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Paech (DIE LINKE): "Der Krieg war eindeutig völkerrechtswidrig und jede Beteiligung daran war ebenfalls ein schwerer Verstoß gegen das Völkerrecht"

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: "Herr Kollege, ich schalte Ihnen jetzt das Mikrofon ab" - Auszug aus der Bundestagsdebatte über den BND-Untersuchungsausschuss

Im Folgenden dokumentieren wir ein Interview mit Norman Paech, der Mitglied im BND-Untersuchungsausschuss des Bundestags war, sowie seine Plenarrede im Bundestag vom 2. Juni 2009.



"Steinmeier war spätestens seit 2002 informiert"

SPD-Kanzlerkandidat wußte als Chef des Kanzleramtes über BND-Praktiken im Irak Bescheid. Ausschuß wurde ausgebremst. Ein Gespräch mit Norman Paech *

Der BND-Untersuchungsausschuß hat seine Arbeit mit einem 1500 Seiten starken Dokument beendet. Laut SPD war alles nur viel Wind um nichts.

Das kann nur jemand sagen, der komplette Weißwäscherei betreibt, wie es bei den Regierungsfraktionen leider der Fall ist. Wir haben festgestellt, daß die Bundesregierung seit dem Beginn der sogenannten Terrorbekämpfung im September 2001 ihr bisheriges Rechtsverständnis praktisch abgelegt hat. Und zwar zugunsten einer ganz und gar falsch verstandenen Bündnisverpflichtung gegenüber den USA. Das hat zu einer Erosion des Rechtsstaatsverständnisses geführt, was man an verschiedenen Beispielen aufzeigen kann.

Haben Sie konkrete Hinweise, daß die Bundesregierung von den sogenannten renditions, also den Gefangenenverschleppungen durch die CIA, informiert war?

Ja. Das hat ja auch Dick Marty, der Ermittler des Europarates, bestätigt. Es sind zwei konkrete Fälle von Überflügen über Deutschland identifiziert, aber insgesamt waren es 336. Die Bundesregierung hat die Überflüge der CIA pauschal erlaubt. Sie hat sich blind gestellt, hat einfach nicht hingeschaut und den Amerikanern signalisiert: Macht ihr mal, obwohl sie gewußt hat, daß in den Flugzeugen Gefangene waren.

Und dann haben deutsche Beamte die Verschleppten auch noch vernommen und damit indirekt von der Folter profitiert, wie in den Fällen von Mohammed Haydar Zammar in Syrien und Murat Kurnaz in Guantánamo. Das sind schwere Vergehen.

Sie werfen in ihrem eigenen Abschlußbericht der Schröder-Fischer-Regierung eine direkte Beteiligung am Irak-Krieg vor. Die CDU-Abgeordnete Christina Köhler spricht nur von einer »indirekten« Beteiligung.

Sie hat da wohl einen Koalitionsfilter vor ihrer Aussage. Was heißt indirekt? Die BND-Leute haben direkte, konkrete Einschätzungen aus Bagdad geliefert, sie haben Objekte genannt, Brücken lokalisiert. Sie haben nicht etwa, was immer behauptet wird, sogenannte non-targets, also geschützte Nichtziele, übermittelt. Alles hatte einen unmittelbaren Bezug zur Kriegführung. Sie haben die Fragen, die vom US-Oberkommando über die BND-Zentrale in Pullach kamen, ohne Verzögerung beantwortet und Recherchen durchgeführt. Dafür haben sie ja hohe US-Orden erhalten.

Wieviel wußte Frank-Walter Steinmeier, der heutige SPD-Kanzlerkandidat?

Man muß sich ja fragen, wer für diese ganze Verwilderung des Rechtsstaatsbewußtseins, und da muß man ja auch an die rechtswidrige Überwachung von Journalisten denken, verantwortlich ist. Anzulasten ist das nicht nur einzelnen, eigenmächtig agierenden Agenten, sondern dem obersten Beamten der Sicherheitsbehörden, und zwar im wesentlichen dem damaligen Chef des Kanzleramtes und Geheimdienstkoordinator, und das war Steinmeier. Es gab eine direkte Linie, es gab tägliche Lagebesprechungen. Steinmeier war spätestens seit 2002 über alles informiert, also seit der Verhaftung von Murat Kurnaz, so wie die USA auch. Aber Steinmeier hat nichts getan, um die Rechtsverstöße abzustellen. Und heute leugnet er und behauptet, er habe erst seit 2005 Kenntnis von alldem.

