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Britische Lokführer weigern sich, Waffen zu transportieren / Anti-war train drivers refuse to move arms freight

Die erste derartige Aktion von Arbeitern seit Jahrzehnten / The first such industrial action by workers for decades

Im britischen "Guardian" erschien am 9. Januar ein Artikel, der besondere Aufmerksamkeit verdient. Wir dokumentieren den Bericht in einer deutschen Zusammenfassung und im englischen Original.


Zwei Zugführer haben sich gestern (8. Januar) geweigert, einen Güterzug zu befördern, der Munition geladen hatte, die wahrscheinlich für die britischen Streitkräfte zum Einsatz in der Golfregion bestimmt war.

Eisenbahnmanager stornierten den Auftrag des Verteidigungsministeriums, nachdem die Beschäftigten, die von einem Gleichgesinnten als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen bezeichnet wurden, erklärt hatten, sie seien gegen den von Tony Blair angedrohten Angriff auf Irak.
Diese Antikriegs-Revolte ist die erste derartige industrielle Aktion von Arbeitern seit Jahrzehnten. Die in Motherwell arbeitenden Lokführer weigerten sich, den Zug zwischen Glasgow und dem Glen-Douglas-Stützpunkt an der schottischen Westküste zu fahren. Glen Douglas ist Europas größtes Waffenlager.
Die Englisch-Walisisch-Schottische Eisenbahngesellschaft (EWS), die sowohl Munitionstransporte für das Verteidigungsministerium als auch zivile Handelsgüter transportiert, hatte versucht, die beiden Lokführer zu überreden, die umstrittene Ladung am nächsten Tag zu befördern. In einem Gespräch mit Vertretern der Geschäftsleitung wurden Führer der Bahnarbeitergewerkschaft gedrängt, die Lokführer zum Nachgeben aufzufordern. Dem haben sich die Funktionäre der Gewerkschaft, die ebenfalls einen Angriff auf Irak ablehnen, aber widersetzt.
Von den beiden Lokführern heißt es, sie seien die einzigen am Güterbahnhof Motherwell, die die Route der West-Highland-Linie fahren können.

Ein Sprecher von EWS lehnte es ab zu bestätigen, dass der Zug gestoppt worden sei. Er bestand darauf, dass kein Fahrer sich geweigert hätte, die Züge zu fahren. "Wir diskutieren keine geschäftlichen Angelegenheiten", sagte er. "Die Geschichte über die beiden Lokführer ist nicht wahr und wir diskutieren auch nicht über Themen unserer Sitzungen."
Diese Behauptung widersprach indessen völlig einer Quelle aus der Branche, die dem "Guardian" sogar die genaue Nummer des Güterzugs nennen konnte. Das Verteidigungsministerium sagte später, es sei von EWS darüber informiert worden, dass technische Probleme zur Streichung des Güterzuges geführt hätten, Probleme, die vom kalten Winterwetter verursacht worden seien.
Diskutiert wurde zwischen Ministerium und EWS, ob der Transport nicht auf der Straße abgewickelt werden könnte. Auf diese Weise sollte eine ähnliche "isolierte" Konfrontation vermieden werden.
Der Artikel im Guardian erinnert daran, dass zuletzt 1973 britische Hafenarbeiter sich geweigert hatten, Waffen auf Schiffe zu laden, die für das Regime in Chile bestimmt waren, das den linksgerichteten Präsidenten Salvador Allende ermordet hatte. Zu einem ähnlichen Streik war es 1920 gekommen. Schauerleute in den Londoner Ostindien-Docks weigerten sich, Gewehre auf die "Jolly George" zu verladen, die für die antibolschewistische Front gegen das revolutionäre Russland gedacht waren.

Gewerkschaften, die Arbeiter unterstützen, die sich Waffentransporten widersetzen, riskieren eine Anklage und möglicherweise Geldbußen wegen Missachtung der Gerichte.
Unterstützung erhalten die streikenden Arbeiter von der Friedensbewegung. Lindsay German, Organisator der "Stoppt-den-Krieg-Koalition" wird mit den Worten zitiert: "Wir stehen voll hinter der Aktion, die unternommen wurde, um einen ungerechten und aggressiven Krieg zu behindern. Wir hoffen, dass andere Menschen überall im Land ähnliches tun können."
Die Antikriegsgruppe organisiert eine zweite nationale Demonstration in London am 15. Februar. Die Organisatoren behaupten, beim ersten Mal, im September l.J. hätten mehr als 400.000 Menschen am Protest teilgenommen.

Übertragung aus dem Englischen: P. Strutynski

Anti-war train drivers refuse to move arms freight

Kevin Maguire

Train drivers yesterday refused to move a freight train carrying ammunition believed to be destined for British forces being deployed in the Gulf.

Railway managers cancelled the Ministry of Defence service after the crewmen, described as "conscientious objectors" by a supporter, said they opposed Tony Blair's threat to attack Iraq. The anti-war revolt is the first such industrial action by workers for decades.

The two Motherwell-based drivers declined to operate the train between the Glasgow area and the Glen Douglas base on Scotland's west coast, Europe's largest Nato weapons store. English Welsh and Scottish Railway (EWS), which transports munitions for the MoD as well as commercial goods, yesterday attempted to persuade the drivers to move the disputed load by tomorrow.
Leaders of the Aslef rail union were pressed at a meeting with EWS executives to ask the drivers to relent. But the officials of a union opposed to any attack on Iraq are unlikely to comply. The two drivers are understood to be the only pair at the Motherwell freight depot trained on the route of the West Highland Line.
An EWS spokesman declined to confirm the train had been halted, although he insisted no drivers had refused to take out the trains. "We don't discuss commercial issues," he said. "The point about the two drivers is untrue and we don't discuss issues about meetings we have."

Yet his claim was flatly contradicted by a well-placed rail industry source who supplied the Guardian with the train's reference number. The MoD later said it had been informed by EWS that mechanical problems, caused by the cold winter weather, had resulted in the train's cancellation. One solution under discussion yesterday between the MoD and EWS was to transport the shipment by road to avoid what rail managers hoped would be an isolated confrontation.

Dockers went on strike rather than load British-made arms on to ships destined for Chile after the assassination of leftwing leader Salvador Allende in 1973. In 1920 stevedores on London's East India Docks refused to move guns on to the Jolly George, a ship chartered to take weapons to anti-Bolsheviks after the Russian revolution.

Trade unions supporting workers who refuse to handle weapons could risk legal action and possible fines for contempt of court. Lindsey German, convener of the Stop the War Coalition, said: "We fully support the action that has been taken to impede an unjust and aggressive war. We hope that other people around the country will be able to do likewise." The anti-war group is organising a second national demonstration in central London on Saturday February 15. Organisers claimed more than 400,000 people attended a protest in September.

Thursday January 9, 2003, The Guardian


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