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Trauer, Wut, Widerstand - Stellungnahmen zum Kriegsbeginn

Teil 4: Weitere Erklärungen aus Nichtregierungsorganisationen

Im Folgenden dokumentieren wir eine Reihe von Stellungnahmen und Presseerklärungen zum Beginn des Angriffs auf den Irak. Zu Wort kommen folgende Initiativen bzw. Organisationen:
  • Naturfreundejugend
  • Rosa-Luxemburg-Stiftung
  • Evangelische Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer (EAK)


Das Völkerrecht muss gewahrt bleiben:

Bush und Blair vor den internationalen Strafgerichtshof!
Sofortiger Stopp aller Kampfhandlungen im Irak!


Die Bundesleitung der Naturfreundejugend Deutschlands verurteilt den Angriffskrieg der Vereinigten Staaten von Amerika und des Vereinigten Königreichs gegen den Irak. Diese Handlungen stellen einen Bruch des Völkerrechts dar und sind nicht durch die Sicherheitsratsresolution 1441 abgedeckt.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist das einzige Gremium der Welt, das über Krieg und Frieden entscheiden darf. Nationale Alleingänge dürfen nicht akzeptiert werden; das Recht des Stärkeren ist nicht Grundlage unseres Zusammenlebens auf dieser Welt.
Die fundamental-christliche Rhetorik von Bush impliziert und stimuliert die gleichen Aggressionen wie die der radikalen Muslime - beide stacheln zum Hass auf. Das wird die Gewaltspirale auf beiden Seiten intensivieren.

Ein Zusammenhang zwischen dem Baath-Regime und Al Quaida ist bis heute ebenso wenig nachgewiesen worden wie ein bedrohliches Arsenal an Massenvernichtungswaffen. Es geht den USA nicht um den Schutz von unterdrückten Minderheiten oder Menschenrechten, es geht um die Vorherrschaft im Nahen Osten und den Zugriff auf Ölressourcen. Hier zeigt sich imperiales Großmachtstreben.

Das ursprünglich benannte Ziel der Allianz der Kriegswilligen war eine Entwaffnung des Iraks. Mittlerweile ist der Regimewechsel an diese Stelle getreten. Als angebliches Vorbild für Demokratie sollten sich gerade die Vereinigten Staaten von Amerika bewusst sein, dass Demokratie nicht von außen mit militärischen Mitteln erzwungen werden kann. Dieser Paternalismus ignoriert das Recht auf Selbstbestimmung der irakischen Bevölkerung. Wir erklären uns solidarisch mit der Zivilbevölkerung, die unter diesem Krieg zu leiden hat.

Es wird höchste Zeit, dass sich alle Regierungen der Welt sich internationalen Völkerrecht unterwerfen. Es ist daher längst überfällig, dass sich auch die Herren Bush und Blair vor dem Internationalen Strafgerichtshof zu verantworten haben.

Die Naturfreundejugend Deutschlands fordert:
  • die sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen und den bedingungslosen Rückzug aller militärischen Verbände ohne Mandat der Vereinten Nationen aus dem Irak,
  • die sofortige Einstellung jeglicher Unterstützung dieses Angriffskrieges durch die Bundesrepublik Deutschlands, da dies ein Verstoß gegen das Grundgesetz ist,
  • die Wiederaufnahme der Arbeit der Waffeninspektoren der Vereinten Nationen im Irak,
  • die weltweite Ächtung und restlose Vernichtung von Massenvernichtungswaffen - in allen Staaten,
  • materielle und finanzielle Unterstützung für die Opfer und Aufbau der zerstörten Infrastruktur insbesondere durch die Vereinten Nationen, vornehmlich finanziert durch die Vereinigten Staaten von Amerika und das Vereinigte Königreich.
Bundesleitung der Naturfreundejugend Deutschlands, 23.03.03

Schluss mit diesem Krieg! Sofort!

