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Fragen nach Washingtons Rolle

Honduras: Wurde Zelaya über den US-Stützpunkt Palmerola ausgeflogen? Neoliberaler Präsidentschaftskandidat als Nutznießer von US-Aufträgen

Von André Scheer *

Die US-Luftwaffenbasis »José Enrique Soto Cano« in Palmerola war offenbar direkter in den Sturz des rechtmäßigen Präsidenten von Honduras, José Manuel Zelaya, am 28. Juni einbezogen, als bisher angenommen.. Darauf haben jetzt mehrere lateinamerikanische Staatschefs und hochrangige Vertreter der verfassungsmäßigen Regierung des mittelamerikanischen Landes hingewiesen.

Nach dem Überfall maskierter Soldaten auf die Präsidentenresidenz in Tegucigalpa war Zelaya aus dem Bett geholt und verschleppt worden. Auf dem internationalen Flughafen der Hauptstadt, Toncontín, wurde er in ein Flugzeug gesetzt und gegen seinen Willen nach Costa Rica geflogen. Wie Zelayas Vizeaußenministerin Patricia Valle am Sonntag informierte, landete die Maschine mit dem entführten Präsidenten an Bord unterwegs zum Auftanken in Palmerola, wo mehrere hundert US-Soldaten stationiert sind. Das beweise, daß Bürger der Vereinigten Staaten zumindest bis zu einer gewissen Ebene in den Putsch verwickelt seien.

Auch Venezuelas Präsident Hugo Chávez hatte am Sonntag in seiner wöchentlichen Fernsehsendung »Aló, Presidente« auf die Rolle der US-Basis in Honduras bei dem Staatsstreich hingewiesen. Der Befehl zum Putsch sei direkt vom Stützpunkt in Palmerola ausgegangen: »Der Befehl an die Militärs, auf der Jagd nach Zelaya mit Schüssen in die Präsidentenresidenz einzudringen, wurde in der Yankee-Basis in Honduras, Palmerola, erlassen, dort wurden alle Operationen durchgeführt.« Chávez rief deshalb US-Präsident Barack Obama auf, die nordamerikanischen Soldaten sowohl aus Palmerola wie auch aus Guantánamo abzuziehen. »Denken Sie einmal nach, Bruder, und seien Sie konsequent mit dem, was Sie bei Ihrer Rede in Trinidad und Tobago gesagt haben«, rief Chávez seinen nordamerikanischen Amtskollegen mit Blick auf den Amerika-Gipfel im vergangenen April auf.

Obama sei in einem »schrecklichen Labyrinth« gefangen. »Zelaya wurde von den Yankees gestürzt, und Obama versteht das nicht. Er müßte ein bißschen mehr lernen, er ist ja noch ein junger Mann«, erklärte Chávez und erinnerte daran, daß die US-Basis in der Vergangenheit als Ausgangsbasis für die Kriege der USA gegen das sandinistische Nicaragua und das Volk von El Salvador gedient habe.

Derweil setzt die US-Administration offenbar ihre Wirtschaftshilfe für Honduras fort, von der jetzt direkt die Putschisten profitieren. Wie der Informationsdienst Narco News berichtet, überwies die von US-Außenministerin Hillary Clinton geleitete »Millenium Challenge Corporation« (MCC) allein im Juli etwa 6,5 Millionen US-Dollar an Unternehmen in Honduras, mit denen offiziell der Straßenbau in dem zentralamerikanischen Land finanziert werden soll. Einer der Nutznießer ist ausgerechnet der frühere honduranische Vizepräsident und gegenwärtige Präsidentschaftskandidat der Liberalen Partei, Elvín Santos. Dieser gilt als eine der Schlüsselfiguren des Putsches, obwohl er selbst behauptet, mit den Ereignissen vom 28. Juni nichts zu tun gehabt zu haben. Vor dem Putsch hatte er sich jedoch der Kampagne gegen Zelaya angeschlossen und das Ziel, eine verfassunggebende Versammlung einzuberufen, als »Weg in die Diktatur« bezeichnet.

In Honduras selbst haben die in der Nationalen Front gegen den Staatsstreich zusammengeschlossenen Organisationen der Widerstandsbewegung am Sonntag erneut beschlossen, ihre Aktionen für die Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse im Land auch 50 Tage nach dem Putsch fortzusetzen. »Die Kräfte des Volkes kommen der Niederlage der Putschisten näher«, sagte der Gewerkschafter und Koordinator der Widerstandsbewegung, Juan Barahona. Für den kommenden Sonntag kündigte Barahona eine große Kulturveranstaltung unter dem Titel »Stimmen gegen den Putsch« an, an der Künstler aus Argentinien, Costa Rica, Nicaragua, Venezuela und Honduras selbst teilnehmen werden.

* Aus: junge Welt, 18. August 2009


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