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Als Lokomotive

Russischer Präsident zum Staatsbesuch in Indien. Militärkooperation Herzstück wiederbelebter Freundschaft

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Rußlands Präsident trifft am heutigen Donnerstag (24. Januar 2007) zu seinem vierten offiziellen Besuch in Indien ein. Wladimir Putin hat sich als »Lokomotive« einen Namen gemacht, die die russisch-indischen Beziehungen aus dem Tief der 1990er Jahre herausgezogen hat.

Am Freitag wird der Besucher von der Moskwa als Ehrengast zum Tag der Republik Indien auf der Tribüne am Raj Path, der Magistrale von Neu-De­lhi, sitzen und der großen Festparade zuschauen. In deren militärischem Teil wird ihm gewiß Bekanntes auffallen, denn etwa 70 Prozent der Ausrüstungen der indischen Streitkräfte stammen aus sowjetisch-russischen Waffenfabriken, darunter Panzer, U-Boote, Fregatten, Antonow-Transportmaschinen, Hubschrauber, MiG-Kampfflugzeuge und Suchoi-Abfangjäger.

Als das »Herzstück« der wiederbelebten indo-russischen Kooperation könnte man den Militärsektor bezeichnen. Seit Wochenanfang tagt deshalb auch unter Leitung der beiden Verteidigungsminister die Interregierungskommission zur militärtechnischen Kooperation in Delhi. Sie befaßt sich mit der Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften beider Länder, der Lieferung von Verteidigungssystemen, Modernisierung von Ausrüstungen und Anlagen, Lizenz- und gemeinsamer Produktion und Entwicklung von Waffen.

Verteidigungsminister Sergej Iwanow, im Vorauskommando der Delegation aus Moskau, erklärte am Dienstag, es sei beabsichtigt, während des Putin-Besuchs spezifische Verträge zur Entwicklung eines Kampfflugzeuges der 5. Generation und zum Bau eines Mehrzwecktransportflugzeuges abzuschließen. Erstmals würde die Mig-35, der modernste russische Jäger, heimatliches Gebiet verlassen und im Februar an der internationalen Flugschau im indischen Bangaluru teilnehmen. Indien soll am Kauf von 126 MiG-35 interessiert sein. Iwanow deutete an, das »superbe Triebwerk« könnte von der Hindustan Aeronautics Ltd. gebaut und gewartet werden. Indien sei auch das einzige Land, dem Moskau gestattet, sich an der Entwicklung von »Glonass« (Globales Satelliten-Navigationssystem), der russischen Antwort auf das US-amerikanische GPS, zu beteiligen.

Andere Felder von gegenseitigem Interesse sind die Raumfahrt, die Erkundung und Förderung von Erdgas- und Erdölquellen, Informationstechnologie und die Nutzung von Nuklearenergie für friedliche Zwecke. Im Süden Indiens in Koodankulam ist ein Atomkraftwerk im Bau. Dessen Erweiterung um zwei Reaktoren könnte Thema der Gespräche zwischen Premier Manmohan Singh und Wladimir Putin sein.

In den bilateralen Beziehungen gibt es eine unübersehbare Schwachstelle –den Handel. Trotz immer wieder bekundeter Absicht, hier einen Durchbruch zu schaffen, haben beide Seiten das Potential bislang nur angekratzt. Mitte der 90er Jahre lag das Handelsvolumen bei 1,5 Milliarden Dollar, 2006 erreichte es 2,7 Milliarden Dollar. Im Gegensatz dazu beläuft sich Indiens Handel mit China auf rund 18 Milliarden und das zwischen Moskau und Peking gar auf über 36 Milliarden Dollar. Das Ziel bis 2010 im indo-russischen Handel sind nun zehn Milliarden Dollar.

Sein deutliches Engagement für die Wiederbelebung der eigentlich traditionellen Freundschaft zwischen Rußland und Indien begründet Putin mit der »Übereinstimmung von langfristigen nationalen und geopolitischen Interessen« zwischen beiden Staaten. »Frei von ideologischem Ballast« trete man heute gemeinsam für eine multipolare Welt, die Förderung von Multilateralismus, Demokratisierung internationaler Beziehungen und eine neue Weltordnung ein. Putins beharrliches Bemühen fruchtete 2005 auch in der Institutionalisierung des Dialogs Moskau-Delhi-Peking, ein vorsichtig etabliertes Gegengewicht zum Weltgendarmen USA.

