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Eine andere Welt unter Besatzung ist unmöglich

Von Marie-Dominique Vernhes*

Für die weltweite globalisierungskritische Bewegung ist der Widerstand gegen die Besatzung des Iraks Bestandteil der Ablehnung einer neuen WeltUnordnung und Bestandteil seines Einsetzens für eine gerechte, soziale und friedliche andere Welt. Ich werde auf Dokumente der Bewegung und insbesondere auf die Ergebnisse des letzten Weltsozialforums eingehen und zuletzt einiges zur Entwicklung der Antikriegsbewegung in Deutschland vorschlagen. Eine Bemerkung vorweg: Was ich ausführe, ist nicht eine offizielle Stellungnahme von ATTAC Deutschland, sondern meine persönliche.

I. Die Altermondialisten zum Irak-Krieg

Auf dem Europäischen Sozialforum Ende 2002 und auf dem Weltsozialform Anfang 2003 wurden weltweite Proteste gegen den geplanten Irak-Krieg verabredet. Am 15.Februar 2003 gingen 15 Millionen Menschen auf die Straße, ein noch nie da gewesenes Ereignis. Und doch griffen die USA und ihre Verbündete den Irak an. Diese bittere Erfahrung war zwei Monate später Gegenstand der Jakarta Konferenz, an der Antikriegs- und weitere Organisationen aus der ganzen Welt teilnahmen. Das Abschlussdokument dieser Konferenz ist aus zweierlei Hinsicht beachtenswert: Zum einen bekräftigt es das Zusammenwachsen der globalisierungskritischen mit der Antikriegsbewegung und benennt deren gemeinsamen Positionen. Zum anderen enthält es eine Reihe von Vorschlägen für die Bewegung gegen den Irak-Krieg.

"Wir sehen - heißt es in der Erklärung - die Invasion des Irak als einen Teil des in Gang befindlichen Wirtschaftskriegs gegen die Völker des Südens." "Wir widersetzen uns dem Krieg in all seinen Erscheinungsformen, ob er nun offen deklariert oder zwischen Staaten ist, ob er ein Krieg gegen soziale Bewegungen, ein wirtschaftlicher Krieg gegen die verarmten Völker der Welt ist oder ob es sich dabei um einen Krieg gegen die politische Aktivisten und Gegner der herrschenden Ordnung handelt.(...) Unsere Arbeit vernetzt sich mit den wachsenden sozialen Widerstandsbewegungen gegen die neoliberale Globalisierung, da wir sehen, dass der Krieg mit Gewehren und Bomben nur der blutigste Ausdruck der Vorherrschaft des Neoliberalismus und des Imperialismus ist."

Gegen diese Vorherrschaft des Neoliberalismus hatte Ramonet Ende 1997 in einem Editorial von Le Monde Diplomatique dazu aufgerufen: "Désarmez les marchés" = "Entwaffnet die Märkte". So begann ATTAC. Die Charta von ATTAC International enthält dementsprechend die Forderung nach Streichung der öffentlichen Schuld der Entwicklungsländer ohne Konditionen, lehnt Privatisierungen und Finanzspekulationen ab, schlägt u.a. eine Tobin-Steuer vor – entwickelt aber keine expliziten Forderungen gegen die militärische Herrschaft.

Im Jahr 2002 – der Krieg gegen Afghanistan war begonnen – stellt aber ATTAC Deutschland seine Tätigkeit auf drei Säulen. Eine davon lautet: "Attac ist Bestandteil der Antikriegs- und Friedensbewegung, denn eine gerechte Welt ist ohne Frieden nicht möglich." Bernard Cassen beschreibt die Entwicklung von ATTAC im Vorwort des Buchs "Das Imperium des permanenten Krieges - Die USA und die Globalisierung": "Die US-Strategie wirft für die globalisierungskritische Bewegung neue Fragen auf. Jahrelang hatte sich die Bewegung auf die Wirtschafts-, Finanz-, und Handelsbereiche, auf die Menschenrechte und auch auf die Themen Information und Kultur konzentriert. Seit dem 11. September und den Versuchen, die Bewegung wegen ihrer angeblichen Komplizenschaft mit dem "Terrorismus" zu kriminalisieren, ist sie dazu gezwungen, wenn sie sich in einem großen Wald nicht nur um einzelne Bäume kümmern will, ebenfalls Geopolitik zu betreiben. (...) Diese "Geopolitik" einer im übrigen heterogenen, ja sogar widersprüchlichen Bewegung entspricht einer grundlegenden Entwicklung. Sie verläuft nicht ohne Schwierigkeiten, denn es gibt keine automatische direkte Verbindung zwischen der massiven Ablehnung des Krieges durch die Völker und ihrer Zustimmung zu den Positionen der Bewegung gegen den Neoliberalismus. (...) Die Kontinuität und die Kohärenz zwischen dem "permanenten Krieg" und der Globalisierung unter der Leitung der USA bewusst zu machen, erfordert eine breite Aufklärungstätigkeit."

