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Aufmarsch der US-Truppen gegen den Irak: Auch von Deutschland aus?

Aktuelle Hintergrundberichte über Planungen, Maßnahmen und Optionen

Im Folgenden dokumentieren wir Ausschnitte aus einer Hörfunksendung des Norddeutschen Rundfunks vom 21. September 2002. Es handelt sich um die Sendereihe "Streitkräfte und Strategien", die häufig durch interessante Hintergrundberichte und Analysen besticht. Wir haben die Anmoderation von Andreas Flocken, einen stark gekürzten Beitrag von Franz-Josef Hutsch sowie den Beitrag von Jürgen Rose ausgewählt. (Ein dritter Beitrag befasste sich mit der Finanzierung der Bundeswehr.)

Andreas Flocken

Offenbar hat die Drohkulisse Wirkung gezeigt. Der Irak hat angekündigt, dass man wieder UN-Inspektoren in das Land lassen werde - bedingungslos. Ist damit der drohende Krieg am Golf doch noch abgewendet worden? Wohl kaum. Denn die USA halten das Angebot von Saddam Hussein für Taktik, für eine Täuschung. In der Tat: Der irakische Diktator hat die internationale Öffentlichkeit jahrelang an der Nase herumgeführt. Und dass sein Land nicht nur über chemische und biologische Kampfstoffe verfügte, sondern auch Atomwaffen anstrebte, - das ist nach dem Golfkrieg deutlich geworden. Ob UN-Inspektoren jetzt bei ihrer Rückkehr wirklich ungehinderten Zugang zu allen verdächtigen Anlagen haben werden, das muss sich erst noch zeigen.

Allerdings geht es den USA schon längst nicht mehr um die Rückkehr der UN-Inspektoren in den Irak. Das Ziel ist vielmehr ein Regime-Wechsel, die Entmachtung von Saddam Hussein. Vizepräsident Dick Cheney hat das im vergangenen Monat in seiner Rede in Nashville klar zum Ausdruck gebracht. Washington plant einen Präventivschlag gegen Bagdad. Denn eine der US-Lehren des 11. September ist, dass die USA nicht warten werden, bis das Land Ziel eines Anschlages mit Massenvernichtungswaffen wird. Deswegen auch die offensive Strategie. Von einer präventiven Verteidigung ist die Rede. Handfeste Beweise werden nicht für notwendig gehalten. Der bloße Verdacht, Massenvernichtungswaffen zu besitzen und Nicht-Bündnispartner der USA zu sein, reichen aus. Damit aber setzen die USA ihre Politik fort, sich zunehmend vom Völkerrecht und von internationalen Verträgen zu verabschieden. Das Recht des Stärkeren soll sich durchsetzen, auf Kosten des Internationalen Rechts. Niederschlag findet diese Strategie in der jetzt von der US-Administration vorgelegten "Nationalen Sicherheitsstrategie der USA". In dem 33-seitigen Dokument werden die Grundzüge der neuen präemptiven US-Strategie dargelegt.

Die Bush-Rede vor den Vereinten Nationen in der vergangenen Woche ist daher auch kein Strategiewechsel, kein Abschwören von einem möglichen Alleingang gegen Bagdad - auch wenn das mancher europäische Politiker gerne behauptet. Die Einbeziehung der Vereinten Nationen ist taktischer Natur. Der Sicherheitsrat soll das US-Vorgehen mit einem Mandat legitimieren. Die USA wären nicht isoliert, und könnten zumindest mit der politischen Unterstützung der Völkergemeinschaft rechnen.

Das Problem ist nur: Es ist wenig wahrscheinlich, dass die USA ein Mandat für einen Regime-Wechsel im Irak bekommen werden. Über den genauen Wortlaut der von Washington angestrebten "starken" UN-Resolution wird heftig gerungen werden - das ist schon jetzt absehbar. Notfalls aber werden die USA allein handeln - mit Berufung auf das in der UN-Charta verankerte Recht auf Selbstverteidigung. Die Weichen dafür hat US-Präsident Bush in dieser Woche gestellt mit seinem Entschließungs-Entwurf an den Kongress. Das Parlament soll ihm freie Hand für einen Militärschlag gegen den Irak geben. Angesichts der patriotischen Stimmung im Land und angesichts der anstehenden Kongresswahlen im November dürfte ihm eine breite Zustimmung sicher sein - auch wenn es jetzt noch skeptische Stimmen bei der Opposition gibt. Denn wichtiger als ein UN-Mandat ist dem Präsidenten eine geschlossene Heimatfront.

