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Gezerre um den Nuklear-Deal

Inkrafttreten des Abkommens zwischen USA und Indien unsicher

Von Hilmar König, Delhi*

Drei Tage Verhandlungen in Delhi brachten noch keine Klarheit, ob ein Abkommen über die künftige Nuklearkooperation zwischen USA und Indien tatsächlich in Kraft treten wird.

Schon der Anfang war beschwerlich. Nur mit Mühe war das Abkommen über die künftige Nuklearkooperation zwischen USA und Indien zustande gekommen, das USA-Präsident George W. Bush bei seinem Indien-Besuch im März unterzeichnete. Nun muss der Kongress den »Deal«, wie das Abkommen seither genannt wird, absegnen. Viele Repräsentanten tun sich bisher jedoch mit ihrer Zustimmung schwer. Sie zu gewinnen war auch Absicht der gestern beendeten Gespräche in Delhi. Konkrete Ergebnisse lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor.

Die US-Amerikaner wollten angeblich eine Klausel einbringen, die ihnen erlaubt, ihre Kooperation sofort zu beenden, falls Indien neue Atomtests unternimmt. Diese Klausel sei notwendig für eine Gesetzesänderung, die erst eine Zustimmung im Kongress ermögliche. Dagegen wehrten sich die Inder mit Hinweis auf ihr Test-Moratorium. Die Zeit für das im Juli anvisierte Votum wird knapp. Nicht ausgeschlossen, dass das Abkommen noch platzt.

Die USA erklären sich darin bereit, Indien Kerntechnologie und Nuklearbrennstoff für das zivile Atomprogramm zu liefern, wenn Delhi klar zwischen militärischen und zivilen Anlagen trennt und den zivilen Bereich der Kontrolle der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) unterstellt.

Washington springt damit über seinen Schatten. Bislang verbot ein Gesetz jegliche nukleare Kooperation mit Staaten, die nicht zum Atomwaffensperrvertrag gehören. Das trifft auf Indien, Pakistan und Israel zu. Die USA sind gewillt, mit Indien eine Ausnahme zu machen, um das Land als Gegengewicht für den immer mächtiger werdenden chinesischen Rivalen aufzubauen.

Dadurch, so befürchten Kritiker in den USA, könnte der Atomwaffensperrvertrag ausgehöhlt werden. Zugleich mache sich Washington unglaubwürdig, da es gegenüber Iran und Nordkorea eine andere Linie fährt. Die Bush-Regierung kontert, dass Indien eine stabile Demokratie sei und sich bislang an die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen und entsprechender Technologie gehalten habe.

Ein einmütiges Ja zum Deal gibt es auch in Indien nicht. Opponenten glauben, Indien gerate in eine zu starke strategische Abhängigkeit von den USA. Sie warnen davor, sich vor den antichinesischen Karren spannen zu lassen. Sie vermuten zudem einen endgültigen Abschied von der ohnehin bereits aufgeweichten Politik der Blockfreiheit. Künftige IAEA-Kontrollen könnten die Souveränität des Landes zu sehr einschränken, kritisieren sie. Die Regierung hält dagegen, lediglich 14 der 22 Atom-anlagen würden für Inspektionen geöffnet, die Schnellen Brüter, Versuchsreaktoren der Typen FBTR und PFBR, ohnehin nicht kontrolliert. Die Öffentlichkeit begrüßt den durch den Deal zu erwartenden Impuls für die Entwicklung moderner Kernkraftwerke.

Die Bush-Regierung erwartet von Indien Vorleistungen, damit sie den Kongress von der Notwendigkeit des Abkommens überzeugen kann. Delhi argumentiert dagegen, es könne erst nach dem Votum in detaillierte Verhandlungen mit der IAEA eintreten. Ähnliches gelte für Gespräche mit der internationalen Nuklearen Zuliefergruppe, die von 40 EU- und anderen Staaten gebildet wird. Nukleare Exporte erlaubt sie nur in Länder, die dem Atomwaffensperrvertrag angehören und sich IAEA-Inspektionen unterwerfen. An deren Atomtechnologie für zivile Zwecke ist Indien brennend interessiert und hofft, dass auch die Zuliefergruppe – wie die USA – eine Ausnahme macht. Doch auch diese Frage ist offen.

* Aus: Neues Deutschland, 15. Juni 2006


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