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Irak-Sanktionen weg, Probleme bleiben

Nach 20 Jahren Geltungsdauer hat der UN-Sicherheitsrat zentrale Strafmaßnahmen aufgehoben

Von Karin Leukefeld *

Es war kein Ruhmesblatt für den UN-Sicherheitsrat, die Sanktionen gegen Irak erst jetzt aufzuheben, sieben Jahre nach Beginn der US-geführten völkerrechtswidrigen Besetzung des Landes und vier Jahre nach der überstürzten Hinrichtung von Saddam Hussein. Dessen Nachfolger dürfen nun wieder Waffen kaufen.

Nach 20 Jahren hat der UN-Sicherheitsrat in New York zwei zentrale Sanktionen gegen Irak aufgehoben. Erhalten bleibt das Mandat der UN-Mission zur Unterstützung Iraks. Bei der Sitzung am Mittwochabend hatten alle 15 Mitgliedstaaten für die Beendigung sämtlicher Sanktionen gestimmt, die nach der Aggression Iraks gegen Kuwait im August 1990 verhängt worden waren. Dazu gehört das Programm »Öl für Nahrungsmittel«, mit dem Irak für den Erlös aus seinem Ölexport trotz der Sanktionen Lebensmittel und Medikamente kaufen konnte.

Ein internationales Kontrollgremium bei den Vereinten Nationen hatte die Gelder für dieses Programm überwacht, das nach 2003 in den »Entwicklungsfonds für Irak« überging. Der Entwicklungsfonds speiste sich neben den Einnahmen aus Gas- und Ölexport auch aus beschlagnahmtem Privatvermögen von Entscheidungsträgern des gestürzten Staatschefs Saddam Hussein. Nach dem nun beschlossenen Ende des Programms im Juni 2011 darf die irakische Regierung endlich selbst über das Geld verfügen.

Ebenfalls aufgehoben wurden alle Maßnahmen, die Irak bisher die Einfuhr von Technologie für die Entwicklung von Atomenergie zu friedlichen Zwecken untersagte. Wegen angeblicher Entwicklung von Massenvernichtungswaffen war das Land jahrelang von UN-Waffeninspektoren kontrolliert worden, ohne dass etwas gefunden wurde. 2003 nahmen die USA und ihre willigen Helfer, voran Großbritannien, das angebliche irakische Waffenprogramm zum Anlass, Irak anzugreifen, zu besetzen und die Regierung zu stürzen. »Normales« Kriegsgerät darf Bagdad nun auch wieder erwerben.

Susan Rice, US-Botschafterin bei der UNO, hatte den Antrag zur Aufhebung der Sanktionen damit begründet, dass es an der Zeit sei, den »sehr realen Fortschritt« in Irak international anzuerkennen. US-Vizepräsident Joe Biden sagte, Irak sei an der Schwelle zu einer »stabilen, selbstbewussten Nation«. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon ermahnte Irak, seine Verpflichtungen gegenüber Kuwait umzusetzen. Dazu gehört die noch ausstehende Zahlung von etwa 22 Milliarden Dollar an Reparationen. Dafür muss Bagdad weiterhin fünf Prozent der Exporterlöse in einen Sonderfonds einzahlen. Den Irakern sprach Ban sein Mitgefühl für »ihre Ausdauer« angesichts ihres langen Leidens aus.

Dass ihr Leid mit der Aufhebung der Sanktionen nicht vorbei ist, spürten die Iraker noch am selben Tag. Fast gleichzeitig explodierten in Bagdad elf Sprengsätze. Das in der Schweiz ansässige Zentrum für die Überwachung von Vertreibungen im Inland wies derweil darauf hin, dass rund zehn Prozent der Bevölkerung – 2,8 Millionen Personen – als Inlandsvertriebene gelten. Unterstützende Regierungsmaßnahmen für diese Menschen seien völlig unzureichend. Vor allem Witwen, Frauen, Kinder und alte Menschen lebten unter erbärmlichen Umständen. Am Donnerstag wies Vize-Justizminister Busho Ibrahim darauf hin, dass in Irak in den letzten fünf Jahren 257 Personen hingerichtet worden seien, darunter sechs Frauen.

Der alte und neue Ministerpräsident Nuri al-Maliki gilt als entschiedener Befürworter der Todesstrafe. Nach Angaben des Innenministeriums sind derzeit 835 Gefangene zum Tode verurteilt, bei 37 von ihnen wurde die Begnadigung bereits abgelehnt.

* Aus: Neues Deutschland, 18. Dezember 2010

Hier geht es zu den drei Resolutionen (englisch)[externe Links]

Resolution 1956 (2010)
Adopted by the Security Council at its 6450th meeting, on 15 December 2010
Resolution 1957 (2010)
Adopted by the Security Council at its 6450th meeting, on 15 December 2010
Resolution 1958 (2010)
Adopted by the Security Council at its 6450th meeting, on 15 December 2010




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