Erklärung der Rosa Luxemburg Stiftung

In der Nacht zum 20. März 2003 hat der angekündigte Krieg der USA zur Eroberung des Irak und der Neuordnung nicht nur des Nahen Ostens begonnen. Es ist ein imperialer Krieg. Die Regierung der USA und ihre "Koalition der Willigen" haben sich über den Willen der Völker der Welt, der meisten Staaten und das internationale Recht hinweggesetzt. Es ist ein Krieg, der durch die endgültige Durchsetzung eines imperialen Gewaltmonopols die durch eine kapitalistische Ordnung hervorgerufenen Konflikte einzudämmen versucht. Es ist ein Krieg, bei dem es um Herrschaft geht: im Nahen und Mittleren Osten, auch über das Öl, über die Kontrolle der Weltwirtschaft und ihre Ressourcen. Es ist ein Krieg, bei dem es um eine neue amerikanische Weltordnung geht. Und es geht um einen Krieg gegen alle, die ein besseres Leben in Frieden erhoffen und dafür kämpfen.

Es wird der blutige Weg des Krieges gewählt, statt zur Lösung vieler schwelender, ungelöster Konflikte in der Welt - von Afghanistan bis Kosovo, vom Sudan über Palästina bis Kaschmir, von Nordkorea bis Tschetschenien - beizutragen und Formen ziviler Konfliktprävention und -moderation zu entwickeln. Anstelle Diktaturen ihre nationale und religiöse Legitimation zu entziehen, wird sie gestärkt. Der US-geführte Krieg wird zwar den Sturz des Regimes, aber keine Selbstbestimmung und keinen Frieden bringen.

Der Sturz von Saddam Hussein, einem skrupellosen Verbrecher, einst auch von den USA, Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland, der Sowjetunion und anderen militärisch aufgerüstet gegen den Iran, ist der wohlfeile Vorwand, diesen Krieg endlich führen zu können, weil er geführt werden soll. Imperiale Kriege schaffen weder Sicherheit noch setzen sie Menschenrechte und Demokratie durch. Sie sind die Quelle der weiteren Verbreitung von Massenvernichtungsmitteln, von neuen Bürgerkriegen und internationalem Terrorismus. Sie sind völkerrechtswidrig. Wer die Toten des 11. September 2001 wirklich ehrt, wird alles dafür tun, dass die wahren Ursachen bekämpft und die tatsächlichen Hintermänner verfolgt werden.

Der Konflikt um den Irak hätte friedlich beigelegt werden können, wie es viele Mitgliedsstaaten der UNO wollten. Dass es anders kam, dafür liegt die Verantwortung in Washington. Soll nun Entmutigung Platz greifen? Gegen keinen Krieg bisher wurde so ausführlich gestritten wie gegen diesen, lange bevor er angezettelt und befohlen wurde. Die weltweiten Demonstrationen für den Frieden am 15. Februar haben Mut gemacht. Wir wollen eine Welt des Friedens, sagten die vielen Menschen auf dem Weltsozialforum in Porto Alegre. Und diese Welt ist möglich. Es gibt friedliche realpolitische Alternativen: Schnelle Initiativen für eine Lösung der regionalen Probleme durch die Völker der Region selbst unter tatkräftigster Unterstützung der Weltgemeinschaft. Schaffung regionaler Sicherheitsstrukturen unter Moderation der UN. Sofortige Schritte zur Gewährleistung der Sicherheit Israels vor Terror und Bedrohung und Gründung und Anerkennung eines palästinensischen Staates. Sicherung der völkerrechtlichen Ächtung von Präventivkriegen.

Schluss mit diesem Krieg! Sofort!

Dem Krieg widerstehen ist ChristInnenpflicht!

