Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Online-Umfrage der Süddeutschen Zeitung: 67 Prozent gegen Irak-Krieg

Presse nimmt zunehmende Ablehnungsfront in Politik und Bevölkerung wahr

"Soll sich Deutschland an einem Krieg gegen den Irak beteiligen?" Das fragt die Süddeutsche Zeitung in ihrer Online-Ausgabe ihre Leser. In der Nacht zum 13. August hatten bereits 3.039 Besucher der Homepage abgestimmt. Das Ergebnis ist mehr als eindeutig und bestätigt die Haltung der Friedensbewegung: Mit "Ja, uneingeschränkt" stehen hinter einem Angriff auf Irak nur 7 Prozent der Abstimmenden, 24 Prozent würden sich dazu bereit finden, falls ein UN-Madat vorliegt. "Unter keinen Umständen" dürfe sich Deutschland an einem Krieg beteiligen, sagen dagegen 67 Prozent. Eine klare Bestätigung der Haltung der Friedensbewegung.

Nun gab es schon seit Wochen relativ stabile Mehrheiten in der Bevölkerung gegen eine deutsche Beteiligung an einem US-Krieg gegen Irak, seit der überraschenden Erklärungen von Schröder und Fischer Anfang August hat die Ablehnungsfront offenbar Zulauf bekommen. Dies schlägt sich mittlerweile auch in den Medien nieder, die immer öfter kritische Stimmen aus dem In- und Ausland zu Wort kommen lässt. Wir dokumentieren im Folgenden einige solcher Artikel, sofern sie sich mit der Haltung der Friedensbewegung befassen.

***

Den Beginn machte die Frankfurter Rundschau vom 10. August 2002, die eine Erklärung der IMI aufgriff und ein Hintergrundgespräch mit Tobias Pflüger führte. Wir zitieren aus dem Artikel "Nach Schröders starken Worten erwarten Kriegsgegner jetzt auch Taten" (Autor: Georg Leppert):

...
Tobias Pflüger hat in den vergangenen Tagen viele Schlagzeilen gelesen, die ihn eigentlich jubeln lassen müssten: Schröder gegen Krieg in Irak, Außenminister Joschka Fischer (Grüne) ebenso, und sogar Unionsmitglieder wie der CDU-Außenpolitiker Karl Lamers warnen vor einem Angriff zum jetzigen Zeitpunkt. Doch Pflüger, der im Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI) Friedenspolitik macht, ist skeptisch: "Was fehlt, sind wirklich substanzielle Schritte", sagt er am Freitag im Gespräch mit der FR.

"Wirklich substanziell" wäre ein Schritt für Pflüger, wenn die Bundesregierung den US-amerikanischen Streitkräften die Nutzung der militärischen Infrastruktur in Deutschland für einen Krieg gegen Irak untersagen würde. Und in einer Presseerklärung mit dem Titel "Wir glauben Euch noch nicht" geht die in Tübingen ansässige IMI sogar noch weiter: Nicht nur die deutschen, sondern auch die US-amerikanischen Militärbasen in der Bundesrepublik sollten der Armee für den Fall eines Kriegs gegen Irak nicht mehr zur Verfügung stehen. Von Frankfurt am Main, Ramstein oder Spangdahlem dürfe kein US-Flugzeug Richtung Irak abheben.

... Falls die Versprechen der Regierung ernst gemeint sind, müsse Berlin jetzt den Beweis dafür erbringen und handeln, fordert Pflüger. Innerhalb der Nato soll Deutschland sein Veto gegen die Unterstützung eines US-amerikanischen Angriffs auf Irak erheben und darauf dringen, dass die USA ihre Kriegspläne veröffentlichen.

Außerdem, fordert die IMI, müsse Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) die sechs deutschen Fuchs-Spürpanzer sowie die 52 Bundeswehr-Soldaten, die in Kuwait stationiert sind, von dort abziehen. "Nur ein sofortiger Abzug macht einen Anti-Kriegskurs glaubwürdig", betont die Informationsstelle. Denn bei einem Angriff auf Irak, da ist sich die Friedensbewegung sicher, würden die in Kuwait stationierten Bundeswehr-Soldaten nicht außen vor bleiben können.

Den Rückzug der Bundeswehr aus der Region fordern auch die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) und die Ärzteorganisation IPPNW. Nur dies wäre ein glaubwürdiges Zeichen der veränderten Außen- und Sicherheitspolitik, schreibt die Friedensinitiative der Mediziner in einem Brief an den Bundeskanzler. ...