Pentagonchef Rumsfeld hat Saddam Hussein geraten, ins Exil zu gehen. Dadurch könnte ein Krieg verhindert werden. Ein Abdanken kommt für den irakischen Diktator allerdings nicht in Frage. Es spricht also vieles dafür, dass es am Golf zu einer militärischen Auseinandersetzung kommen wird - egal ob UN-Inspektoren in das Land gelassen werden oder nicht.

Die Themen in Streitkräfte und Strategien:
  • Mehr als eine bloße Drohkulisse - Auch nach dem Einlenken des irakischen Diktators gehen US-Aufmarsch und Kriegsvorbereitungen am Golf weiter.
  • Die Nutzung von US-Stützpunkten in Deutschland für einen möglichen Präventivkrieg gegen den Irak - Nur mit Zustimmung der Bundesregierung? Und:
  • Scherbenhaufen 'Bundeswehr-Rüstungsplanung' - Warten auf den Kassensturz nach der Bundestagswahl?

Zunächst also noch einmal zum Irak. Die USA machen mobil. Im Kampf gegen den internationalen Terrorismus sind mittlerweile schon über 70 000 Reservisten im Einsatz. Für den Feldzug gegen Bagdad werden es noch mehr werden. Die US-Vorbereitungen hierfür laufen auf Hochtouren - auch in Deutschland. Einzelheiten von Franz-Josef Hutsch:

Franz-Josef Hutsch Die Anwohner der amerikanischen Luftwaffenbasen in Deutschland beobachten es seit Wochen: Tag und Nacht starten graue Großraumflugzeuge Richtung Süden. "Deutlich mehr als gewöhnlich", berichten sie einhellig. In Ramstein, Spangdahlem und Frankfurt heben die Transporter manchmal im Minutentakt ab. Ziele sind die zahlreichen US-Flugplätze auf der arabischen Halbinsel.

Aber auch an der Ostküste der USA tut sich was. In der vergangenen Woche stach ein ziviles Transportschiff in See. An Bord des gecharterten Roll-on-roll-off-Schiffes: Die Ausrüstung einer Panzerbrigade. Kampf- und Schützenpanzer, Haubitzen, Mannschaftstransporter. Das Kriegsgerät wird in Kuwait bereits sehnlichst erwartet. ... Die durch den Krieg in Afghanistan fast leeren Depots würden wieder aufgefüllt. Die USA haben 38 solcher Lager: In Kuwait, Qatar, Bahrain, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Oman. ...

In den vergangenen Monaten sind bereits tausende GIs und US-Nationalgardisten nach Kuwait geflogen worden, um an der Grenze zum Irak den Ernstfall zu proben: Den Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein. Den Krieg haben US-Strategen seit eineinhalb Jahren penibel geplant. Während US-Präsident George W. Bush versucht, eine Front gegen Hussein zu schmieden, hat der Kampf gegen den Tyrannen für die amerikanischen Generäle längst begonnen. Um ihre Befehle zu erstellen brauchen die Planer nur in die Schublade zu greifen. Dort liegt seit März 2001 die 318 Seiten dicke, inzwischen als geheim deklarierte Studie "Fundamentals of Operational Warfighting - Scenario and Reference Book for CENTCOM". Erstellt wurde das Papier an der Generalstabsakademie in Fort Leavenworth.

Detailliert haben die Generalstäbler darin den "Weg in den Krieg bis 20XX" geplant. Sogar mögliche Resolutionen des UN-Sicherheitsrates haben sie probehalber schon einmal entworfen. Vor allem aber haben die US-Offiziere aufgelistet, was gebraucht wird, um den Irak anzugreifen: 200.000 bis 300.000 Soldaten sollen es sein - vier bis sechs gepanzerte Divisionen. 700 bis 1000 Kampfjets werden benötigt, drei bis vier Hauptquartiere.