Wird es nun Strafverfahren geben?

Das wird schwer sein, weil wir auch aufgrund der mangelnden Untersuchungsmöglichkeiten nicht bis zu dem Punkt kamen, an dem unsere Hinweise strafrechtlich relevant sind. Die SPD hat mit Hilfe der CDU versucht, alles unten zu halten. Die Regierung hat unsere Beweismöglichkeiten massiv behindert, sie hat die Schreiben des US-Kommandos in Doha an den BND geweißt und viele andere Dokumente verweigert. Für unsere Aufklärungsarbeit war die Koali­tion eigentlich überflüssig. Sie hat so gut wie nichts beigetragen. Es müssen dringend die Minderheitenrechte der Opposition verstärkt werden, denn die hat die ganze Arbeit geleistet.

Geht es nun noch weiter?

Wir warten noch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Es ist möglich, daß die Regierung noch mehr Unterlagen herausgeben muß. Die Akten sind deswegen aufbewahrt worden, damit auch der neue Bundestag eventuell noch einmal alles nachprüfen kann.

Interview: Frank Brendle

* Aus: junge Welt, 3. Juni 2009

Dokumentiert:

Plenarrede von Norman Paech zum 1. Untersuchungsausschuss nach Artikel 44 des Grundgesetzes (BND) – 2. Juli 2009 **

Dr. Norman Paech (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben es gehört: Es waren drei Jahre harte Arbeit, und auch ich frage mich natürlich, ob sie erfolgreich war. Lieber Kollege Hartmann, es ist ganz anders. Denn unser Befund über die Rolle der Regierung und der Sicherheitsdienste ist miserabel ausgefallen. Um es zusammenzufassen: Seitdem die Terrorismusbekämpfung ab dem 11. September 2001 zu einem zentralen Element der deutschen Innen- und Außenpolitik geworden ist, hat bei Regierung und Sicherheitsbehörden eine erschreckende Erosion der Maßstäbe des Rechtsstaats und der Vorstellungen der Rechtsstaatlichkeit eingesetzt.

Der Krieg gegen den Terror, den die USA ausgerufen haben, hat die Bundesregierung in eine vollkommen falsch verstandene Bündnistreue zu ihrem NATO-Partner geführt und sie letztlich zum Komplizen schwerer Menschenrechtsverletzungen gemacht.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesregierung hat nämlich nicht nur der CIA

(Thomas Oppermann (SPD): Sie argumentieren immer noch aus der Perspektive des Warschauer Paktes!)

pauschale Überflugsrechte über deutsches Territorium und logistische Unterstützung bei ihren Verschleppungsflügen Terrorverdächtiger gewährt. Vielmehr hat sie durch eigene Vernehmungen der Verschleppten und Inhaftierten selbst von der Folter profitiert. Die Bundesregierung hat Hilfe für die Inhaftierten in ihrer wirklich menschenrechtswidrigen Situation unterlassen, aber zugleich Personendaten an die USA und an Staaten, die überhaupt keinen Datenschutz kennen, weitergeleitet.

(Dr. Max Stadler (FDP): Das ist leider wahr!)

Und schließlich hat sie den USA direkte und auch aktive Beihilfe in ihrem Krieg gegen den Irak im Jahr 2003 geleistet.

Ich will Ihnen das an vier Beispielen kurz erläutern.

Erstens. Anfang Dezember 2001 wurde der Deutsch-Syrer Mohammed Haydar Zammar von US-Kräften in Marokko entführt und nach Syrien gebracht. Nach Marokko war Zammar Ende Oktober von Hamburg aus gereist, obwohl der Generalbundesanwalt zu der Zeit gegen Zammar wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach § 129 a StGB ermittelt hat. Er war der massiven Unterstützung von al-Qaida und auch der massiven Unterstützung des und Kontakten zum Osama-bin-Laden-Netzwerk verdächtigt.

Er stand zwar unter ständiger Beobachtung, erhielt aber in Hamburg ohne Weiteres und ohne Probleme einen Reisepass, obwohl ihm der Pass nach den geltenden Bestimmungen des Passgesetzes hätte vorenthalten werden müssen.

(Thomas Oppermann (SPD): Wieso denn? Das war ein freier Bürger!)