* Aus: junge Welt, 25. Januar 2007

Aktuelle Meldungen der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti zum Staatsbesuch

Russland und Indien bewerten militärtechnische Zusammenarbeit positiv

NEU DELHI, 25. Januar (RIA Novosti). In der gemeinsamen Erklärung, die im Ergebnis des Indien-Besuches des russischen Präsidenten angenommen worden ist, wird unter anderem die militärische und militärtechnische Zusammenarbeit beider Länder hervorgehoben.

Russland und Indien betonen, dass sich das gegenseitig vorteilhafte Zusammenwirken im militärischen Bereich von den Beziehungen im Format „Käufer-Verkäufer“ zu gemeinsamen Forschungen und wissenschaftlichen Ausarbeitungen, der Koproduktion und der Markterschließung, zu regelmäßigen interministeriellen Kontakten und zur Durchführung der gemeinsamen militärischen Übungen stabil entwickelt, heißt es in der Erklärung. Nach Meinung der Seiten ist das russisch-indische Joint Venture für die Produktion von Brahmos-Raketen, das sich erweitert und den Weg für andere solche Gemeinschaftsprojekte öffnet, ein markantes Beispiel für die Nutzung des gemeinsamen Potentials der Zusammenarbeit in High-Tech-Branchen.

„Die Seiten betonen mit Genugtuung eine prinzipielle Entscheidung über die gemeinsame Entwicklung eines Mehrzweck-Transportflugzeuges“, heißt es in der Erklärung. „Die militärtechnische Zusammenarbeit zwischen Russland und Indien ist eine der Grundlagen der strategischen Partnerschaft“, wird in der Erklärung unterstrichen.

Die beiden Staatschefs verwiesen auch darauf, dass der konsequente Ausbau der traditionell wichtigen Zusammenarbeit bei der Weltraumforschung zu friedlichen Zwecken auf einem tiefen gegenseitigen Vertrauen und den umfassenden Möglichkeiten beider Länder auf diesem Gebiet beruhe.
„In diesem Zusammenhang begrüßen die Seiten die Unterzeichnung der bilateralen Zusatzabkommen über eine gemeinsame umfassende Zusammenarbeit im Rahmen des russischen Navigationssatellitensystems GLONASS“, heißt es in der Erklärung.

Präsidenten von Russland und Indien wegen Verschlechterung der Situation im Irak besorgt

NEU DELHI, 25. Januar (RIA Novosti). Russland und Indien sind wegen der ständigen Verschlechterung der Situation im Irak besorgt. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung zu den Ergebnissen des offiziellen Besuchs des russischen Präsidenten in Indien hervor.

„Sie (Moskau und Delhi) sind überzeugt, dass die Rückkehr dieses Landes zu Frieden, Stabilität und Fortschritt nur durch das Erreichen der nationalen Eintracht und Versöhnung, die Herstellung eines breiten inneren Dialogs unter Teilnahme aller ethnischen und konfessionellen Gruppen sowie politischen Kräfte der irakischen Gesellschaft möglich ist“, heißt es in der Erklärung.
Russland und Indien glauben, dass „die Entwicklung der Situation im Irak die Notwendigkeit kollektiver internationaler Bemühungen bestätigt, die auf die Mitwirkung bei der möglichst baldigen Normalisierung der Situation in diesem Land gerichtet sind“.

Russland wirbt für Indien als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat

NEU DELHI, 25. Januar (RIA Novosti). Russland sieht Indien als würdigen Kandidaten für ein ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat, in dem derzeit fünf Länder vertreten sind. „Russland und Indien weisen auf die Notwendigkeit hin, die Struktur der UNO mit Blick auf die neuen Realitäten zu reformieren. In diesem Zusammenhang gibt die Russische Föderation nochmals bekannt, dass sie Indien für ein einflussreiches und wichtiges Mitglied der internationalen Gesellschaft hält“, heißt es in einer gemeinsamen abschließenden Erklärung nach dem Putin-Besuch in Indien.
In dem Dokument heißt es, dass Russland Indien als würdigen und starken Kandidaten für die ständige Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsreit unterstütze.

