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PDS: Verhindert den Krieg gegen den Irak! Deutsche Bischöfe: "Kriegsverhütung und Abrüstung müssen Ziele der Irak-Politik bleiben"

Dokumentation: Aufruf des Geraer Parteitages der PDS - Erklärung der Herbstkonferenz der Bischöfe

Über den PDS-Parteitag nach der Bundestagswahl 2002 ist viel, sehr viel geschrieben worden. Uns interessiert selbstverständlich die Haltung der PDS zur Außen- und Sicherheitspolitik. Hierzu verabschiedete der Parteitag eine Erklärung zu den bevorstehenden Aktionen der Friedensbewegung, die ganz in der Tradition der Partei und der Fraktion der letzten Jahre steht. Wir dokumentieren den Text im Wortlaut (und ein Dank an Sybille für die Übermittlung!).

Zwei Wochen zuvor trafen sich die deutschen katholischen Bischöfe in Fulda zu ihrer Herbst-Vollversammlung. Auch sie diskutierten über die bedrohliche Weltlage und verabschiedeten eine Erklärung zum Irak-Konflikt, den wir auf dieser Seite weiter unten dokumentieren. Es ist eine ebenso eindeutige Absage an die militärische Drohpolitik der Vereinigten Staaten.


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1. Tagung des 8. Parteitages (12. und 13. Oktober, Gera)

Verhindert den Krieg gegen den Irak! - Aufruf des Geraer Parteitages der PDS



Krieg steht bevor! Die Bush-Administration ist entschlossen, um jeden Preis einen großen Militärschlag gegen den Irak zu führen. Die Beseitigung irakischer Massenvernichtungswaffen, ein Regimewechsel in Bagdad werden dafür ins Feld geführt. Kein Wort davon, dass die USA den irakischen Diktator Saddam Hussein einst selbst aufgebaut und bewaffnet haben. Kein Nachweis dafür, dass der Irak noch Massenvernichtungswaffen besitzt. Die Einreise der UNO-Inspektoren, die das herausfinden könnten, wird von den USA verzögert.

Mit Krieg kann man weder Abrüstung erreichen, noch Menschenrechte wirksam schützen, die das Regime in der Tat schwer verletzt. Krieg ist das Ende aller Menschenrechte. Demokratie kann sich nicht im Bombenhagel entfalten bzw. mit Waffengewalt erzwungen werden. Nach jedem Krieg im Nahen und Mittleren Osten wurde weiter aufgerüstet.

Den USA geht es um die Kontrolle über das Erdöl der Region, um eine von ihnen beherrschte Weltordnung. Die UNO soll ausgeschaltet oder höchstens als Feigenblatt für bereits feststehende Angriffspläne missbraucht werden. Dass ein US-Präsident ein Recht auf Präventivkrieg erklärt, ist ein Frontalangriff gegen das geltende Völkerrecht. Für die USA-Politik ist es nach eigenen Erklärungen nur eine Frage der Taktik, ob sie sich dabei auf von ihr durchgesetzte Sicherheitsratsbeschlüsse stützt oder nicht. Auch vom UNO-Sicherheitsrat mandatierte Krieg tragen unter diesen Umständen den Stempel der USA-Weltstrategie und werden deshalb von der PDS abgelehnt.

Angesichts dieser bedrohlichen Lage appelliert der Geraer Parteitag an die Mitglieder, die Sympathisantinnen und Sympathisanten der PDS, an alle Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik, ihren Widerstand gegen die Kriegspolitik der US-Regierung lautstark und nachdrücklich zu artikulieren. Unsere Position in kein Antiamerikanismus. Vielmehr ist sie bestimmt von der Sorge um das künftige friedliche Zusammenleben der Staaten und Völker – in ihrem Umgang miteinander darf es für militärische Gewalt keinen Platz geben.

Eine Mehrheit der Menschen in unserem Lande ist gegen diesen Krieg. Das ist auch ein Ergebnis unseres beharrlichen Protestes seit dem ersten Golfkrieg. Wir rufen Euch auf:
  • Beteiligt Euch in großer Zahl an Demonstrationen und anderen Aktionen der Friedensbewegung! Wir unterstützen die Manifestationen am 26. Oktober 2002, dem Global Action Day der internationalen Friedenskräfte. Sie sind eine wichtige Gelegenheit für aktiven Protest!
  • Prangert auf Veranstaltungen, in Publikationen, in Gesprächen mit den Bürgerinnen und Bürgern die US-Kriegspläne an! Sorgt mit dafür, dass sich die deutsche Öffentlichkeit viel deutlicher gegen den Krieg ausspricht, dass sie der anderer europäischer Länder und der USA nicht nachsteht!
  • Verstärkt den öffentlichen Druck auf die Bundesregierung, damit aus ihrem Nein zur deutschen Beteiligung ein generelles Nein zu diesem Krieg wird! Prüfstein ist ihr praktisches Handeln. Wir bleiben bei unseren Forderungen: Rückzug aller deutschen Soldaten und Waffen vom Golf! Keine Nutzung deutschen Staatsgebietes für Kriegshandlungen!
Die Delegierten des Parteitages erklären, dass sie alles tun werden, um die Antikriegshaltung der PDS weiter zu profilieren – als aktive Friedenspolitik unter den Bedingungen und Herausforderungen voranschreitender Globalisierung. Auf die unverwechselbare Stimme der Partei des Demokratischen Sozialismus in der Frage von Krieg und Frieden kommt es auch in Zukunft an!

