Brief an Bundestagsabgeordnete: Lehnen Sie eine Kriegsbeteiligung ab!
Pressemitteilungen des Bundesausschusses Friedensratschlag und der DFG-VK zur Verlängerung des Mandats "Enduring Freedom"
Am Freitag, den 15. November 2002 entscheidet der Bundestag über die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Rahmen von "Enduring Freedom". (Vgl. hierzu den Entschließungsantrag der Regierungskoalition). Die vielen kritischen Stimmen aus dem außerparlamentarischen Raum gegen eine Verlängerung des Mandats werden wohl nicht gehört werden. Sie sollen aber wenigstens dokumentiert werden.
Im Folgenden dokumentieren wir daher -
eine Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag vom 14. November, die Bezug nimmt auf einen Brief, den der Bundesausschuss an alle Abgeordneten geschickt hat, und
-
eine Pressemitteilung der DFG-VK vom selben Tag.
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
Der Bundesausschuss Friedensratschlag hat sich gestern mit einem
Brief
an alle Bundestagsabgeordneten gewandt und ihnen empfohlen, den Antrag
der Regierungsfraktionen "zur Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter
deutscher Streitkräfte" im Rahmen von "Enduring Freedom" abzulehnen.
Aus Sicht der Friedensbewegung sprächen fünf gravierende Gründe gegen
eine weitere Beteiligung am US-geführten sog. "Krieg gegen den Terror":
Erstens habe es die Bundesregierung versäumt, den bisherigen
Kriegseinsatz zu bilanzieren und öffentlich darüber Rechenschaft
abzulegen, welche spezifischen Beiträge die Bundeswehr in Afghanistan,
Kuwait und vor den Küsten Afrikas und in der Golfregion geleistet hat.
Der Krieg könne keinesfalls, wie es die Regierung tut, als "Erfolg"
bewertet werden, da das wichtigste Kriegsziel, die Festnahme Bin Landens
und die Zerstörung von Al Qaida, nicht erreicht wurde. Dagegen schweigt
sich die Bundesregierung über die zivilen Opfer des Krieges beharrlich
aus.
Zweitens bedeute die Erneuerung des Mandats einen "Blankoscheck zum
permanenten Krieg". Dies sei nicht hinnehmbar, da inzwischen hinlänglich
bekannt ist, dass "Enduring Freedom" ein ganz "normaler", d.h.
"schmutziger Krieg" war und ist. Ein Krieg, in dessen Verlauf
unschuldige Zivilisten getötet, Infrastruktur zerstört, Ressourcen
vergeudet, das Kriegsvölkerrecht (Genfer Konventionen) missachtet und
Menschenrechte gröblich verletzt werden. Niemand kann heute noch
ernsthaft behaupten, dieser Krieg sei durch Art. 51 der UN-Charta (Recht
auf Selbstverteidigung) gedeckt.
Drittens müsste der Bundesregierung und den Parlamentariern bekannt
sein, dass der US-Krieg "Enduring Freedom" sich nicht auf Afghanistan
beschränkt, sondern einen "universellen Bezugsrahmen" hat. Auch der seit
Monaten vorbereitete Krieg gegen Irak ist im Verständnis der
US-Kriegführung Teil dieses "Anti-Terror-Feldzugs". Damit steht eine
Verlängerung des Mandats für "Enduring Freedom" in eklatantem
Widerspruch zum Versprechen der Regierungskoalition, sich nicht an einem
Krieg gegen Irak zu beteiligen. Wenn die Bundesregierung ihre Truppen in
der Golfregion weiter stationiert lässt (Füchse in Kuwait, Flotte im
Golf von Aden), läuft sie Gefahr, entweder direkt in den möglichen
Irak-Krieg hineingezogen zu werden oder indirekt Beihilfe zu diesem
Krieg zu leisten.