Die hat die 3. US-Armee bereits im Dezember vergangenen Jahres aufgebaut. Seit Anfang des Monats schaffen Soldaten des für die Region zuständigen Zentralkommandos auch Satellitentelefone, Computer und Landkarten aus Tampa in Florida nach Qatar. Dort soll bis November ein vorgeschobener Gefechtsstand entstehen, aus dem CENTCOM-Oberbefehlshaber Tommy Franks den Krieg gegen die "Achse des Bösen" mit 600 Offizieren planen und führen kann - wie schon 1991 General Norman Schwarzkopf.
Dazu hätte General Franks eigentlich nur in das modernste US-Hauptquartier auf der Luftwaffenbasis "Prinz Sultan" in Saudi Arabien ziehen müssen. Aber trotz des jüngsten Zugeständnisses der Saudis, dass amerikanische Streitkräfte bei einem möglichen Krieg gegen den Irak ihre Basen und den Luftraum Saudi Arabiens nutzen könnten, gilt die Regierung von König Fahd als unsicherer Verbündeter bei einem Angriff auf den Irak. Deshalb begannen die CENTCOM-Strategen schon in diesem Sommer, ihre Ausrüstung auf die Al Udeid Air Base nach Qatar zu verlegen.

Das Konzept für den Angriff auf Bagdad hat General Tommy Franks bereits ausgearbeitet - und am 19. Juni Präsident Bush zur Begutachtung vorgelegt, wie die New York Times zu berichten weiß. Das Geheimpapier mit dem Titel "CENTCOM Courses of Action" fand die Billigung des Weißen Hauses. ...

Wichtigstes Aufmarschgebiet ist Kuwait. Dort sind bereits heute, - von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt - etwa 35.000 US-Soldaten im Camp Doha und auf den beiden Luftwaffenbasen Ali Al Salim und Ahmed Al Jaber stationiert.

Bis zum 24. Januar werden amerikanische Kampfflugzeuge nicht mehr allein auf die 26 Flugplätze angewiesen sein, die die USA auf der arabischen Halbinsel unterhalten. An diesem Tag soll als letzter Flugzeugträger die "USS Abraham Lincoln" in der Arabischen See eintreffen und damit einen Verband aus sechs Trägerkampfgruppen vervollständigen. Zu dem Sextett gehören neben der "Lincoln" auch die "Constellation" und "Kitty Hawk", die "Harry S. Truman", "Nimitz" und die "George Washington". Der Verband bildet eine bisher nicht gekannte seegestützte Feuerkraft in der Region: 450 Jagdflugzeuge und Bomber, mehr als eine halbe Million Tonnen Bomben und Raketen. ...

Von den Flugzeugträgern dürften die meisten der etwa 1000 täglichen Angriffsflüge starten, mit denen Tommy Franks den neuen Irak-Krieg einleiten wird. Bereits heute ist die irakische Luftabwehr weitgehend ausgeschaltet. Dafür sind vor allem die beiden "Flugverbotszonen" verantwortlich, die die USA, Großbritannien und Frankreich 1991/92 ohne UN-Mandat über den Norden und Süden des Irak verhängt haben. Zwei Drittel des irakischen Luftraumes wird auf diese Weise bereits jetzt von amerikanischen und britischen Flugzeugen kontrolliert. Bisher flogen die alliierten Kampfjets dort etwa 200.000 Patrouillen. 1.200 Mal griffen sie irakische Flugabwehr- und Radarstellungen an. Inzwischen werden auch Kommando-Zentralen bombardiert. So wurde vor zwei Wochen ein Befehlsstand außerhalb der Verbotszone angegriffen. Es war offenbar der schwerste Luftangriff seit dem Ende des Golfkrieges. ...

Eine Routineeinsatz wird ein neuer Krieg gegen den Irak nicht werden. An dem scheinen die Strategen Präsident Bushs festzuhalten - trotz der jüngsten Versicherung der irakischen Regierung, nun doch wieder UN-Inspektoren ins Land zu lassen. Für diesen Fall haben die US-Planer bereits eine Alternative in der Schublade. Die Inspektoren sollen durch eine Streitmacht geschützt werden, die sie im Notfall aus dem Irak evakuieren soll. Ein ähnliches Modell sollte schon 1998/99 für den Schutz der OSZE-Beobachter im Kosovo sorgen. Diesmal jedoch sollen die Befugnisse der "Extraction-Force" erheblich erweitert werden. Sie soll in der Lage sein, den UN-Inspektoren notfalls auch gewaltsam den Zutritt zu mutmaßlichen Produktionsstätten atomarer, biologischer oder chemischer Waffen zu verschaffen.

