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Irakkrieg nicht nachträglich "legitimieren"!

Brief aus der Friedensbewegung an Bundesaußenminister Fischer

Im Folgenden dokumentieren wir eine Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag sowie einen Brief an Bundesaußenminister Fischer in Sachen UN-Resolution


Pressemitteilung
  • Friedensbewegung warnt vor Irakresolution der USA im UN-Sicherheitsrat
  • Brief an den deutschen Außenminister
  • Irakkrieg nicht nachträglich "legitimieren"
  • Bundesregierung läuft Gefahr, auch noch den "letzten Kredit" zu verspielen
In einem Schreiben an Bundesaußenminister Fischer (siehe Anhang weiter unten) warnt der Bundesausschuss Friedensratschlag eindringlich davor, im UN-Sicherheitsrat der von den USA eingebrachten Resolution zuzustimmen.

Zwar enthalte die Resolution - sie wurde am vergangenen Freitag dem Sicherheitsrat vorgelegt - eine Reihe richtiger Forderungen und Maßnahmen (z.B. Aufhebung der Wirtschaftssanktionen), insgesamt aber "legitimiere" sie nachträglich den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Irak. Für die Friedensbewegung sei die Vorstellung "zutiefst beunruhigend", dass das höchste Gremium der Vereinten Nationen nun einfach zur Tagesordnung übergeht und so tut, als sei alles in bester Ordnung, sagte ein Sprecher des "Friedensratschlags".

Der UN-Sicherheitsrat hat den Krieg der US-geführten Kriegsallianz gegen Irak "nicht gewollt" und auch "niemals ein Mandat" dafür erteilt, heißt es in dem Schreiben. Sollte der Sicherheitsrat die US-Resolution verabschieden, würde er ein wesentliches Prinzip der Charta der Vereinten Nationen unterhöhlen: das Gewaltverbot.

Der Bundesausschuss Fridensratschlag verlangt vom deutschen Außenminister, dass die US-Resolution im Sicherheitsrat abgelehnt wird. Das "Mindeste", was in einer Resolution enthalten sein müsste, sei "eine allgemeine Verurteilung völkerrechtswidriger Angriffskriege entsprechend der UN-Charta (Art. 2,4) und das tiefe Bedauern über den erfolgten Krieg". Der Vertreter Deutschlands im UN-Sicherheitsrat sollte in dem Gremium ähnlich "engagiert" zu Werke gehen wie vor dem Krieg. Ansonsten läuft die Bundesregieruzng Gefahr, auch noch den "letzten Kredit" in der Öffentlichkeit zu verspielen.

Kassel, den 12. Mai 2003

***

Schreiben an den deutschen Außenminister (per e-mail)

Sehr geehrter Herr Außenminister,

am vergangenen Freitag haben die USA einen Resolutionsentwurf im UN-Sicherheitsrat eingebracht, wonach die Staaten der Kriegsallianz zunächst für zwölf Monate zur Verwaltung des von ihnen besetzten Irak ermächtigt werden sollen.

"In die Zukunft gerichtet, konstruktiv und pragmatisch" nannte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Walter Lindner" nach Zeitungsberichten die Resolution. Und der deutsche UN-Botschafter Gunter Pleuger hofft, dass der UN-Sicherheitsrat nun seine Chance nutzen und zur "Einigkeit" zurückkehren sollte.

Der Entschließungsentwurf der US-Regierung enthält zweifellos eine Reihe von unaufschiebbaren Maßnahmen bzw. Forderungen, etwa die Aufhebung des Wirtschaftsembargos gegen Irak (ein seit Jahren überfälliger Schritt!) oder die Durchführung bestimmter Hilfsmaßnahmen für die irakische Bevölkerung unter der Regie der Vereinten Nationen.

Was uns indessen zutiefst beunruhigt, ist die Tatsache, dass mit der Verabschiedung einer solchen oder ähnlich lautenden Resolution der UN-Sicherheitsrat nachträglich einen Krieg legitimieren würde, den er nicht gewollt hat und zu dem er den USA und ihren Verbündeten niemals ein Mandat erteilt hatte. Wer jetzt im Sicherheitsrat einfach zur Tagesordnung übergeht und unter dem Vorwand der humanitären Hilfe "pragmatisch nach vorn schaut", rechtfertigt faktisch einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg und unterhöhlt damit ein wesentliches Prinzip der UN-Charta: das Gewaltverbot.

Die Bundesregierung ist monatelang nicht müde gewesen, den drohenden Irakkrieg abzulehnen, und hat im UN-Sicherheitsrat alle Versuche der Kriegsbefürworter abgelehnt, für den Krieg ein Mandat zu erhalten. Die Bundesregierung wusste sich damit in Übereinstimmung mit einer großen Mehrheit der Bevölkerung, die den Krieg - bis heute - entschieden ablehnt. Wer nun einer Irak-Resolution im Sicherheitsrat zustimmen würde, in der mit keinem Wort auf die Unrechtmäßigkeit des Krieges hingewiesen wird, macht sich unglaubwürdig und verspielt auch noch den letzten Kredit in der Öffentlichkeit.

Wir fordern Sie auf dafür zu sorgen, dass die Bundesrepublik Deutschland dem vorliegenden Entschließungsantrag ihre Zustimmung verweigert. Das Mindeste, was wir von einer Irakresolution erwarten, ist eine allgemeine Verurteilung völkerrechtswidriger Angriffskriege entsprechend der UN-Charta (Art. 2,4) und das tiefe Bedauern über den erfolgten Krieg. Nur auf dieser Grundlage kann über die weiteren Schritte der Vereinten Nationen gegenüber dem Irak verhandelt werden.

Wir hoffen, dass die Bundesregierung in der "Nachkriegszeit" im UN-Sicherheitsrat ähnlich engagiert zu Werke geht wie vor dem Krieg.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Strutynski
(Bundesausschuss Friedensratschlag, Sprecher)
Kassel, den 12. Mai 2003


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