Zugleich fordern die Organisationen ein Ende des Embargos gegen Irak. Unter den Sanktionen habe ausschließlich die irakische Bevölkerung zu leiden, schreibt die Ärzte-Initiative. Und die Informationsstelle Militarisierung geht einen Schritt weiter: Die Bundesregierung solle das Embargo, das eben nicht "das in aller Schärfe zu kritisierende Regime von Saddam Hussein", sondern die Zivilbevölkerung treffe, einfach ignorieren und Hilfe für die Menschen in Irak organisieren.
Frankfurter Rundschau, 10.08.2002)

***

Das "Neue Deutschland" befasste sich am 13. August vor allem mit einer parlamentarischen Initiative der PDS-Fraktion, betont aber auch die außerparlamentarische Komponente. Der Artikel stand unter der Überschrift: "Bundestag soll Irak-Krieg ablehnen". Darin hieß es:

Deutschland werde »keine militärische, finanzielle oder logistische Unterstützung« für eine US-Intervention im Irak geben und kein Territorium »für kriegsunterstützende oder begleitende Maßnahmen« zur Verfügung stellen – das ist der Kern eines Antrags, den die PDS-Fraktion in den Bundestag eingebracht hat. So schnell wie möglich, spätestens aber bei den Haushaltsberatungen des Parlaments am 12. und 13. September will die PDS darüber abstimmen lassen – unabhängig davon, ob ein UN-Mandat vorliegt.

Unter Anspielung auf die jüngsten US-kritischen Äußerungen von Bundeskanzler Schröder und Außenminister Fischer sagte PDS-Fraktionschef Roland Claus gestern, ohne das beharrliche Eintreten der PDS für zivile Konfliktlösungen« wäre es zu dem Sinneswandel womöglich nicht gekommen. Nun müssten die deutschen Spürpanzer aus Kuweit abgezogen, das Afghanistan-Mandat beendet und der NATO-Bündnisfall aufgehoben werden. Claus verwies darauf, dass die UN-Charta die Androhung von Gewalt untersagt. Insofern seien die Angriffsplanungen gegen den Irak, so Fraktionsvize Wolfgang Gehrcke, ein Fall für den noch zu schaffenden Internationalen Strafgerichtshof. Gehrcke verteidigte die Wahlkampfdebatten über das Thema. Die Öffentlichkeit habe ein Recht, vor der Bundestagswahl die Haltung der Parteien dazu zu kennen: Die Frage eines Irak-Krieges müsse »zu einer wahlentscheidenden Frage werden«.

Bestätigt fühlt sich die PDS durch eine neue Wählerinitiative. Bislang mehr als 150 Friedensaktivisten, Künstler und Sportler rufen zur Wahl der PDS wegen ihres friedenspolitischen Engagements auf. Zu den Erstunterzeichnern gehören die Schriftsteller Elfriede Brüning und Fritz-Rudolf Fries, die Schauspielerinnen Annekathrin Bürger und Inge Keller, der Bildhauer Alfred Hrdlicka, der Maler Walter Womacka, der Rocksänger Dirk Zöllner und der Sportler Peter Frenkel.

Unterdessen begrüßte der Bundesausschuss Friedensratschlag die ablehnende Haltung der Bundesregierung zu einer deutschen Kriegsteilnahme. Der Friedensratschlag rief die Regierung auf, alle deutschen Truppen aus der Krisenregion im Nahen Osten abzuziehen und die Nutzung militärischer Infrastruktur in Deutschland einschließlich der US-Militärflughäfen für einen Irak-Krieg zu verweigern.
(ND 13.08.02)

***

Auf einer dpa-Meldung beruhten Artikel, die in zahlreichen Zeitungen hier zu Lande am 13. August 2002 erschienen sind und sich mit der Kritik am US-Kriegskurs befassen. dpa bezog sich u.a. auch auf eine Presseerklärung, die der Bundesausschuss Friedensratschlag am 10. August zu dem Thema verabschiedet hatte (siehe "Krieg oder Frieden" - Das Wahlkampthema!). Als Beispiel zitieren wir aus dem "Trierer Volksfreund"("Schröder will NATO-Vorentscheidung zu Irak bis Ende September").

Berlin (dpa) - Die NATO-Verteidigungsminister müssen sich nach Auffassung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) Ende September auf ihrer Tagung in Warschau mit der Frage möglicher Militärschläge gegen den Irak befassen. Diese Einschätzung stimme mit der von Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) überein, sagte Schröder am Montag nach einer Präsidiumssitzung seiner Partei in Berlin. Struck habe nach einem Gespräch mit seiner französischen Amtskollegin deutlich gemacht, er könne sich kaum vorstellen, dass eine so wichtige Frage bei dem Treffen vom 23. bis 25. September in Warschau nicht besprochen werde.