II. Wie kann die Antikriegsbewegung wieder in die Offensive gehen?

Auf der Jakarta Konferenz wurde die Forderung nach der Wiederherstellung der Souveränität des Irak bekräftigt. Einen großen Raum nehmen die Herstellung und Verstärkung der Beziehungen mit dem Volk und der zivilen Gesellschaft des Irak und die Unterstützung deren demokratischen Kräfte ein. Verabredet wurden allgemeine Kampagnen zur Abrüstung und zur Schließung der Militärbasen von ausländischen Truppen. Vorgeschlagen wurden auch weitere Aktionsformen, wie Kampagnen gegen die Kriegsprofiteure. Die Bewegung gegen den Irak-Krieg erlebte trotz dieser sinnvollen Vorschläge einen Rückgang. Ich möchte drei Gründe für diesen Rückgang benennen:

Falsche Erwartungen:

Arundhati Roy merkte an: "Farbenfrohe Demonstrationen und Wochenendmärsche sind ein kraftvoller Ausdruck, aber sie reichen nicht aus, einen Krieg zu verhindern. Kriege werden nur dann gestoppt werden, wenn SoldatInnen sich weigern zu kämpfen, wenn ArbeiterInnen sich weigern Waffen auf Schiffe und Flugzeuge zu verladen, wenn die Menschen die wirtschaftlichen Außenposten des Imperiums boykottieren, welche ihr Netz über den ganzen Globus geworfen haben. (...) Was massive Widerstandsbewegungen betrifft ist es so, dass noch so starke Medienpräsenz die Anteilnahme der Masse an der Basis nicht ersetzen kann. Es gibt einfach keine Alternative zu altmodischer, mühseliger, politischer Mobilisierung." (SiG 38). Sie machte auch den Vorschlag, weitere Aktionsformen zu entfalten und schlug insbesondere eine Kampagne gegen die Kriegsprofiteure Halliburton und Bechtel vor.

Entmutigung:

Die Kriegsmaschinerie erlebt man wie eine alles zermahlende Dampfwalze – denn die US-Regierung beachtet die weltweiten Proteste nicht, respektiert die internationalen Regeln nicht. Wallerstein mahnte vor zwei Jahren zur Weitsicht: "Die USA sind als Globalmacht seit den siebziger Jahren im Niedergang begriffen, und die Reaktionen der USA auf die terroristischen Angriffe haben diesen Niedergang lediglich beschleunigt."(SiG 19). Dass die USA auf längerer Sicht ein "Adler im Sturzflug" sind, macht deren jetzige politische Führung nicht minder gefährlich, aber gerade diese Einsicht in das mögliche Abgleiten in die Barbarei sollte mit verstärktem und klugem Engagement für die Bildung einer breiten Front gegen deren militärische Vorherrschaft und deren Negierung jeglicher internationalen Regeln beantwortet werden, und zwar mit der grundlegenden Zuversicht eines Walden Bello: "Obwohl Amerika nach rechts marschiert, vermag es nicht, den Rest der Welt mitzuziehen. Tatsächlich bewegt sich der Rest der Welt in die entgegengesetzte Richtung". Selbst Brezinski, den man wahrlich nicht als Pazifist und Altermondialist einschätzen kann, nimmt eine "politische aufgewachte Weltbevölkerung" wahr.(Freitag 9/05).

Unklarheiten bezüglich des irakischen Widerstands

"Nennen wir die Dinge beim Namen" sagt Walden Bello: "die Tatsache, dass ein großer Teil des Widerstands im Irak und in Palästina islamisch statt säkular motiviert ist, stört immer noch viele westliche Friedensaktivisten. (...) Was Fortschrittliche manchmal vergessen ist, dass die nationalen Befreiungsbewegungen sie nicht um eigentlich ideologische oder politische Unterstützung bitten. Was sie allerdings von der Außenwelt, von Fortschrittlichen wie unsereins, erwarten, ist internationaler Druck für den Rückzug einer illegitimen Besatzungsmacht, damit interne Kräfte den Spielraum haben, um eine wirklich nationale auf ihren eigenen, spezifischen Bedingungen beruhende Regierung zu bilden. (...) Das einzig Prinzip, das Bestand hat, ist: Bedingungsloser Rückzug der militärischen und politischen Kräfte der USA und der Koalition, und zwar sofort. Punkt." (SiG 39) Ich wiederhole: Bedingungsloser Rückzug. Damit wird kein Freibrief für jegliche Form des Widerstands ausgestellt, es wird auch kein Verbot ausgesprochen, sich über die verschiedenen Widerstandsgruppen und – Strömungen einen Urteil zu bilden. Nein, umgekehrt: In der Auseinandersetzung mit dem "Imperium des permanenten Krieges" müssen wir auch wissen, wer Verbündete sein kann.

