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Friedensappell der Sportlerinnen und Sportler für den Frieden

Und wie der NOK-Präsident darauf reagiert

Gustav-Adolf Schur ist Mitinitiator des Friedensappells, den bereits über 700 deutsche Sportlerinnen und Sportler, unterzeichnet haben – der aber vom Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees abgelehnt wird. Den Appell lesen Sie weiter unten "Im Wortlaut".
Der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), Dr. Klaus Steinbach äußerte sich in einem "Tagesspiegel"-Interview (Robert Ide) ablehnend zu dem Sportler-Appell. Steinbach sagte u.a.:


"Ich bin für eine differenzierte Sicht. In dem Aufruf heißt es, dass Sportler ihre Stimme gegen einen drohenden Krieg im Irak erheben sollen - bis hierhin einverstanden. Aber der Aufruf wendet sich gegen die USA. Ich frage mich: Wer ist der Problemverursacher für die Krise am Golf, die Amerikaner oder das irakische Regime? Ich muss da klar sagen, dass Saddam Hussein verantwortlich ist. Er kommt der Aufforderung, sein Land zu entwaffnen, nicht nach und gewährt den Waffeninspektoren nur zögerlich Zugang. Er stellt eine potenzielle Gefahr dar."
Auf die Frage, ob er dann für den Krieg sei, antwortete Steinbach:
"Nein, natürlich nicht. Der Krieg darf nur das allerletzte Mittel sein. Es ist aber wichtig, eine Drohkulisse zu haben, um Saddam Hussein zum Einlenken zu zwingen."
Und auf eine ganz besondere Art zeigt er sogar seine Liebe zur Friedensbewegung:
"Ich bin für die Friedensbewegung. Ich freue mich, dass sich Sportler für den Frieden einsetzen. Es kann aber nicht sein, dass sich die Friedensbewegung allein gegen die USA richtet. Sie muss sich vielmehr gegen Saddam Hussein richten. Er verletzt die UN-Resolutionen, er ist der Böse. (...) Ich bin klar für Frieden. Aber wenn ich mir die Initiatoren des jetzigen Aufrufs ansehe, etwa den einstigen PDS-Abgeordneten Gustav-Adolf Schur und einige seiner Parteifreunde, dann muss ich feststellen: Diese Initiative ist zwar vordergründig eine Initiative von Sportlern, aber sie ist in erster Linie parteipolitisch motiviert. Deshalb werde ich mich als NOK-Präsident dafür nicht vereinnahmen lassen."
Tagesspiegel, 19.02.2003

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Der hier angesprochene Täve Schur ließ diese Vorwürfe nicht auf sich sitzen und antwortete in einem Offenen Brief an Herrn Steinbach. Schur ist Ex-Radweltmeister und zweimaliger Gewinner der Friedensfahrt; er wird am 23. Februar 72 Jahre alt und genießt große Popularität - insbesondere in den neuen Bundesländern. Wir dokumentieren Auszüge aus dem Brief von Täve Schur (anhand eines Artikel im "Neuen Deutschland" vom 22.02.2003).

»Sie werden es mir sicher nicht verübeln, wenn ich Ihnen offenherzig meine Meinung und meine Bedenken zu Ihrer Auffassung über unseren Friedensappells mitteile«, schreibt Schur mit Verweis auf die Erklärung Steinbachs, dass der Appell »politisch motiviert« und »antiamerikanisch« wäre. »Ich muss Ihnen nicht aus der Olympischen Charta zitieren, welche moralische Verpflichtung Sie mit der Übernahme der Funktion eines NOK-Präsidenten übernommen haben. Doch ich wage zu bezweifeln, ob Ihre Erklärung damit in Übereinstimmung zu bringen ist.«
Der Offene Brief verweist auf die Friedensbewegung, die sich in den 80er Jahren unter deutschen Sportlern aus West und Ost formiert hatte und die von zahlreichen Politikern unterstützt wurde. »Ich darf darauf hinweisen, dass das zweite Fest dieser Initiative in der überfüllten Dortmunder Westfalenhalle unter der Schirmherrschaft des heutigen Bundespräsidenten Johannes Rau stand und von Willy Brandt begrüßt wurde. Der damalige NOK-Präsident Willi Daume nahm an diesem Fest teil und bekannte sich zu seinen Zielen.«
Im Sinn dieser Tradition heißt es weiter: »Uns daran erinnernd und darauf verweisend, dass der deutsche Sport Gastgeber für die Olympischen Spiele 2012 sein will, plädieren wir dafür, dass möglichst viele deutsche Sportlerinnen und Sportler ihre Stimme gegen einen drohenden Krieg im Irak oder sonst wo auf der Welt erheben. Doch sollten Sie uns weiterhin vorwerfen, dass eine Antikriegshaltung in jedem Falle als antiamerikanisch zu bewerten ist, so würden Sie logischerweise auch alle Bemühungen um den Frieden in den Vereinigten Staaten generell ignorieren und den USA bewusst jegliche Friedensbemühungen absprechen.«
Gustav-Adolf Schur betont, dass die Initiatoren darauf gehofft hätten, dass auch der NOK-Präsident sich dem Appell anschließt. »Wenn ich in diesem Zusammenhang darauf verweise, dass das sicherlich auch im Sinne des Begründers der Olympischen Bewegung, Pierre de Coubertin, gewesen wäre, dürfte das die Ernsthaftigkeit unserer Bemühungen wohl nur unterstreichen.«
Abschließend nimmt der Brief Steinbachs Bemerkung auf, dass Krieg nur das allerletzte Mittel sein dürfe. Schur widerspricht nachdrücklich: »Krieg sollte überhaupt kein Mittel der Politik sein! Letzteres schreibe ich Ihnen auch im Namen unserer Mitinitiatorin Gunhild Hoffmeister, die ihren Vater im Zweiten Weltkrieg verloren hat.«

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Im Wortlaut:

FRIEDENSAPPELL - Sportlerinnen und Sportler für den Frieden -

Es ist zwanzig Jahre her, dass deutsche Sportlerinnen und Sportler aus Ost und West eine Initiative für den Frieden gründeten. Der Ruder-Olympiasieger von Mexico, Horst Meyer stand an ihrer Spitze. NOK-Präsident Willi Daume bekannte sich zu ihr, Willy Brandt schickte eine Grußbotschaft an das 1985 arrangierte "Sportler-für-den-Frieden"-Sportfest in der Dortmunder Westfalenhalle:
"Mein Wunsch ist, dass es mit dieser Veranstaltung gelingt, ein Beispiel dafür zu geben, wie Sportler und sportinteressierte Bürger über sonst Trennendes hinweg friedlich und freundschaftlich einander begegnen und miteinander diskutieren".

Uns dieses Ratschlags erinnernd und darauf verweisend, dass der deutsche Sport Gastgeber für die Olympischen Spiele 2012 sein will, plädieren wir dafür, dass möglichst viele deutsche Sportlerinnen und Sportler ihre Stimme gegen einen drohenden Krieg im Irak oder sonst wo auf der Welt erheben.
Gerade weil auch der Sport seit jeher ein Symbol für friedliches Miteinander ist, gilt unser ganzes Engagement dem Frieden in der Welt.

Gustav Adolf "Täve" Schur, Gunhild Hoffmeister, Klaus Köste
... und die Unterzeichner der folgenden Liste: (Es folgen Namen von bisher rund 700 Sportlerinen und Sportler).


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