Und auf diese Weise, so sagt der Militärexperte John Pike "läßt sich schon irgendwie ein Grund finden, den Irak anzugreifen". Die beste Zeit dafür ist der Januar. Dann sind die Temperaturen im Irak auf europäische Frühlingswerte gefallen, der Ramadan und Weihnachten sind vorbei und das Flugzeugträgersextett in der Region ist vollständig.


Andreas Flocken:

Aber auch mit Flugzeugträgern ist eine US-Streitmacht am Golf auf Nachschub angewiesen. Von zentraler Bedeutung für die Versorgung der US-Truppen sind dabei die amerikanischen Stützpunkte in Deutschland. Strittig ist dabei, inwieweit sie ohne Zustimmung der Bundesregierung für US-Einsätze außerhalb des NATO-Vertrags-Gebietes genutzt werden dürfen. Zum Problem - Jürgen Rose:

Jürgen Rose

... Der Rest der Welt indes hält von der amerikanischen Idee der "präventiven Selbstverteidigung" wenig bis gar nichts. Javier Solana, der Hohe EU-Repräsentant für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, erklärte, dass die Europäische Union gegen einen Präventivkrieg gegen den Irak sei und alle notwendigen Schritte in der UNO eingeleitet werden müßten. Mehrfach hat Bundeskanzler Gerhard Schröder unmißverständlich in Richtung Washington verkündet, Deutschland werde sich an einem Präventivkrieg gegen den Irak keinesfalls beteiligen, auch nicht bei einem UN-Mandat. ... Schon hat die Diskussion darüber begonnen, ob und inwieweit die Bundesrepublik Deutschland vertragsrechtlich verpflichtet wäre, den USA und ihren hier stationierten Truppenverbänden die Nutzung bundesdeutschen Territoriums zur logistischen Unterstützung und als Angriffsbasis für ihren Präventivkrieg zu gestatten. Für die Beantwortung dieser Frage von Bedeutung sind der NATO-Vertrag und das NATO-Truppenstatut nebst Zusatzabkommen.

Gemäß NATO-Vertrag sind alle Vertragsparteien verpflichtet - Zitat - "in Übereinstimmung mit der Satzung der Vereinten Nationen jeden internationalen Streitfall, an dem sie beteiligt sind, auf friedlichem Wege so zu regeln, dass der internationale Friede, die Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden, und sich in ihren internationalen Beziehungen jeder Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung zu enthalten, die mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar ist." Indem der geplante Präventivkrieg gegen den Irak einen eklatanten Bruch geltenden Völkerrechts und einen Angriff auf das kollektive Sicherheitssystem der UNO insgesamt darstellt, ist er ganz offenkundig mit dem NATO-Vertrag unvereinbar. Deshalb kann für die Bundesrepublik Deutschland natürlich aus dem NATO-Vertrag auch keinerlei Verpflichtung im Hinblick auf den beabsichtigten Krieg zum Sturz Saddam Husseins resultieren. Darüber hinaus deckt auch der von der Atlantischen Allianz nach den Terroranschlägen von New York und Washington deklarierte Bündnisfall einen Angriffskrieg gegen den Irak nicht ab.