Lasst mich noch einige Bemerkungen zur Frage des bewaffneten Widerstands sagen: Wer wird sich schon frohen Herzens dafür aussprechen? Wer wird wiederum mit Sicherheit sagen können, dass er nie sein sollte? Er ist international als Recht anerkannt, das ist heute früh ausführlich dargelegt worden. ATTAC Frankreich hat im Dezember 2002 zum bewaffneten Widerstand Position bezogen: "Selbst wenn die Entscheidung für den bewaffneten Kampf gefallen ist und dieser prinzipiell legitim ist, heißt dies dennoch nicht, dass dieser Kampf gegen das "Kriegsrecht" verstoßen darf. Die Menschenrechte sind für alle Konfliktparteien bindend, selbst wenn sie für eine gerechte Sache kämpfen." Es heißt darin weiter: "Im Namen der Ideale, für die wir eintreten, ist zuzustimmen, dass es ein "fundamentales Prinzip des internationalen humanitären Rechts ist, dass die Konfliktparteien unter allen Umständen einen Unterschied machen müssen zwischen Zivilpersonen und Kämpfern sowie zwischen zivilen Objekten und militärischen Zielen." Es lohnt sich sehr, den gesamten Beschluss der Vollversammlung von ATTAC Frankreich zu lesen, wir haben ihn in Sand im Getriebe Nr. 14 veröffentlicht. Nur die Menschen, die einer Unterdrückung erleiden, können sich für den bewaffneten Widerstand oder gegen ihn entscheiden.

Eins wissen WIR aber bestimmt: Haben die Herrschenden keine Waffen mehr bzw. keine Soldaten oder Söldnertruppen mehr, die diese Waffen tragen, dann wird auf jeden Fall jeglicher bewaffneter Widerstand überflüssig. Nun, lasst uns also wirksam gegen den Transport von Waffen und Soldaten aus den USA durch die Bundesrepublik in den Irak vorgehen.

III. Fünf Vorschläge zum Irak aus Porto Alegre, 2005

Auf dem Weltsozialforum in Porto Alegre in Januar fand eine große Antikriegsversammlung statt: In der Abschlusserklärung heißt es: "Angesichts der globalen Verurteilung dieses Krieges und der Unfähigkeit der Vereinigten Staaten, den Widerstand im Irak zu unterdrücken, stehen wir an einem kritischen Scheidepunkt, an dem es eine reale Möglichkeit gibt, den Krieg zu stoppen. Nun ist es Zeit für die Antikriegsbewegung, aktiv zu werden, statt sich zurückzuziehen. Es ist Zeit, die Proteste auf eine neue Stufe zu heben. Eine Niederlage für die von den USA angeführten Kräfte im Irak wird ein Sieg für alle sein, die sich weltweit US-Aggressionen ausgesetzt sehen."

Zum Irak wurden 5 Punkte vereinbart:

1. "Wir fordern einen sofortigen Rückzug der Besatzungstruppen und unterstützen alle Anstrengungen, sie nach Hause zu bringen. Wir unterstützen Bemühungen, die Soldaten, Kriegsdienstverweigerer und Familien von Militärs gegen den Krieg zu mobilisieren. Wir unterstützen die Kampagne gegen Rekrutierungen und verlangen politisches Asyl für Deserteure.

2. Wir unterstützen das Recht des irakischen Volkes, Widerstand gegen die Besatzung zu leisten, während wir das Töten unschuldiger Zivilisten verurteilen. Wir unterstützen die Anstrengungen, die ganze Bandbreite des zivilen, politischen und bewaffneten Widerstands im Irak zu verstehen, um so unsere Kampagne weiter zu stärken. Wir verpflichten uns, unsere Solidaritätsbeziehungen mit den Völkern des Nahen Ostens zu vertiefen.