In der «Frankfurter Rundschau» betonte Struck erneut die Eigenständigkeit Deutschlands in der Irak-Frage. «Wir sind nicht die Mündel der Vereinigten Staaten.» Er lehne eine deutsche Beteiligung an einem US-Angriff auf den Irak auch dann ab, wenn es dafür ein UN- Mandat geben sollte. «Selbst bei einem Beschluss des Sicherheitsrates sind wir keiner Automatik unterworfen», sagte Struck.

Medien hatten unter Berufung auf hohe Offiziere im Verteidigungsministerium und Diplomaten berichtet, eine Vorentscheidung zum Thema Irak stehe zunächst nicht auf der Tagesordnung des Warschauer Treffens. Schröder hatte am vergangenen Wochenende verlangt, dass die Irak-Diskussion nicht bis nach der Bundestagswahl aufgeschoben werden könne. Dabei schloss er eine Beteiligung Deutschlands an einem möglichen militärischen Angriff definitiv aus. «Das ist so und das bleibt so. Und davon ist nichts abzustreichen», sagte der Kanzler.

Außenminister Joschka Fischer (Grüne) warnte vor einer Schwächung der internationalen Anti-Terror-Koalition durch übereilte Entscheidungen gegen den Irak. Die Bedrohung sei zuletzt nicht akuter geworden, sagte Fischer der «Braunschweiger Zeitung». «Aus meiner Sicht haben sich die Fakten nicht verändert.» Nach wie vor habe der Kampf gegen den internationalen Terrorismus «oberste Priorität», sagte Fischer. Zur Kritik an den Vorbehalten zum US-Konfliktkurs gegen den Irak sagte Fischer, es bestehe für die Bundesregierung «gewiss keine Nachweispflicht mehr, was ihre Bündnisfähigkeit und ihren Bündniswillen» angehe.

Der Bundeswehrverband hält die Diskussion über eine Beteiligung der Bundeswehr an einem Einsatz im Irak für verfehlt. Bis jetzt habe sich der Sicherheitsrat der UN noch nicht mit der Sache befasst und daher auch noch keine Entscheidung getroffen, sagte der Verbandsvorsitzende Bernhard Gertz am Montag in Berlin. «Ein UN- Mandat ist die entscheidende Voraussetzung für ein Eingreifen im Irak», meinte er.

Die Friedensbewegung hat die ablehnende Haltung der Bundesregierung zu einer deutschen Teilnahme an einem Krieg gegen den Irak begrüßt. Das teilte der Bundesausschuss «Friedensratschlag» ein bundesweiter Zusammenschluss zahlreicher Friedensgruppen, am Montag nach einer Tagung in Kassel mit. Die Organisation rief die Regierung auf, alle deutschen Truppen aus der Krisenregion im Nahen Osten abzuziehen.
(Trierer Volksfreund, 13.08.2002).

Ähnliche bis gleichlautende Artikel erschienen am 13.08.2002 in folgenden Zeitungen (Auswahl):
Reutlinger Generalanzeiger, Gießener Anzeiger, Gelnhäuser Tagblatt, Fuldaer Zeitung, Heidenheimer Presse, Mittelbadische Presse, Leipziger Volkszeitung, Frankfurter Neue Presse, Pforzheimer Zeitung, Oberhessische Presse, Augsburger Allgemeine, Mannheimer Morgen, Westdeutsche Zeitung, Neue Ruhr Zeitung, Braunschweiger Zeitung, Thüringer Allgemeine, Hessische Allgemeine, Märkische Allgemeine, Ostthüringer Zeitung, Wolfsburger Nachrichten, Trierischer Volksfreund, Offenbach Post, Remscheider GA, Iserlohner Kreisanzeiger, Salzgitter-Zeitung, Schleswig-Holsteiner ZV.

Der TAZ, die sonst nicht immer freundlich mit der Friedensbewegung umgeht (obwohl sie ihr viel verdankt), ist die Erklärung des "Friedensratschlags" sogar eine gesonderte, wenn auch äußerst kurze Meldung wert:

FRIEDENSBEWEGUNG
Ablehnung begrüßt


Die Friedensbewegung hat die ablehnende Haltung der Bundesregierung zu einer deutschen Teilnahme an einem Krieg gegen den Irak begrüßt. Der Bundesausschuss Friedensratschlag rief die Regierung auf, alle deutschen Truppen aus der Krisenregion in Nahost abzuziehen. (dpa)
(taz, 13.08.2002)

***

Der Zufall wollte es, dass am 12. und 13. August zu demselben Thema auch zwei längere Leserbriefe in der Frankfurter Rundschau erschienen, die wir im Folgenden dokumentieren.