Evangelische Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer (EAK)
Stellungnahme des EAK - Bundesvorsitzenden, Bischof i.R. Dr. Christoph Demke, zum Irak-Krieg:

Der am 20. März 2003 begonnene Krieg gegen den Irak, der vom Regierungssprecher der Vereinigten Staaten als ‚Beginn der Entwaffnung' dieses seit 1991 unter UNO-Kontrolle weithin abgerüsteten Landes bezeichnet wurde, hat keine internationale Rechtsgrundlage. Er verstößt darüber hinaus gegen das Gewaltverbot der Charta der Vereinten Nationen, deren Mittel ziviler Konfliktbearbeitung längst nicht ausgeschöpft worden sind. Zahlreiche UNO-Mitgliedsstaaten haben sich sehr dafür eingesetzt; dieses Engagement zur Vermeidung eines Krieges hätte mehr Erfolg verdient.

Die wahren Motive, die zur Entscheidung des amerikanischen Präsidenten für diesen Krieg geführt haben, sind im Dunkeln geblieben: Geopolitische, militärische und materielle Interessen der politischen Führung der Vereinigten Staaten und ihr Weltmachtverständnis sind offensichtlich sehr viel stärker gewichtet worden, als das Bemühen um die Entwaffnung und Beseitigung eines diktatorischen Regimes, das vor Jahren nicht ohne Zutun der Vereinigten Staaten und anderer Länder entstanden und bewaffnet worden ist. Auch wenn die propagierte Befreiung der irakischen Bevölkerung, die zuerst Opfer der militärischen Gewalt ist, vom Joch der Unterdrückung schließlich gelingen und das Land eine demokratische Verfassung erhalten sollte, bleibt die Frage, ob diese Ziele nicht politisch zu erreichen gewesen wären: durch gemeinsames Fortsetzen der völkerrechtlich legitimierten Anstrengungen im Rahmen der Vereinten Nationen. Im denkbaren - und erhofften - Fall einer raschen Beendigung des Krieges warnen wir dringend vor einer kurzschlüssigen Argumentation, Krieg als Mittel der Politik neu zu rechtfertigen. Im Fall lang anhaltender Kämpfe werden diese den Anachronismus und die moralische Verwerflichkeit des Krieges bestärken. Wir hoffen und beten aber, dass der irakischen Bevölkerung dieses Leid erspart bleiben wird. Unsere Fürbitte gilt auch allen Kriegsgefangenen, die ein Recht auf menschenwürdige Behandlung haben.

Die christlichen Kirchen der Welt haben sich entschieden gegen diesen Krieg ausgesprochen und eingesetzt. Dafür sind wir dankbar, auch wenn wir bedauern, dass diese Mahnungen und Warnungen von den politischen Entscheidungsträgern der kriegführenden Staaten ignoriert worden sind. Auf alle politisch Verantwortlichen kommt nun die Aufgabe zu, aus dieser gefährlichen Krise der Weltordnung gemeinsam Schlüsse zu ziehen, die eine Wiederholung des diplomatischen Debakels in der Vorgeschichte dieses Krieges verhindern können: Verbesserung und Verfeinerung der Sanktionsmechanismen der UN und nachhaltiges gemeinsames Durchsetzen eindeutiger UNO-Beschlüsse.

Die weltweiten Proteste und Aktionen zivilen Ungehorsams gegen diesen Krieg, vor allem vieler junger Menschen, lassen uns hoffen, dass in vielen Ländern die Bemühungen verstärkt werden, Methoden ziviler, gewaltloser Konfliktbearbeitung zu fördern. Das sollte und könnte zu einer Stärkung des Völkerrechts und zur Weiterentwicklung des Humanitären Völkerrechts führen, das für alle Menschen gilt, für Soldaten wie für Zivilisten. Es verpflichtet Soldaten, die Befehle geben und die Befehle erhalten, zu individueller Verantwortlichkeit für ihr Handeln und sichert ihnen das Menschenrecht der Gewissensfreiheit zu, jeden Befehl zu verweigern, der die Menschenwürde verletzt oder eine Straftat beinhaltet. Auch für diese Form von Widerstand innerhalb des Militärs dürfte der Irak-Krieg Anlaß geben, nicht nur für ChristInnen!


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