Friedensbewegung legt Schwerpunkt auf Kampf gegen drohenden Irak-Krieg
Protokoll einer bundesweiten Aktionskonferenz in Kassel
Im folgenden dokumentieren wir Ergebnisse der Aktionskonferenz der Friedensbewegung, die am 6. Juli 2002 in Kassel stattfand und sich mit der Frage befasste, wie die Bewegung anlässlich des Bush-Besuchs nun in eine noch breitere Bewegung gegen den drohenden US-Krieg gegen Irak übergeführt werden kann.
Mit 81 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 37 Städten und von 18
überregionalen/bundesweiten Organisationen war das Treffen in Kassel
sehr gut besucht.
Auswertung der Aktionen zum Bush-Besuch
In einem kurzen Impulsreferat zur Nachbetrachtung der Aktionen der
Friedensbewegung erinnerte Willi van Ooyen (Friedensratschlag) zunächst
an die erfolgreichen Seiten: Die große Beteiligung an der Demo in Berlin
am 21. Mai, die im ganzen Bundesgebiet durchgeführten
Bush-Trommel-Aktionen am 22. Mai (die sich auch vor Ort gut in den
Medien widerspiegelte), die überraschend hohe Beteiligung junger
Menschen sowie deren Kreativität in den Darstellungsformen ihres
Protestes. Ein Teil davon geht sicher auf das Konto von Attac, das sich
als wertvoller Partner der Friedensbewegung erwies. Kritisch hob er
hervor, dass es nicht gelungen sei, die ganze Breite der
Friedensbewegung in die Vorbereitung mit einzubeziehen und
Großorganisationen (z.B. Gewerkschaften, Kirchen) als Unterstützer zu
gewinnen. Willi v.O. berichtete auch über die Bielefelder
Strategiekonferenz, die eine Woche zuvor stattgefunden hat und auf der
u.a. der Wunsch nach mehr Zusammenarbeit in der Friedensbewegung zum
Ausdruck gebracht wurde.
Die Diskussion bestätigte im wesentlichen die Einschätzung van Ooyens.
Es habe sich als Glücksfall erwiesen, dass die bundesweite "Achse des
Friedens" neben Berlin auch zu dezentralen Aktionen am 22. Mai im ganzen
Land mit einer gemeinsamen Aktionsform und einem einheitlichen Zeitpunkt
orientierte. Anne Rieger (VVN Baden Württemberg, IGM und
Friedensratschlag) berichtete über die positive Wirkung, welche die
Bush-Demo auf den kurz darauf durchgeführten DGB-Kongress hatte. So ging
z.B. ein "verheerender" Antrag zur Friedenspolitik nicht reibungslos
über die Bühne, sondern musste sich auf Druck der Delegierten
wesentliche Veränderungen und die zusätzliche Annahme eines
Initiativantrags gegen den Krieg gegen Irak gefallen lassen.
Als zusätzliche Defizite wurden genannt:
-
die Kurzfristigkeit der Aktionsvorbereitung, die insbesondere den
größeren Organisationen wenig Chancen zur demokratischen Willensbildung
und Partizipation gelassen hätte (Reinhard Voß, pax christi),
- die mangelnde Transparenz in den Entscheidungsprozessen des
Koordinierungsgremiums "Achse des Friedens" (Matthias Jochheim, IPPNW),
- Abstimmungsprobleme zwischen dem Berliner Bündnis und der bundesweiten
Friedensbewegung (Laura von Wimmersperg-FRIKO, Reiner Braun, NatWiss).
Als Konsequenz aus den Erfahrungen mit den Aktionen anlässlich des
Bush-Besuchs wurden folgende Vereinbarungen getroffen:
-
Das bundesweite Koordinierungsgremium "Achse des Friedens" soll
weiter bestehen und auf eine breitere Grundlage gestellt werden.
- Die "Achse des Friedens" versteht sich nicht als übergeordnetes
Entscheidungsgremium oder "Dachverband" der Friedensbewegung, sondern
als ein Aktionsbündnis mit dem inhaltlichen Schwerpunkt: "Kampf gegen
den drohenden Irak-Krieg als Teil der Fortsetzung des von Bush
angekündigten "permanenten Krieges gegen den Terror".
- Die "Achse des Friedens" soll sich um eine möglichst breite
Unterstützung aus dem "Friedenslager" und aus anderen gesellschaftlichen
und politischen Bereichen bemühen.
- Die "Achse des Friedens" wird sich darum bemühen, ihr
Koordinierungsgremium um relevante Organisationen zu erweitern. Genannt
wurden etwa pax christi, AGDF, IPPNW, IGM und ver.di (zumindest deren
Jugendverbände), GEW.
- Dieses Koordinierungsgremium soll nicht mehr als 20 bis 25 Personen
umfassen, damit es arbeitsfähig und flexibel bleibt.
- Das nächste Treffen dieses Koordinierungskreises wird am Samstag, den
17. August, um 12.30 Uhr in Kassel (Gewerkschaftshaus) stattfinden. Eine
gesonderte Einladung an den vorgesehenen Personen/Organiations-Kreis
wird rechtzeitig verschickt.