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Aus dem Pressebericht
des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann,
im Anschluss an die Herbst-Vollversammlung in Fulda vom 23. bis 26. September 2002

VI. Weltkirchliche Fragen

1. Zur Situation im Mittleren Osten: "Kriegsverhütung und Abrüstung müssen Ziele der Irak-Politik bleiben"

Ausführlich haben wir uns mit der politischen Entwicklung während der vergangenen Wochen zum Krisengebiet Irak befasst. Wir wissen, dass sich der irakische Diktator Saddam Hussein seit 1998 weigert, den völkerrechtlich verbindlichen Resolutionen des Weltsicherheitsrates Folge zu leisten. Die Weltöffentlichkeit kann sich deshalb kein genaues Bild über die vermutete Produktion von Massenvernichtungswaffen im Irak machen. Diese Situation rechtfertigt ein entschiedenes Vorgehen der Staatengemeinschaft. Sie darf einem Gewaltherrscher wie Saddam Hussein bei etwaigen Aufrüstungsplänen mit atomaren, biologischen und chemischen Waffen nicht freie Hand lassen, und die Vereinten Nationen stehen in der Pflicht, ihren eigenen Beschlüssen Geltung zu verschaffen. Es ist deshalb zu begrüßen, dass der Irak wieder auf die Tagesordnung des Weltsicherheitsrates zurückgekehrt ist.

Als Bischöfe wollen wir uns jedoch nicht den Tagesaktualitäten zuwenden, die sich ständig verändern. Wohl aber sehen wir uns in der Pflicht, an einige Grundsätze der katholischen Friedensethik zu erinnern, wie wir sie in unserem Friedenswort "Gerechter Friede" niedergelegt haben.
  1. Der Krieg ist eines der schwerwiegendsten Übel und darf daher niemals zu einem gleichsam "normalen" Mittel der internationalen Politik werden. Nach katholischer Lehre kann die Anwendung von Gewalt überhaupt nur ethisch verantwortbar sein, wenn einem bewaffneten Angriff, einem Genozid oder dauerhaften und schwersten Menschenrechtsverletzungen anders nicht wirksam begegnet werden kann. Auch muss der militärische Einsatz Bestandteil eines umfassenden politischen Handlungskonzeptes sein, das die Herbeiführung eines gerechten Friedens zum Ziel hat. Die Beanspruchung eines Rechts zum "Präventivkrieg", der auf Verdacht und Vermutung hin erklärt würde, ist nicht zulässig.
  2. Die Rückkehr der Waffeninspektoren und die Zerstörung möglicher Massenvernichtungswaffen im Irak sind legitime Ziele der internationalen Gemeinschaft. Gemäß dem Völkerrecht stellt hingegen der Sturz einer von der Staatengemeinschaft anerkannten Regierung keinen Grund dar, der es rechtfertigen könnte, einen Krieg zu beginnen. Diesen Grundsatz zu verletzen oder zu unterlaufen bedeutete eine Infragestellung des völkerrechtlichen Gewaltverbots, das für die Stabilität des internationalen Staatensystems von zentraler Bedeutung ist.
  3. Alle Maßnahmen zur Durchsetzung der UNO-Resolutionen müssen von der legitimen völkerrechtlichen Autorität beschlossen werden. Alle Länder sind verpflichtet, die Entscheidungen der zuständigen Organe auch dann zu respektieren, wenn sie ihren eigenen Vorstellungen zuwiderlaufen.
  4. Bei der Entscheidung über einen möglichen Einsatz militärischer Mittel müssen stets auch die absehbaren unerwünschten Folgen berücksichtigt werden. Wir fragen daher: Würde ein Krieg gegen den Irak nicht aller Wahrscheinlichkeit nach eine Unzahl von zivilen Opfern fordern? Und droht er nicht, schwerwiegende politische Verwerfungen im gesamten Nahen und Mittleren Osten nach sich zu ziehen und die Ablehnung des Westens in der arabischen und muslimischen Welt zu vertiefen?
Vor diesem Hintergrund drängen wir nachdrücklich darauf, einen Krieg im Irak zu vermeiden. Die Politik des Drucks, der auf das Regime des Saddam Hussein ausgeübt werden muss, darf nicht so angelegt sein, dass sie unvermeidlich in einem Krieg endet. Gerade für den Nahen Osten gilt: Nicht die Vermehrung der Gewalt ist das Gebot der Stunde, sondern die Unterbrechung der Kette der Gewalt. Nur wenn alle Völker der Region den Eindruck gewinnen, dass ihre Interessen in den Machtzentren der internationalen Politik ernsthaft berücksichtigt werden, kann jenes Vertrauen wachsen, ohne das es keinen Frieden gibt.


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