Viertens ist das Verbleiben des Kommandos Spezialkräfte in Afghanistan
ein besonderer Skandal. Nachdem 12 Monate keinerlei Auskunft über dessen
Operationen gegeben wurde, werde man den Verdacht nicht los, die
deutsche Eliteeinheit kämpfe außerhalb des Kriegsvölkerrechts. Es müsse
Schluss sein mit der Geheimniskrämerei um das KSK. Sollte das Parlament
kein Interesse an der Tätigkeit des KSK haben, dann haben wir es bei der
Entscheidung über die Kriegsverlängerung nicht nur mit einer
"Kriegsermächtigung" zu tun, sondern auch mit einer "Selbstentmachtung
des Parlaments".
Fünftens äußerte der Bundesausschuss Friedensratschlag die Hoffnung,
dass es im Bundestag doch noch mehr als nur eine Handvoll Abgeordnete
gibt, die am Freitag der Regierungsvorlage ihre Zustimmung verweigern.
Auch wenn man vor einem Jahr dem Einsatz zustimmte, sei es heute -
eingedenk des offensichtlichen Scheiterns des "kriegerischen" Weges -
"nicht ehrenrührig", nach zivilen Alternativen im Kampf gegen den Terror
Ausschau zu halten.
Den vollständigen
"Offenen Brief" an die Abgeordneten entnehmen Sie
bitte dem Anhang unten.
Kassel, den 14. November 2002
-PRESSEINFORMATION Nr. 36/02-
Bundestag entscheidet über „Enduring Freedom“-Mandat:
„KSK im Auftrag von Rot-Grün bei Killerkommandos bald dabei?“
Morgen früh steht im Bundestag die Verlängerung des Mandats für deutsche
Soldaten im Rahmen der sogenannten „Enduring Freedom“-Operation zur
Abstimmung. Wolfgang Menzel, Bundessprecher der Deutschen
Friedensgesellschaft (DFG-VK), appelliert an alle Abgeordneten, besonders
die der Friedensbewegung und dem Pazifismus nahestehenden, die Zustimmung zu
verweigern.
„Hier findet erneut ein Dammbruch in der deutschen Militärpolitik statt“,
warnt Menzel. Zum ersten Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte seien
bald deutsche Soldaten (hier die KSK-Sondereinheiten) unter eigenem Kommando
direkt im Kampfeinsatz. Unklar sei jedoch die Aufgabe der KSK Soldaten in
Afghanistan. „Haben sie etwa auch den Auftrag, mutmaßliche Al Qaida-Kämpfer
ohne Anklage und Gerichtsverhandlung in sogenannten ´außergerichtlichen
Tötungen´ zu liquidieren, dem Beispiel der CIA letzte Woche im Jemen
folgend?“, fragt sich Menzel. Wem Rechtsstaatlichkeit, Völkerrecht und
ethisch-moralische Grundsätze noch irgendetwas bedeute, der könne bei diesem
Risiko nur mit „Nein“ stimmen.
Der Antrag auf Verlängerung des Mandats umfasst nicht nur die
Bundeswehrsoldaten in Afghanistan, sondern soll auch weiterhin für die
Marineeinheiten am Horn von Afrika, für Sanitäts- und Nachschubspezialisten
sowie für die sechs ABC-Spürpanzer mit Besatzung in Kuwait gelten.
„Was passiert denn eigentlich mit den ABC-Panzern, wenn der Krieg im Irak
beginnen sollte“, fragt sich Menzel. Bei einer bedingungslosen
Mandatsanfrage, die dem Bundestag hier vorliegt, könnten diese deutschen
Soldaten sehr schnell in Kampfhandlungen verwickelt werden, warnt Menzel.
Zwar hatte Bundesverteidigungsminister Struck vor den Wahlen versprochen, in
einem solchen Fall die Soldaten sofort abzuziehen. Die derzeitigen
außenpolitischen Bemühungen der Bundesregierung zur Verbesserung des
Verhältnisses zur Bush-Administration lassen jedoch an diesem Versprechen
zweifeln, befürchtet Menzel. „Wer das Wahlversprechen von Rot-Grün, unter
keinen Umständen an einem Irakkrieg teilzunehmen, nicht schon kurz nach der
Wahl brechen will, kann auch hier nur mit ´Nein` stimmen“, so der DFG-VK
Bundessprecher.
Velbert, den 14.11.2002
Michael Gerhardt
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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