechs bis neun Monaten abhalten zu lassen. Die Vereinigten Staaten sind auf die Türkei als militärische Basis angewiesen, wenn sie den Irak angreifen wollen. Zu frühe und in ihrem Ergebnis "nicht vorhersehbare" Neuwahlen könnten die Unterstützung der Türkei in Frage stellen. Daher rühre der Wunsch der US-Administration die Wahlen hinauszuschieben.

Ein zweites Moment kommt hinzu. Es ist innenpolitischer Natur. Die FAZ: "Der Entschluss zum Handeln könnte wesentlich gestärkt werden von dem innenpolitischen Druck, dem sich Bush und sein Vizepräsident wegen der Bilanzierungsskandale und der Baisse an der Wall Street ausgesetzt sehen. Zudem werden im November Teile des Kongresses neu gewählt, sodass sich damit die Zusammensetzung der politischen Gewichte zu Lasten von Bush verändern könnte."

Ein drittes Indiz für einen baldigen Krieg sieht der Korrespondent der FAZ darin, dass sich die "klimatischen Bedingungen im Irak von September an zu mildern beginnen". Dies ermögliche einen "erfolgversprechenden militärischen Einsatz von Menschen und Material" im Irak.

Der Artikel schließt mit der Aufforderung, die Preisentwicklung des Rohöls genauestens zu verfolgen, gleichsam als Seismograf für das politische Erdbeben, das bald folgen könnte. Denn:
"Dies alles sind Überlegungen, die vorausdenkende Akteure am Ölmarkt anstellen, lange bevor sie weiterreichende Publizität erlangen. Am Preis läßt sich solches Denken zuallererst ablesen. Weiter anziehende Notierungen im Vorgriff auf eine Militäraktion und auf damit vielleicht verbundene Versorgungsstörungen wären also kein Wunder."

Quelle: "Spekulationen über einen Militärschlag. Am Ölmarkt wird mit einem baldigen Angriff auf den Irak gerechnet." In: FAZ, 16. Juli 2002, S. 19


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