Das Säbelrasseln geht weiter
Indien und Pakistan drohen einander
Von Jürgen Elsässer *
»Wir wollen keinen Krieg, aber wenn Krieg gegen uns geführt wird, sind wir vollständig darauf
vorbereitet», sagt der pakistanische Außenminister Shah Mahmood Qureshi.
Der pakistanische Regierungschef Yousaf Raza Gillani hat die Festnahme zweier Anführer der
islamistischen Organisation Lashkar-e-Taiba (LeT) bestätigt, die für die Anschläge in Mumbai
(Bombay) verantwortlich gemacht wird. Zaki-ur-Rehman Lakhwi und Zarar Shah seien in Haft,
erklärte Gillani am Mittwoch in Multan. Indischen Medienberichten zufolge hatte der einzige
überlebende Angreifer der Anschläge Lakhwi, den Führer der LeT, als Strategen des Blutbades von
Mumbai bezeichnet. Azhar, Chef der Terrorgruppe Jaish-e-Mohammad (JeM), wird anders als
Lakhwi nicht direkt für die Terrorangriffe verantwortlich gemacht, aber für zahlreiche andere
Anschläge in Indien.
Nach Überzeugung indischer Sicherheitskräfte soll JeM neben LeT den Angriff auf das Parlament in
Delhi Ende 2001 ausgeführt haben. Nach indischen Medienberichten plant die Regierung Schläge
gegen Trainingslager islamistischer Kämpfer in Pakistan, sollten die Nachbarn nicht selbst tätig
werden.
Pakistans Außenminister drohte für den Fall einer solchen Grenzüberschreitung mit Krieg: »Wir
wollen keinen Krieg, aber wir sind absolut bereit für den Fall, dass er uns aufgedrängt wird.« Derartig
drastische Worte hatte die Regierung in Islamabad nach der Anschlagsserie noch nicht verwendet.
Spuren, die sich nicht zur schnellen Schuldzuweisung an Pakistan eignen, werden in Indien nur am
Rande verfolgt. Darunter fällt etwa die Festnahme von Mukhtar Ahmed Sheikh am Freitag. Sheikh
hatte sich illegal SIM-Karten für Mobiltelefone besorgt und weiterverkauft. Einige waren »von
Terroristen verwendet worden, die an den Angriffen in Mumbai beteiligt waren«, hieß es in der
»Washington Post«. Unglaublich, was dann folgt: »Wie ein hochrangiger Polizeioffizier gegenüber
der Nachrichtenagentur AP aussagte, gehörte Sheikh zu einem halboffiziellen Antiterror-Netzwerk
und könnte auf einer Undercover-Mission gewesen sein.« Ein indischer Agent als Helfer
pakistanischer Terroristen?
Gänzlich aus den indischen Schlagzeilen verschwunden ist auch der indische Gangsterkönig
Ibrahim Dawood (ND, 4. Dezem- ber). Der als Drahtzieher der Mumbai-Anschläge von 1993 mit 300
Toten verurteilte Obermafioso hat, wie Osama bin Laden, wenigstens in den 80er Jahren mit den USGeheimdiensten
beim Krieg gegen die Sowjets in Afghanistan kooperiert.
Noch im März dieses Jahres beklagte sich L.K. Advani, ein hochrangiger Politiker der Hindupartei
BJP, dass die USA im Jahr 2002 »keinen Enthusiasmus« gezeigt hätten, als Delhi die Hilfe der
Supermacht verlangte, um die Auslieferung Dawoods aus Pakistan zu erreichen. Die Hongkonger
»Asia Times« berichtet, dass die Polizei von Mumbai bisher keine Stellungnahme abgegeben hat,
ob Dawood in die jüngste Terrorwelle verwickelt war. »Aber es gibt stillschweigende inoffizielle
Zustimmung von Polizeibeamten.«
Demnach stachen die Terroristen aus Karatschi, wo sich Dawood derzeit aufhalten soll, Ende
November mit dessen Schiff »MV Alpha« in See. Die CIA-Aufklärung soll auch am 18. November ein
Satellitengespräch abgehört haben, in dem LeT-Militärchef Yusuf Muzammil die Hilfe Dawoods bei
einem nicht näher beschriebenen »Transport nach Mumbai« ankündigte. Einer von Dawoods
Männern stellte ihnen dann für die Landung in Mumbai Schlauchboote zur Verfügung. Am 2.