Weitere zentrale/dezentrale Aktivitäten der Friedensbewegung
Nach eingehender Diskussion über die nächsten Aktivitäten der
Friedensbewegung schälten sich folgende Aktionsschwerpunkte und Termine
heraus:
1) Unstreitig war, dass der drohende Irak-Krieg im Mittelpunkt der
Aktivitäten der nächsten Monate stehen wird. Ein entsprechender
Unterschriften-Aufruf (der sog. Wilhelmsburger Appell) sollte weiter
verbreitet werden. Lokale/regionale Gruppen können mit dem Aufruf
insofern "locker" umgehen, als auch Änderungen im Text vorgenommen
werden können. Wichtig ist nur, dass die Hauptforderungen an die
Bundesregierung bestehen bleiben.
Für den Appell sollen zunächst bis zum 14. September überall im Land
Unterschriften gesammelt werden. In der darauf folgenden Woche (17., 18.
oder 19. Sept.) soll eine Pressekonferenz in Berlin stattfinden, auf der
über die Kampagne berichtet werden soll.
2) Unstreitig war auch, dass das Kriegsthema auch im Zentrum des
spezifischen Beitrags der Friedensbewegung zum Bundestagswahlkampf
stehen wird, und zwar ganz unabhängig davon, mit welcher Orientierung
oder "Wahlempfehlung" die einzelnen Friedensgruppen ihre Aktivitäten
durchführen.
3) Gesprochen wurde auch über die nächsten "festen" Termine.
Der 6./9. August (Hiroshima-, Nagasaki-Gedenken) sollte in diesem Jahr
noch stärker genutzt werden, nachdem die USA offenbar ihre
Atomwaffendoktrin geändert hat und sich nun ausdrücklich vorbehält,
Nuklearwaffen (z.B. sog. mini nukes) auch gegen Staaten einsetzen, die
selbst über keine derartige Waffen verfügen.
Einen zentralen Stellenwert hat auch der 1. September, der
erfahrungsgemäß in vielen Orten zusammen mit den Gewerkschaften
durchgeführt wird. Unabhängig von lokalen Bezügen, die dabei hergestellt
werden, müsse bei diesen Veranstaltungen der drohende US-Krieg gegen
Irak thematisiert werden.
4) Überlegungen wurden angestellt, den Jahrestag der Terroranschläge vom
11. September gemeinsam zu begehen. Dies sollte dezentral geschehen, und
zwar am Mittwoch, 11. September um 18 Uhr im ganzen Land. Es wurde
eingeschätzt, dass die Friedensbewegung durchaus in der Lage sei, den
wahrscheinlich überall stattfindenden "offiziellen"
Trauerfeierlichkeiten eigene Mahn- und Antikriegskundgebungen entgegen
zu stellen. Gemeinsames Motto könnte sein:
"Solidarität statt Krieg - Für Frieden und globale Gerechtigkeit"
Ähnlich wie am 22. Mai soll auch wieder ein allen Veranstaltungen
gemeinsames Aktionselement gefunden werden. (Ideen werden gern entgegen
genommen; mailto:strutype@uni-kassel.de).
5) Am 14. September findet in Köln eine Großveranstaltung von Attac in
Zusammenarbeit mit ver.di- und IGMetall-Jugend statt. (Motto: "Her mit
dem schönen Leben!") Die Friedensbewegung wird sich daran nach Kräften
beteiligen. Ein Arbeitsgruppe mit Teilnehmer/innen aus Köln und von
Attac (Kurt Heymann) hat zu diesem Zweck bereits vorliegende Vorschläge
des Kölner Friedensforums und der Gruppe PAX AN! diskutiert und ein
Konzept gebastelt. Weitere Einzelheiten werden zu gegebener Zeit
verschickt.
6) Dass der Krieg in Afghanistan noch keineswegs beendet ist, darauf
sollte die Friedensbewegung anlässlich des ersten Jahrestags des Beginns
dieses Krieges (7. Oktober) aufmerksam machen: Ein Termin also für
Informationsveranstaltungen, Mahnwachen usw.!
7) Am ersten oder zweiten Wochenende im November soll in Berlin ein
größerer Irak-Kongress stattfinden, der von der Anti-Sanktions-Bewegung
geplant wird und von der Friedensbewegung unterstützt werden sollte. Der
Bundesausschuss Friedensratschlag hat seine Unterstützung zu einem
solchen Kongress unter folgender Maßgabe zugesagt: So eindeutig die für
die Menschen im Irak tödliche Embargopolitik und der von den USA
vorbereitete Krieg verurteilt werden müssen, so klar muss bei einem
solchen Kongress auch zum Ausdruck kommen, dass dies keinerlei
Parteinahme für das Saddam-Regime beinhaltet.
Zu guter Letzt und außerhalb des Protokolls soll hier noch der
"ultimative" Termin für die Friedensbewegung in diesem Jahr genannt
werden: Der (neunte) Friedenspolitische Ratschlag am 7./8. Dezember in
Kassel. Vorläufiger Arbeitstitel: "Den ´permanenten Krieg` beenden! Eine
friedliche Welt ist möglich."
F.d. Protokoll:
Peter Strutynski
Kassel, den 10. Juli 2002
Zurück zur Seite "Stimmen gegen den Krieg"
Zur Irak-Seite
Zurück zur Homepage