Seine Reisedaten wiederum wurden den USA und auch Marokko übermittelt. Und erst diese rechtswidrige Ermöglichung der Ausreise Zammars aus Deutschland nach Marokko

(Thomas Oppermann (SPD): Wieso rechtswidrig? Wir sind doch nicht in der DDR! Wir haben Reisefreiheit, Herr Kollege!)

hat ihn dort in die Situation gebracht, die dann zu der Entführung nach Syrien führte.

(Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eine rechtswidrige Ausreise! - Weitere Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lesen Sie das im Bericht nach. All das ist dokumentiert.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege, der Herr Kollege Oppermann würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Norman Paech (DIE LINKE):

Gerne.

Thomas Oppermann (SPD):

Herr Kollege Paech, ist Ihnen bekannt, dass in der Bundesrepublik Deutschland allgemeine Reisefreiheit herrscht?

(Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch Ausreisefreiheit!)

- Auch Ausreisefreiheit. - Ist Ihnen auch bekannt, dass jemandem, gegen den nichts vorliegt, die Gewährung eines Passes nicht verweigert werden kann?

(Dr. Max Stadler (FDP): Aber es werden doch zurzeit dauernd Ausreisesperren verhängt!)

Ich bitte Sie, einmal darzustellen, warum die Ausstellung eines Passes an Herrn Zammar eine rechtswidrige Maßnahme gewesen sein soll.

Dr. Norman Paech (DIE LINKE):

Herr Oppermann, Sie sind Jurist. Sie werden daher sicherlich § 7 des Passgesetzes kennen. Darin heißt es, dass ein Pass zu versagen ist,

(Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kann!)

wenn ein Verdacht auf Gefährdung der Sicherheit Deutschlands, also beispielsweise ein Terrorismusverdacht, vorliegt. Das heißt, es ist nicht nur „kann“,

(Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein! Nein! - Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unsinn!)

sondern das ist dann so. Dann wird der Pass verweigert.

Diese Prüfung ist gemacht worden. Obwohl wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ermittelt wurde, hat man gesagt, dass eigentlich nichts vorliegt. Das ist rechtswidrig.

(Beifall bei der LINKEN - Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn man ihm den Pass verweigert hätte, dann hätten Sie auch gesagt, dass es rechtswidrig ist!)

Sie wissen auch: Nachdem Zammar dann von den Amerikanern nach Syrien verschleppt worden war, wurde er in syrischer Haft - er befindet sich noch heute dort - gefoltert. Es war schon damals bekannt, dass es in Syrien dieses Foltergefängnis gibt. Dennoch reisten Beamte des Bundeskriminalamtes nach Syrien, befragten Zammar und haben ihre Erkenntnisse danach dem Generalbundesanwalt übermittelt. Das ist ein Hohn auf ein rechtstaatliches Verfahren und ein Hohn auf das Folterverbot.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Stadler?

Dr. Norman Paech (DIE LINKE):

Ja.

Dr. Max Stadler (FDP):

Herr Kollege Professor Paech, Sie haben gerade dargestellt, dass es ziemlich eigenartig anmutet, dass man jemandem, der verdächtig war, die Ausreise gestattet hat. Man hat am Flughafen sogar einen Beamten platziert, der überprüfen sollte, ob er wirklich ausreist. Dann ist derjenige spurlos von der Bildfläche verschwunden.

(Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): In Marokko!)

Jetzt haben viele, die sich mit dieser Thematik wahrscheinlich noch nicht befasst haben, empört reagiert und sich gefragt, wie man denn auf die Idee kommen könnte, jemandem einen Reisepass zu verweigern. Der Spiegel hat am 30. Mai 2009, also vor Kurzem, auf Seite 19 unter der Überschrift „Ausreiseverbot nach Pakistan“ berichtet, es sei nach Erkenntnissen einer Arbeitsgruppe von Polizisten und Verfassungsschützern eine stark vermehrte Reisetätigkeit zu beobachten. Weiter heißt es wörtlich:

Wenn möglich, wollen die Sicherheitsbehörden ihre Abreise verhindern, indem die Polizei beispielsweise den Reisepass einzieht.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist Praxis im Jahr 2009.

Stimmen Sie mit mir überein, dass man sich zumindest Gedanken darüber machen kann, warum das, was 2009 von den Sicherheitsbehörden praktiziert wird, im damaligen Fall nicht praktiziert wurde und der Betroffene dann anschließend verschleppt worden ist?