Auch aus dem NATO-Truppenstatut läßt sich keine Verpflichtung der Bundesregierung ableiten, die US-Truppen bei einem Krieg gegen den Irak zu unterstützen. Dasselbe gilt für das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut, das nach der deutschen Vereinigung völlig neu verhandelt worden ist. Denn eine der wichtigsten Bestimmungen des Statuts besagt, dass "eine Truppe und das zivile Gefolge, ihre Mitglieder sowie deren Angehörige die Pflicht haben, das Recht des Aufnahmestaates zu achten und sich jeder mit dem Geist dieses Abkommens nicht zu vereinbarenden Tätigkeit, [...], zu enthalten." Die sich aus diesem Vertragsgrundsatz ergebenden Rechtspflichten der in Deutschland stationierten alliierten Truppen werden akribisch in den mehr als achtzig Artikeln des Zusatzabkommens definiert - bis hin zur Einhaltung der deutschen Bestimmungen zur Abfallbeseitigung und zum Umweltschutz. Der fundamentale Rechtskodex indes, den die in Deutschland stationierten alliierten Truppen zu achten haben, ist zweifelsohne das deutsche Grundgesetz. Und dieses stellt in Art. 26 Handlungen als verfassungswidrig unter Strafe, "die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten". Im "Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland", besser bekannt als 2+4-Vertrag, wird diese Verfassungsnorm nochmals bekräftigt und ergänzt. Dort erklären die Vertragsparteien nämlich, dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird. Zudem verpflichtet sich das vereinte Deutschland, keine seiner Waffen jemals einzusetzen, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen. Es ergibt sich demnach zwingend, dass die Bundesregierung nicht nur das Recht, sondern gemäß Verfassung und Völkervertragsrecht sogar die Pflicht hat, alliierten Truppen die Nutzung deutschen Territoriums, inklusive des Luftraums über Deutschland, zur Vorbereitung und Durchführung des geplanten Angriffskrieges gegen den Irak zu untersagen.

Unter welchen Voraussetzungen die USA von ihren in Deutschland stationierten Truppen Gebrauch machen dürfen, ist zwischen den beiden Regierungen im übrigen seit langem unumstritten. Das ergibt sich aus der Antwort der Kohl-Regierung auf eine kleine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion vom August 1987. Damals hatte die Bundesregierung geantwortet, es bestehe Übereinstimmung zwischen ihr und der amerikanischen Regierung, dass militärische Maßnahmen, die vom Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgehen und Gebiete außerhalb des NATO-Gebietes betreffen, nur mit Zustimmung der Bundesregierung vorgenommen werden dürften. Die Bundesregierung habe ihre Auffassung hierzu gegenüber den USA deutlich gemacht. Den USA sei daher nicht nur der Rechtsstandpunkt der Bundesregierung, sondern auch seine Begründung im einzelnen bekannt. Die USA hätten zu keiner Zeit den Standpunkt der Bundesregierung in Zweifel gezogen. Für die Bundesregierung stünde es daher außer Zweifel, dass nationale Aktionen von US-Streitkräften vom Boden der Bundesrepublik Deutschland aus in Gebiete außerhalb des Geltungsbereichs des NATO-Vertrages nur mit ihrer Zustimmung vorgenommen werden. Darüber hinaus seien besondere Vorkehrungen oder Regelungen für den Fall der Planung und Durchführung nationaler Aktionen der USA vom Territorium der Bundesrepublik Deutschland aus in Gebiete außerhalb des Geltungsbereichs des NATO-Vertrages nicht erforderlich.

Diese kategorische deutsche Rechtsposition gegenüber der atlantischen Hegemonialmacht durchzusetzen, mag der Bundesregierung zwar als politisch unangenehm erscheinen; der Bundeskanzler kann sich aber auf einen seiner Vorgänger berufen: Willy Brandt hatte nämlich im Oktober 1973 während des Yom-Kippur-Kriegs der NATO-Führungsmacht USA untersagt, Israel von deutschen Basen aus mit Waffen und Nachschub zu beliefern. Und auch unser Freund und Nachbar Frankreich kann als Vorbild dienen: Gemeinsam mit Spanien und Portugal hatte Paris in der Nacht vom 14. zum 15. April 1986 seinen Luftraum für amerikanische Bomber gesperrt, die von Großbritannien aus nach Libyen gestartet waren, um zur Vergeltung für einen Terroranschlag in Berlin Tripolis und Benghazi anzugreifen - ein ebenso völkerrechtswidriger Akt wie der jetzt geplante Präventivkrieg gegen den Irak.

Andreas Flocken:

Ist ein militärisches Vorgehen gegen Bagdad allerdings durch ein klares UN-Mandat gedeckt, wie 1991, dann steht einer Nutzung der Stützpunkte in Deutschland rechtlich nichts entgegen. Nach Artikel 24 des Grundgesetzes könnte sich dann auch die Bundesrepublik an einer solchen Militäroperation beteiligen, vorausgesetzt das Parlament stimmt zu.


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