Außen- und Sicherheitspolitik ins Zentrum der politischen Auseinandersetzung rücken

Zu dem Kommentar Operation Taube (FR vom 5. August 2002): Mindestens ebenso überraschend wie die außenpolitische Wende der Bundesregierung in der Irak-Kriegs-Frage kommt die Reaktion der Medien darauf. Da ist die Rede davon, dass die Regierungskoalition, um aus ihrer demoskopischen Tallage herauszukommen, "Kriegsängste" zu schüren beginne und den Wahlkampf mit der Kriegsfrage "emotionalisieren" wolle, anstatt wie gewohnt solche sensiblen Fragen "hinter verschlossenen Türen" zu verhandeln.

Immanuel Kant hat vor über zweihundert Jahren in seiner Schrift Vom ewigen Frieden einen großen Teil seiner Hoffnung auf eine gedeihliche Entwicklung des Menschengeschlechts auf die innere Verfassung der Staaten gelegt: "Republikanisch" sollten sie sein und somit den Bürgern demokratischen Einfluss auf die Außenpolitik sichern. Denn das Volk, zumal das aufgeklärte Bürgertum, sei am Frieden und nicht an Kabinetts- und sonstigen Kriegen interessiert.

In der neueren Friedens- und Konfliktforschung wird seit geraumer Zeit über die Theorie des "demokratischen Friedens" diskutiert, eine Theorie, die im Anschluss an Kant den westlich geprägten demokratischen Staaten eine besondere "Friedensfähigkeit" zuschreibt, die sich aus der Modernität ihrer differenzierten, zur Affektkontrolle neigenden Gesellschaften und aus ihrer zivilisatorischen Überlegenheit gegenüber autoritären und "totalitären" Regimen ableiten lasse.

Nun kommt es mir nicht darauf an, die möglichen Schwachpunkte dieser Theorie vom demokratischen Frieden aufzuzeigen (so haben etwa die Musterdemokratien Großbritannien, USA und Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg am häufigsten Krieg geführt!). Wichtig ist mir jedoch der Gedanke, dass in einer so wesentlichen Frage wie der nach Krieg oder Frieden der Bevölkerung das Recht eingeräumt werden muss, in eine öffentliche Diskussion einzutreten und eine anstehende Entscheidung demokratisch mitzubestimmen. Ohne das Instrument der Volksabstimmung bleibt die Wahlbevölkerung auf das richtige Abstimmungsverhalten der Abgeordneten verwiesen.

Wir haben sowohl beim Jugoslawien-Krieg als auch bei der deutschen Beteiligung an der US-Operation Enduring Freedom erlebt, dass die Kluft zwischen der Volksvertretung und dem Wahlvolk unerträglich groß geworden ist: Eine 94-prozentige Kriegszustimmung im Bundestag konnte sich nur auf etwa die Hälfte der Bevölkerung stützen.

Der augenblickliche Wahlkampf, in dem die Bevölkerung wenigstens theoretisch die Möglichkeit hat, die Kandidatinnen und Kandidaten auf politisch-inhaltliche Profile zu befragen und ihnen die eigenen Sorgen und Wünsche mit auf den Weg nach Berlin zu geben, könnte sich geradezu als ein Glücksfall für die parlamentarische Demokratie erweisen. Dann nämlich, wenn es gelänge, die Außen- und Sicherheitspolitik ins Zentrum der politischen Auseinandersetzung zu rücken.

Die Befürwortung oder Ablehnung des angekündigten US-Kriegs gegen Irak ist dabei die entscheidende Testfrage. Ob sich Rot-Grün, denen in der Wahl alle Felle davonzuschwimmen drohten, nur aus taktischen Gründen gegen den Irak-Krieg aussprechen (laut Umfragen lehnen bis zu 80 Prozent der Bevölkerung den Krieg ab), wird sich noch zeigen. Es wäre aber tröstlich und gut für die Demokratie, wenn es bei der Septemberwahl gelänge, die Zahl der Kriegsgegner über den Kreis der PDS-Fraktion und weniger Abgeordneter anderer Fraktionen hinaus stark zu vergrößern. Auf dass sich der Wille des "Volkssouveräns" im Parlament deutlicher spiegle!