3. Wir fordern die Schließung der amerikanischen Militärbasen auf der ganzen Welt und unterstützen Anstrengungen zur Abschaffung von Nuklearwaffen, der Ächtung des Waffenhandels und andere Schritte zur Demilitarisierung.

4. Wir unterstützen Anstrengungen, die wirtschaftliche Besatzung des Iraks durch große Firmen und internationale Finanzinstitutionen zu stoppen. Und wir werden unsere Kampagne gegen diese Kriegsprofiteure durch Boykotte und direkte Aktionen auf eine neue Stufe heben.

5. Wir rufen zu Protesten gegen Bush und seine Alliierten auf, wo immer sie sich zeigen mögen." (Der vollständige Text des Aufrufs ist in "Sand im Getriebe Nr 41 abgedruckt)

IV. Mainz: Tote Stadt, lebendiger Widerstand gegen Bush

Die Proteste gegen den Bush Besuch im Februar dieses Jahres drücken einen neuen Aufschwung der Friedensbewegung in Deutschland aus. Diesen Aufschwung zu sichern und zu verstärken sollte sich die globalisierungskritische Bewegung und die Friedensbewegung in den nächsten Monaten zur Aufgabe machen, denn "es ist nicht gut genug, Recht zu haben. Manchmal ist es wichtig, etwas zu gewinnen." (Arundhati Roy auf dem Weltsozialforum in Mumbai, zitiert in SiG 30) – so haben z.B. die Spanier es vor einem Jahr durchgesetzt, dass die spanischen Soldaten aus dem Irak abgezogen werden. Um erfolgreich zu sein ist ein Zusammengehen der verschiedenen Gruppen in Deutschland erforderlich, dies wurde in Mainz erreicht, ich stelle aber jetzt fest, dass sich gewichtige Gruppen von der Irak-Konferenz ferngehalten haben. Die noch vorhandene Zersplitterung – manchmal habe ich den Eindruck, ich müsste sogar sagen, die feindlichen und daher sehr kontraproduktiven Haltungen – sollten m. E. durch zweierlei überwunden werden können: Inhaltliche Debatten und Vereinbarung von gemeinsamen Aktionen.

Inhaltliche Debatten

Eine Debatte über die inhaltliche Ausrichtung der Antikriegs- und Friedensbewegung mit dem Ziel, gemeinsame Forderungen zu entwickeln, muss verstärkt werden.

In Anlehnung an der Antikriegserklärung auf dem WSF könnten es solche Forderungen sein:
  1. Recht der irakischen Bevölkerung auf Souveränität und Selbstbestimmung: Abzug der ausländischen Truppen aus dem Irak, aber auch keine NATO-Truppen in den Irak

  2. Keine direkte oder indirekte Unterstützung der US-Aggression durch die Bundesregierung und durch Firmen; Keine Rüstungsexporte; Rückholen der deutschen Truppen aus dem Ausland.
  3. Schließung aller US-Militärstützpunkte weltweit. Für Deutschland heißt es: Keine Überflugrechte für die Kriegseinsätze der USA; Schließung der britischen und US-Militärbasen, Unterstützung der Kriegsdienstverweigerer.
  4. Abschaffung aller Atomwaffen, also insbesondere Abzug der 150 US-Atombomben aus Deutschland und atomfreie Zone im gesamten Nahen Osten.
  5. Weg mit dem Aufrüstungsgebot der EU-Verfassung
Eine Debatte über das Selbstverständnis der Bewegung ist ebenfalls dringend notwendig, also eine Einschätzung der strategischen Lage wie auch der Widerstandformen gegen die Besatzung und der Haltung der Bewegung dazu. Zu dieser inhaltlichen Klärung leistet diese Irak-Konferenz einen Beitrag, es wird weitergehen müssen – sowohl in den einzelnen Städten als auch auf Bundesebene, auf einer breiteren Basis als heute.

