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Öl-Streit zwischen Bagdad und Erbil

Kurdische Regionalregierung verkauft illegal Ölprodukte an Iran

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Als Reaktion auf illegale Ölgeschäfte der kurdischen Regionalregierung (KRG) hat Iraks Ölministerium die Versorgung der Autonomieregion mit Petrolprodukten drastisch gedrosselt. KRG habe »exzessiv« Kerosin, Rohbenzin (Naphtha) und andere Raffinerieerzeugnisse an Iran geliefert, hieß es in Bagdad. Deshalb werde bis auf Weiteres nur noch die Hälfte geliefert.

Der Streit um den illegalen Export von Ölprodukten ist binnen kurzer Zeit der zweite Konflikt zwischen Bagdad und Erbil. Ashti Hawrami, KRG-Minister für Rohstoffe, hatte im August eingeräumt, dass an private Firmen mehr Ölprodukte verkauft worden seien als zwischen Erbil und Bagdad vereinbart wurde. Die Produkte würden nach Iran und von dort auch in andere Länder geliefert. Das sei illegal und werde unterbunden, hieß es in Bagdad. KRG verkaufe zudem Produkte, die in Irak selbst nicht in genügender Menge vorhanden seien und für viel Geld importiert werden müssten. Laut Gesetz dürfen die Kurden keine eigenständigen Ölgeschäfte tätigen. Nur SOMO, die Staatliche Ölvermarktungsorganisation in Irak, ist ermächtigt, mit ausländischen Firmen Verträge abzuschließen. Vertreter der kurdischen Regionalregierung verurteilten die Entscheidung Bagdads und verwiesen darauf, dass als Folge ein Preisanstieg für Benzin kaum zu vermeiden sei. Serwan Abu Bakr vom kurdischen Ministerium für Rohstoffe bezeichnete das Vorgehen als »ungerecht«.

Auch um Gas gibt es Krach zwischen Bagdad und Erbil. Ende August hatte das Ölministerium einen Vertrag zwischen dem deutschen Energiekonzern RWE und der kurdischen Regionalregierung als »illegal« bezeichnet. RWE soll Gas für das Nabucco-Projekt von den Kurden kaufen und im Gegenzug in der kurdischen Region die Gasversorgung ausbauen sowie Fachpersonal anlernen. Bevor man Gas exportiere, müsse die nationale Versorgung sichergestellt sein, hieß es in Bagdad. Mehr als sieben Jahre nach der US-Invasion in Irak gibt es weiter keine zuverlässige Stromversorgung und Bagdad plant offenbar, mit Gasturbinen angetriebene Elektrizitätswerke zu bauen.

Falah Mustapha Bakir, außenpolitischer Sprecher der kurdischen Regionalregierung, wies die Kritik Bagdads scharf zurück. Man habe nicht vor, die »Anordnungen eines erfolglosen Ministeriums wie dem irakischen Ölministeriums abzuwarten«. Das Geld, das der Gasexport einbringe, werde »gleichmäßig in alle irakischen Gebiete verteilt«.

Vor dem Hintergrund der US-amerikanischen Truppenreduzierung in Irak geben die zunehmenden Spannungen zwischen Bagdad und Erbil Anlass zur Sorge. Seit Jahren schwelt der Streit um die Kontrolle in den Provinzen Niniwe und Tamin mit ihren Hauptstädten Mossul und dem erdölreichen Kirkuk. Bisher agierten die US-Amerikaner als Puffer zwischen beiden Seiten. Der Block kurdischer Parteien, der bei den Parlamentswahlen im März 2010 dieses Jahres auf dem vierten Platz im neuen irakischen Parlament landete, beansprucht in der nächsten Regierung wie bisher Schlüsselpositionen.

Jede irakische Regierung ist fast hundertprozentig vom Ölexport abhängig. Die Produktion hat allerdings seit 2003 nicht den Stand wie vor der Invasion erreicht. Mit Kuwait traf Bagdad inzwischen eine Vereinbarung über die Nutzung der Ölfelder von Rumeilah im südlichen Grenzgebiet. 1990 hatte Saddam Hussein die Besetzung Kuwaits angeordnet, nachdem von dort illegal Öl aus den Feldern abgepumpt worden war. Der zweite Golfkrieg (1991) und 13-jährige Sanktionen waren die Folge.

* Aus: Neues Deutschland, 13. September 2010


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