Dr. Peter Strutynski, Kassel
(FR, 12.08.2002)


Norman Mailer: Darüber nachdenken, warum die uns so hassen

Zu dem Kommentar Operation Taube unddem Bericht Bundeskanzler warnt USA vor Angriff auf Irak (FR vom 5. August 2002): Es ist im Grunde doch müßig, darüber Worte zu verlieren, ob wir bei einem eventuellen Angriff der USA auf den Irak dabei oder nicht dabei sind, und auch der Parteienstreit darüber ist, wie der Kommentator richtigerweise feststellt, fragwürdiges Wahlkampfgetöse: Denn wir sind in jedem Fall dabei. Da sind zum Beispiel die im benachbarten Kuwait stationierten ABC-Abwehr-Panzer, kaum anzunehmen, dass sie im Konfliktfall außen vor bleiben werden. Da sind aber vor allem die zahlreichen Militärbasen des großen amerikanischen Verbündeten in unserem Land (Stichwort: Ramstein!), so dass wir zumindest infrastrukturelle beziehungsweise logistische Unterstützung bei einem möglichen Angriffskrieg leisten werden. Es sei denn, wir beginnen endlich die Diskussion darüber, ob diese Militärbasen eigentlich sein müssen. Solange sich daran nämlich nichts ändert, werden wir immer dabei sein, egal ob Irak, Somalia, Sudan oder in welcher Weltgegend auch immer.

Außerhalb des amerikanischen Staatsgebietes sind in keinem anderen Land so viele GIs stationiert wie bei uns, nach meinem Kenntnisstand insgesamt knapp 70 000 (in Worten: siebzigtausend). Und ein Ende ist keineswegs abzusehen; ganz im Gegenteil. Vor kurzem war in der lokalen Presse zu lesen, dass die Amerikaner planen, ihre über das Stadtgebiet verteilten Einrichtungen in Heidelberg aus Sicherheitsgründen an einer Stelle zwischen Heidelberg und Schwetzingen zu konzentrieren. Dabei handele es sich aber um ein "Konzept im Frühstadium, das in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren verwirklicht werden würde".

Wäre es demgegenüber nicht viel mehr angebracht, darüber nachzudenken, längstens in dem angesprochenen Zeitraum nach Hause zu gehen? Daran scheint man aber überhaupt keinen Gedanken zu verschwenden; ich gewinne unwillkürlich den Eindruck, dass es sowohl für Amerikaner wie für Deutsche die selbstverständlichste Sache ist, dass sich amerikanische Militärs auf Dauer hier einrichten. Aus amerikanischer Sicht macht das natürlich sehr viel Sinn. Mit ihrem im Namen des Kampfes für die Freiheit über die ganze Erde gespannten Netz von Militärbasen lassen sich die Weltmachtansprüche natürlich leichter aufrechterhalten als ohne dasselbe. Nicht überall, wo Freiheit darauf steht, ist aber bekanntlich auch Freiheit drin. Und was uns Deutsche angeht, so sollten wir dem sich immer stärker aufdrängenden Eindruck entgegenwirken, eine amerikanische Kolonie zu sein.

Ich bin mir bewusst, dass ich mit dieser Sicht der Dinge natürlich unweigerlich Gefahr laufe, in die Schublade "Anti-Amerikanismus" einsortiert zu werden. Deshalb dazu noch die Anmerkung: Die Amerikaner haben das unbestreitbare Verdienst, mir geholfen zu haben, uns und die Welt von der Nazi-Tyrannei zu befreien, nachdem wir nicht fähig waren, das selbst zu besorgen. Dafür Dank und Respekt, aber jetzt, fast sechzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges und knapp eineinhalb Jahrzehnte nach Ende des Ost-West-Konfliktes, könnte man daran denken, nach Hause zu gehen anstatt, wenn auch im "Frühstadium", die hiesige Anwesenheit für weitere Jahrzehnte zu planen.

Denn auch der von Präsident Bush ausgerufene "Kreuzzug" gegen den Terrorismus und die Schurkenstaaten gibt keinen akzeptablen Grund ab, sich auf Dauer hier einzurichten.

Stattdessen sei daran erinnert, was der amerikanische Schriftsteller Norman Mailer seinen Landsleuten nach dem 11. September zu bedenken gab; ich zitiere sinngemäß: "Wir sollten mal darüber nachdenken, warum die uns so hassen?" . . . Das wär's!

Oskar Faus, Dudenhofen
(FR, 13.08.2002)


Zurück zur Seite "Stimmen gegen den Krieg"

Zur Irak-Seite

Zurück zur Homepage