Dezember soll die Polizei von Mumbai drei Beschäftigte der D-Company, Dawoods
Verbrechersyndikat, verhört haben. Über das Ergebnis der Einvernahme wurde nichts bekannt.
* Aus: Neues Deutschland, 11. Dezember 2008
Festnahmen in Pakistan
Angeblicher Chefplaner der Mumbai-Attentate wird verhört **
Die pakistanische Regierung ist knapp zwei Wochen nach der Terrorserie von Mumbai gegen
Terrorverdächtige vorgegangen. Zugleich warnte die Regierung in Islamabad die benachbarte
Atommacht Indien am Dienstag (9. Dez.) vor einem Krieg.
Multan (AFP/ND). Nach der Festnahme mutmaßlicher Drahtzieher der Anschlagsserie von Mumbai
(Bombay) hat Pakistan einer möglichen Auslieferung an Indien eine Absage erteilt. Die Verdächtigen
sollten in Pakistan vor Gericht gestellt werden, sagte der pakistanische Außenminister Shah
Mehmood Qureshi am Dienstag. Gleichzeitig drohte er Indien mit einem Krieg, sollte Delhi selbst
gegen islamistische Kämpfer auf pakistanischem Boden vorgehen. »Wir wollen keinen Krieg, aber
wir sind absolut bereit für den Fall, dass er uns aufgedrängt wird«, sagte Qureshi.
»Die Festnahmen sind im Rahmen unserer eigenen Ermittlungen erfolgt«, erklärte Qureshi in einer
Rede in Multan. Selbst wenn Indien Beweise für die Schuld der Terrorverdächtigen vorlege, werde
Pakistan sie nicht ausliefern. Die pakistanischen Behörden hatten seit Sonnabend insgesamt 16
Menschen aus dem Umfeld der islamistischen Organisation Lashkar-e-Taiba festgenommen, die von
Indien der Anschlagsplanung in Bombay beschuldigt wird.
Die pakistanischen Behörden verhörten am Dienstag den angeblichen Chefplaner der Anschläge
von Mumbai: Zaki-ur-Rehman Lakhvi, ein Führungsmitglied von Lashkar-e-Taiba, war ebenfalls am
Samstag in der zentralpakistanischen Provinz Punjab festgenommen worden, wie ein ranghoher
Vertreter der pakistanischen Sicherheitskräfte bestätigte. Indischen Medienberichten zufolge hatte
der einzige überlebende Angreifer der Anschläge von Bombay Lakhvi als Chefplaner bezeichnet. Bei
der Anschlagsserie waren Ende November amtlichen Angaben zufolge 172 Menschen ums Leben
gekommen, unter ihnen neun Angreifer.
Die radikalislamischen Rebellen kämpfen gegen die indische Herrschaft in Kaschmir, der zwischen
Pakistan und Indien umstrittenen Grenzregion, um die beide Atommächte bereits drei Kriege führten.
Lashkar-e-Taiba (»Armee der Frommen«), der Verbindungen zum pakistanischen Geheimdienst
nachgesagt werden, ist seit 2002 sowohl in Indien als auch in Pakistan verboten.
Indien hatte Pakistan eine Liste mit Verdächtigen ausgehändigt, deren Auslieferung es fordert.
Andernfalls drohte Delhi mit Vergeltungsmaßnahmen. Nach indischen Medienberichten plant die
Regierung eigene Schläge gegen Trainingslager von islamistischen Kämpfern in Pakistan, sollten
die Nachbarn nicht selbst tätig werden.
Pakistans Präsident Asif Ali Zardari erklärte unterdessen, die Anschläge von Bombay seien gegen
die indisch-pakistanischen Friedensbemühungen gerichtet gewesen.
** Aus: Neues Deutschland, 10. Dezember 2008
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