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"Vergeßt die G 8!"

The Hindu: Zeit für Gipfel Brasilien, China, Indien und Südafrika

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Kurz vor dem G-8-Treffen in Heiligendamm hält sich Brasiliens Staatspräsident Luis Inacio »Lula« da Silva zu einem dreitägigen offiziellen Besuch in Indien auf. Am Montag empfing ihn Premier Manmohan Singh zu Gesprächen und zur Unterzeichnung etlicher Abkommen.

Da Silva ist nach 2003 bereits zum zweiten Staatsbesuch während seiner Amtszeit in Indien. Premier Singh war erstmals im Jahre 2006 in Brasilien. Beide Seiten verbindet eine strategische Partnerschaft und die Zusammenarbeit mit Südafrika im sogenannten IBSA-Forum. Singh und da Silva reisen anschließend nach Heiligendamm, wo sie das G-8-Treffen sozusagen von der »Reservebank« aus verfolgen.

Daß sie sich wenige Tage vor diesem Ereignis zu einem umfassenden Meinungsaustausch in Delhi entschlossen haben, kommt nicht von ungefähr. Beide sehen ihre Staaten als mitbestimmend an bei der Schaffung einer neuen politischen und ökonomischen Weltordnung. »Lula« bemerkte in einem Beitrag für die indische Presse: »Es ist höchste Zeit, daß die aufstrebenden Nationen zu entscheidenden globalen Fragen gehört werden, wie zum Klimawandel, zu nachhaltiger Entwicklung, neuen und erneuerbaren Energiequellen und zur Finanzierung von Entwicklungsvorhaben.« Mit einer ungleichen Weltordnung konfrontiert, die sich unfähig zeigt, auf Entwicklungs- und Sicherheitsprobleme zu reagieren, würden Indien und Brasilien ihr Vertrauen in Multilateralismus und demokratischen Dialog bekräftigen und ihre entsprechenden internationalen Verantwortlichkeiten verstärkt wahrnehmen, äußerte der Präsident. Zum IBSA-Forum führte er aus, es markiere eine »Vision von neuer Weltarchitektur, die auf kollektiver Solidarität basiert«. Sie beziehe sich in erster Linie auf den Kampf gegen Hunger und Armut.

Am »Kontakttreffen« mit der G8 in Heiligendamm werden neben Indien und Brasilien auch China, Mexiko und Südafrika teilnehmen. Dabei wird es laut der indischen Zeitung The Hindu um Fragen gehen, die aus der Sicht der Industriestaaten lebenswichtig für die Zukunft der Menschheit sind. Diese bestimmten die Regeln, die Prioritäten und die Agenda des »globalen Spieles«. Das Problem sei, daß die Länder des Südens bislang aufeinander und auf die großen Fragen »durch die Brille des Nordens« schauen und somit dessen verdrehte Ansichten übernommen hätten. Langsam beginne sich das zu ändern. Das zeigten die Aktivitäten des IBSA-Forums, der trilaterale Kooperationsprozeß zwischen Indien, China und Rußland, Brasiliens Initiativen gegenüber Südamerika und Afrika sowie die Zusammenarbeit zwischen China und Indien sowie zwischen Brasilien und Indien. Vor diesem Hintergrund hält es The Hindu für sinnvoll, wenn Brasilien, Indien, China und Südafrika, anstatt wie Bittsteller vor den Portalen der G8 zu warten, ihre eigenen Gipfel ausrichten, um die Weltordnung effektiver zu transformieren. Das wäre allemal dem Streben nach Mitgliedschaft in einem »Klub von Mächten des vergangenen Jahrhunderts« vorzuziehen. »Vergeßt die G8!« Es sei Zeit für ein eigenes Gipfeltreffen, titelt das Blatt seinen Bericht.

* Aus: junge Welt, 5. Juni 2007


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