Dr. Norman Paech (DIE LINKE):

Das ist mir bekannt. Der Fall, den Sie zitieren, ist nicht der erste Fall seiner Art. Schon bei anderen Gelegenheiten - zum Beispiel dann, wenn Oppositionelle zu G-8-Treffen reisen wollten - ist Personen die Ausreise verboten worden.

(Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das finden wir doch nicht gut!)

Das ist Praxis. In diesem Fall ist es sogar so, dass zwei BKA-Beamte zur Passstelle nach Hamburg gefahren sind, um sich zu erkundigen, ob dort etwas vorliegt. Als dieses verneint wurde, waren sie zufrieden. Diese Beamten haben auch am Flughafen nachgefragt und zurückgemeldet, dass nichts vorliegt und eine Ausreise möglich ist. Die entsprechenden Daten wurden an die USA und Marokko übermittelt. Schließlich kam es dazu, wozu es kommen musste, nämlich dass die Personen nach Syrien entführt und dort gefoltert wurden. Dieser Weg ist wider jegliches rechtstaatliche Verfahren. Man wusste, dass sie in Syrien im Gefängnis Far-Filastin gefoltert wurden. Dieses ist ein Hohn auf das Folterverbot. Das ist die Tatsache.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte jetzt das zweite Beispiel nennen. Das Schicksal des Bremers Murat Kurnaz ist Ihnen weithin bekannt. Wir werfen der damaligen Regierung vor, dass sie auch ihn trotz Kenntnis seiner menschenunwürdigen Inhaftierung vernehmen ließ, ohne irgendetwas gegen seine skandalöse Verhaftung zu unternehmen und ohne ihm aus dieser gegen alle Menschenrechte verstoßenden Situation zu helfen. Darüber hinaus haben sich deutsche Behörden bis 2006 geweigert, Murat Kurnaz wieder in Deutschland aufzunehmen. Auch das zeugt von einer Verwilderung der rechtsstaatlichen Vorstellungen. Außerdem zeugt der Umgang mit diesem Menschen von erheblichen moralischen Defiziten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein drittes Beispiel. Bereits Wochen nach den Anschlägen von jenem September kam es zu den ersten Entführungen deutscher Staatsbürger. Die Bundesregierung erfuhr von diesen illegalen Verschleppungen noch im selben Jahr. Gleichwohl versorgte sie die US-Behörden intensiv mit ihren Erkenntnissen über die Verschleppten. Ja, sie hat das Netz der Verschleppungsflüge der USA über Jahre gefördert, nämlich dadurch, dass sie einfach weggehört und weggesehen hat, wenn die CIA deutschen Luftraum und deutschen Boden nutzte. Was ist das für ein Verständnis von Souveränität, wenn man sie opfert, um illegale Verschleppungsflüge zu ermöglichen?

Ein viertes Beispiel. Die Untersuchungen haben eindeutig ergeben, dass die Bundesregierung mit dem Einsatz ihrer BND-Mitarbeiter in Bagdad wie in Doha einen sehr konkreten und sehr aktiven Beitrag zu der Kriegsführung der USA geleistet hat. Herr Hartmann, das haben uns selbst Militärs, die dabei gewesen sind, bestätigt. Die permanente Versicherung, man habe sich nur auf die Weitergabe sogenannter Non-Targets beschränkt, hat sich als vollkommen substanzloses Gerede herausgestellt. Nicht umsonst - auch daran ist zu erinnern - haben diese BND-Mitarbeiter von der US-Heeresführung wegen ihrer wertvollen Tätigkeiten nicht ganz unwichtige Verdienstmedaillen bekommen. Noch schlimmer ist Folgendes: Der Krieg war nicht nur ein Bruch des Versprechens der SPD, sich nicht am Krieg zu beteiligen, sondern der Krieg war eindeutig völkerrechtswidrig,

(Beifall bei der LINKEN)

und jede Beteiligung daran war ebenfalls ein schwerer Verstoß gegen das Völkerrecht.