Aktionen

Dazu 5 Vorschläge:
  1. Der Suchprozess zur Positionierung der verschiedenen Gruppen der Bewegung sollte parallel zu Vereinbarungen von gemeinsamen Aktionen laufen, die über die traditionellen Demonstrationen hinausgehen. Wir müssen Phantasie entwickeln, wie dieses starke "NEIN" zu der Besatzung des Iraks im Alltag ausgedrückt werden könnte. Zum Beispiel in der Richtung, dass wir die Proteste gegen die US-Militärbasen verstärken, dass wir bundesweit uns gegen die Kriegsprofiteure wenden, allgemein also Aktionen des zivilen Ungehorsams entfalten.
  2. So schwer es auch sein kann in Zeiten des Krieges sind mit Menschen in Irak Solidaritätsbeziehungen zur Unterstützung ihres Kampfes gegen die Besatzung aber auch zur schlichten Unterstützung des Alltagsüberlebens zu knüpfen.
  3. Wir sollten auch die Perspektive erweitern, also den Zusammenhang zwischen der neoliberalen Globalisierung und deren bewaffnetem Arm darlegen, und insbesondere eine auf Erdöl – und Erdgas - aufgebaute Wirtschaftsstruktur in Frage stellen. Wie wäre es mit einem Verweigern – durch Ausprobieren eines anderen Lebensstils (Mobil ohne Auto, Energiewende, sollen diese Themen etwa ausrangiert werden, nur weil die Grünen sich faktisch längst davon verabschiedet haben?)
  4. Wir sollten auch unsere Gegenöffentlichkeit verbessern. Dazu drei Bemerkungen:
    • Zum einen sollten wir die Wirklichkeit der Besatzung breit offen legen, das ist die stärkste Entgegnung zum Gerede von "Demokratie", "Freiheit" seitens der US-Regierung und hilft auch, das Zögern zu überwinden – denn so drängt sich die Frage auf: Sollten wir etwa wieder nur hinschauen, wenn Verbrechen an der Menschheit begangen werden? An erschütternden Berichten, Filmen, Bildern fehlt es leider nicht. Die Wirklichkeit des alltäglichen vielfältigen Widertands sollte ebenfalls dokumentiert werden. Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Medien durch die Gleichsetzung Anschläge gegen die Zivilbevölkerung = Widerstand hierzulande Unklarheiten, Unsicherheit und daher Apathie fördern. Wir werden uns dabei auf Augenzeugenberichten und auf einer differenzierten Beschreibung der Widerstandskräften stützen. Die Konferenz und vorher die Rundreise zweier irakischen Zeugen sind dafür Bausteine gewesen, ein Irak-Tribunal wäre ein weitere wichtiger Baustein.
    • Zum zweiten müssen wir auf die Qualität unserer Argumentation achten. Zwei Beispiele: Auf die Lügen der US-Regierung bezüglich der Massenvernichtungswaffen in Irak hinzuweisen, das ist im Sinne einer Schaffung einer breiten Front gut und wichtig. Nur: Selbst wenn dort Massenvernichtungswaffen gefunden worden wären, diese Funde hätten nicht die Aggression gerechtfertigt und rechtfertigen auch keine zukünftigen Aggressionen, z.B. im Fall vom Iran. Das müssen wir überzeugender entwickeln Zweites Beispiel: Die Enthüllungen über Folter. Selbstverständlich muss man alles tun, dass es aufhört, und diese Enthüllungen müssen unbedingt sein, die "Weltöffentlichkeit" darf sich nicht daran gewöhnen, dass tagtäglich die elementarsten Rechte missachtet werden. Weiter tragen solche Enthüllungen dazu bei, die noch vorhandene Zustimmung zu dem US-Krieg gegen den Irak zu erschüttern. Und das ist gut so. Aber: Selbst ohne direkte Folterhandlungen ist Krieg entsetzlich, das muss ins Zentrum unserer Protestschreie gestellt werden. Wir sollten also dafür sorgen, unsere Öffentlichkeitsarbeit noch genauer und überzeugender zu gestalten, um die Positionen der Kriegstreiber zu widerlegen aber auch auf die liberale Öffentlichkeit einzugehen.
    • Dazu ist schon eine ganze Menge geleistet werden, und damit bin ich bei der dritten Bemerkung. Die Öffentlichkeitsarbeit sollte besser koordiniert und viel mehr in die Breite gehen können – auch bei der Wahl der Medien (das muss nicht immer ein Flugblatt sein
  5. Mein fünfter Vorschlag: Ein Zusammengehen der verschiedenen Bewegungen suchen, fördern, z.B. auf Sozialforen aber auch jetzt am 19. März weltweit und in Brüssel. Die Demonstration in Mainz, die Umfrageergebnisse zu Bush II, der Rückzug der Truppen der Ukraine, Ungarns, der Niederlande, die scharfen und breiten Proteste in Italien zeigen, dass die Situation labil ist und unser Eingreifen zu einem wichtigen Faktor machen könnte. Wir können etwas tun – wir müssen etwas tun. Denn "Solidarität ist die schönste Blume der Menschheit." (R. Menchu)
* Marie-Dominique Vernhes, ATTAC, Redaktion von "Sand im Getriebe". Beitrag auf der Irak-Konferenz am 12.3.2005, am 15.3. überarbeitet


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