Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Rüstungsgeschäfte bekommen Schlagseite

Griechenlands Probleme lösen in Berlin und Paris Alarmstufe I aus

Von René Heilig *

Während in Athen Streikende durch die Straßen ziehen und sogar Anhänger der Kommunisten von Polizisten beklatscht werden, lobte die deutsche Bundeskanzlerin das 4,8 Milliarden schwere griechische Sparpaket, wissend, dass davon auch so manche deutsche Firma betroffen sein wird. Beispiel: die Rüstungsindustrie.

Dass es Griechenland nicht gut geht, wusste man in Kiel schon seit Jahren. Und da lieg sie nun noch immer, die »Papanikolis«. Bestellt und nicht abgeholt. Das von den Howaldtswerke-Deutsche Werft gebaute Brennstoffzellen-U-Boot gehört zum Modernsten, was es in dieser Art gibt. 2004 wurde es getauft, nach ihr sollten bei der Hellenic Shipyard in Skaramagas drei Schwesterboote entstehen. Doch Ende 2006 kam es für die Werft, die zu Thyssen-Krupp gehört, »dicke«. Der Kahn habe technische Mängel, bekomme bei ganz normalen Manövern plötzlich 45 Grad Schlagseite. Nein, so nehme man das Boot nicht ab, sagten höchste Beamte der Athener Regierung.

Alles Quatsch, tönte es aus Kiel. Den Auftraggebern fehlt nur das Geld, um das »Spielzeug« zu bezahlen. Und weil das in der Tat so ist, kündigte man im vergangenen Herbst alle Verträge, einigte sich jedoch darauf, dass die drei »griechischen« Boote gebaut werden. Die »Papanikolis« sollte an einen Dritten veräußert werden. Was jedoch kaum möglich ist, denn jedes in Auftrag gegebene Schiff ist ein Unikat, folgt ganz speziellen Kundenwünschen.

Doch nicht nur der deutsche Schiffbau macht sich Sorgen um die »griechische Grippe«. Auch in der Luft wäre an Griechenland einiges zu verdienen. Als der deutsche Außenminister Guido Westerwelle jüngst in Athen war, hatte man ihm auch das Stichwort »Eurofighter« auf den Themenzettel geschrieben. Wie man weiß, geht es dem Rüstungsriesen EADS, an dem deutsche Aktionäre massiv beteiligt sind, nach einigen Pannen nicht besonders gut. Seit Jahren verhandelt man mit den Griechen über die Lieferung von 60 Kampfjets. Knapp fünf Milliarden Euro sollen die kosten, doch bislang liegt kein Auftrag vor.

Die Liste von tatsächlichen, möglichen und gewünschten Rüstungslieferungen lässt sich erweitern. Laut Sicherheitsinstitut SIPRI exportierte Deutschland zwischen 2004 und 2008 vor allem in zwei Länder, deren Rüstungsgier einander bedingt. Die Türkei steht mit 15,21 Prozent nur knapp vor Griechenland mit 12,86 Prozent.

So wie Angela Merkel sorgt sich auch Frankreich Präsident Sarkozy um eine baldige Genesung Griechenlands. »Ein Euro-Land darf nicht untergehen. Ansonsten hätte es keinen Sinn gehabt, den Euro einzuführen«, warnte er. Und auch Sarkozy hat handfeste Gründe, sich so »solidarisch« zu zeigen. Frankreich exportiert 12 Prozent seiner Rüstungsgüter nach Griechenland. Und wieder ist die auftragsarme Werftindustrie höchst interessiert an Verträgen. Es geht um sechs Fremm-Fregatten im Wert von 2,5 Milliarden Euro, die man für Griechenland bauen will. Athens Vizeverteidigungsminister Panos Beglitis hatte noch im Februar gesagt: »Wir werden den von der früheren Regierung geschlossenen Vertrag erfüllen.«

Griechenland kauft rund vier Prozent der Waffen und Rüstungen, die auf den Weltmarkt kommen. Das ist eine Rekordzahl für ein Land mit einer Bevölkerungszahl von elf Millionen. Aber in Paris wie in Berlin weiß man natürlich genau, dass die Sanierung des griechischen Haushalts ohne Eingriffe in den Verteidigungsetats undenkbar ist. Derzeit gibt Griechenland 4,3 Prozent der Wirtschaftsleistung für das Militär aus. Im vergangenen Jahr hatte das Land 3,16 Milliarden Euro für den Erwerb neuer Waffen bezahlt. Für 2010 sind 2,72 Milliarden Euro, für 2011 350 Millionen Euro und für 2012 nur 85 Millionen Euro geplant.

Doch weder Deutschland noch Frankreich wollen den Markt räumen, denn dann hätten andere Lieferländer noch leichteres Spiel. Zwar hat Russland auf maritimem Gebiet nichts anzubieten, doch mit S-300- und Tor-Raketen und BMP-3-Schützenpanzern ist man schon bestens im Geschäft.

* Aus: Neues Deutschland, 13. März 2010


Zurück zur Griechenland-Seite

Zur Rüstungs-/Rüstungsexport-Seite

Zurück zur Homepage