Die Frage ist natürlich, wer für all diese Verfehlungen, für diesen Verlust an rechtsstaatlichem Bewusstsein verantwortlich ist. Auf jeden Fall natürlich die Spitzen der Sicherheitsbehörden, aber auch der damalige Chef des Kanzleramtes und Beauftragte der Bundesregierung für die Sicherheitsbehörden, der jetzige Außenminister Steinmeier, der es offensichtlich vorzieht, sich das Ganze heute bei Phoenix anzuschauen. Der Außenminister war über alle Verschleppungsfälle frühzeitig informiert. Spätestens seit der Inhaftierung von Kurnaz im Januar 2002 wusste er von der illegalen Verschleppungspraxis der USA. Er war dafür verantwortlich, dass die rechtsstaatlichen Maßstäbe in geradezu rasantem Tempo einer falsch verstandenen Loyalität und Bündnisverpflichtung gegenüber den USA geopfert wurden. Viel schlimmer ist: Bis heute behauptet er trotz ganz eindeutiger Beweise des Ausschusses, dass er erst 2005 von all dem sicher gewusst habe. Dieses beharrliche Leugnen - ich will es einmal vorsichtig ausdrücken - ist beileibe keine Empfehlung für weitere, vielleicht sogar höhere Regierungsverantwortung.

(Beifall bei der LINKEN - Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Wir können ja Diether Dehm zum Kanzler machen!)

Was folgt daraus? Wir stellen drei Forderungen auf:

Erstens. Die Linke fordert eine peinlich genaue Kontrolle aller Flugbewegungen der CIA, und zwar auch auf den Militärstützpunkten der USA. Zudem fordern wir ein strafbewehrtes Verbot, deutsches Hoheitsgebiet für Gefangenentransporte zu nutzen.

Zweitens. Wir fordern, dass Befragungen von Personen, die unter Bedingungen inhaftiert sind, die Folter gleichen, definitiv verboten werden. Bis heute sind Befragungen ohne Haftbefehl in ausländischen Haftanstalten nicht generell untersagt. Es besteht nicht einmal die Pflicht, dass man sich vorher informiert, welche Zustände in diesen Gefängnissen herrschen. Das ist unhaltbar und verletzt die absolute Pflicht, der Folter keinen Vorschub zu leisten.

Letztens. Die Kontrolle der Geheimdienste ist nach wie vor lückenhaft. Daran hat sich nichts Entscheidendes durch das, was die Presse das jüngste „Reförmchen“ des Parlamentarischen Kontrollgremiums nennt, geändert. Nach wie vor sind die Rechte der Minderheiten völlig unzureichend.

(Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Das sieht die Bundesregierung aber anders!)

Dies ist eines der größten Defizite, die wir während unserer Arbeit im Untersuchungsausschuss erfahren mussten. Lesen Sie sich einmal die Voten der Koalition durch! Dann werden Sie merken, dass die Opposition

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege!

Dr. Norman Paech (DIE LINKE):

- ich komme gleich zum Ende - die einzige Kraft war, die einen wirklichen Aufklärungswillen gehabt hat. Dieser wurde aber nicht nur durch die restriktive Informationspolitik der Regierung, sondern zum Teil auch durch massive Blockade seitens der Koalitionsfraktionen behindert.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege, Sie wollten jetzt zum Ende kommen.

Dr. Norman Paech (DIE LINKE):

Ich bin mehrmals unterbrochen worden.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Ich habe für diese Zeit die Uhr gestoppt; die Redezeit ist da nicht weitergelaufen. Sie hatten sowieso mehr Redezeit. Ich bitte Sie, jetzt nur noch einen Schlusssatz zu sagen.

Dr. Norman Paech (DIE LINKE):

Wo die Kontrolle bei der Mehrheit wirklich zur Weißwäsche verkommt, müssen die Rechte der Minderheiten gestärkt werden.

Ein allerletztes Wort. Diese Untersuchung wird nur dann erfolgreich sein, wenn sich die Regierung in Zukunft wieder auf die rechtsstaatlichen Prinzipien besinnt und die Reformen, die wir machen, durchsetzt.

Und ein allerletztes Wort des Dankes

(Heiterkeit bei Abgeordneten bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege, ich schalte Ihnen jetzt das Mikrofon ab.

Dr. Norman Paech (DIE LINKE):

Gut, dann werde ich den Dank an meine Mitarbeiterin Sandra Obermeyer und meinen Mitarbeiter Jens Lehmenn zu Protokoll geben.
Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU/CSU: Nicht zu fassen!)

** Quelle: Das Büro von Norman Paech hat uns die protokollierte Rede freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Die BT-Drucksache erscheint erst später.




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