Indien ist auf langfristige Zusammenarbeit mit Russland in der Kernenergetik eingestellt

NEU DELHI, 25. Januar (RIA Novosti). Indien ist Russland dankbar für seine Hilfe bei der Aufhebung der Schranken für die Entwicklung der Kernenergetik, erklärte der indische Ministerpräsident Manmohan Singh.
„Die Energiesicherheit ist der Hauptbereich unserer neuen strategischen Partnerschaft. Die Position Russlands als Spitzenreiter auf dem Gebiet der Energetik wird weltweit anerkannt“, sagte der Ministerpräsident auf einer Pressekonferenz nach den Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten. Ihm zufolge „wartet Indien mit Ungeduld auf die langfristige Partnerschaft mit Russland in diesem Bereich“.
„Wir sind Russland dankbar für die Hilfe beim Ausbau unseres Sektors der Kernenergetik“, sagte der Ministerpräsident und bemerkte, dass die heutige Unterzeichnung des Dokumentes über den Bau von vier zusätzlichen Energieblöcken im KKW Kudankulam durch Russland ein praktischer Ausdruck dieser Hilfe sei. Russische Fachkräfte errichten dort bereits zwei Energieblöcke.

Indien und Russland sind ideale Verbündete - „Gaseta“

MOSKAU, 25. Januar (RIA Novosti). Der russische Präsident Wladimir Putin beginnt am heutigen Donnerstag seinen Indien-Besuch. Die zur Unterzeichnung vorbereiteten Abkommen könnten eine neue Ära in den Beziehungen zwischen Russland und Indien einleiten, schreibt die Tageszeitung „Gaseta“ am Donnerstag.
Wie die indische Seite bestätigte, könnten zusätzlich 347 Panzer des Typs T-90, 44 Jagdflugzeuge vom Typ Su-30MKI und 80 Hubschrauber des Typs Mi-17 gekauft werden. Außerdem wurde ein Vertrag über die Lizenzproduktion von Flugzeugtriebwerken vom Typ RD-33 dritter Serie für die MiG-29-Jäger unterzeichnet. Nach Angaben des Zentrums für Strategien- und Technologienanalyse (ZSTA) bedeutet das eine Steigerung des russischen Exports von mindestens 4,5 Milliarden US-Dollar.

Das Wichtigste dabei: Russland hat mit Indien die Gemeinschaftsproduktion eines Mehrzweck-Transportflugzeugs und eines Jagdflugzeugs der fünften Generation vereinbart.
„Sowohl China als auch Indien bleiben unsere wichtigsten strategischen Partner“, stellt ZSTA-Vizedirektor Konstantin Makijenko fest. Der Unterschied bestehe darin, dass die Bedeutung der indischen Käufe nicht in deren Mengen, sondern in deren Qualität besteht. „China zieht serienmäßige, getestete und nicht gerade besonders hochtechnologische Systeme vor, während Indien Rüstungen kauft, deren Entwicklung und Produktion die Obergrenze der technologischen Möglichkeiten Russlands repräsentiert“, meint Makijenko.

Alexander Chramtschichin, Leiter der analytischen Abteilung des Instituts für politische und militärische Analyse, fügt hinzu: „Indien ist ein idealer Verbündeter, während China der wichtigste Gegner ist, weil es reale Gründe für eine Expansion hat.“
Indien könnte auch zu einem Ort des Konkurrenzkampfes zwischen Russland und den USA werden. „Amerika sucht aktiv nach Kontakten mit Indien“, so Chramtschichin. „Sie wollen Indien für ihre antichinesische Front gewinnen“, stellt auch Makijenko fest. Insofern ist die Bedeutung der jüngsten russisch-indischen Vereinbarungen kaum zu überschätzen.




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