Sanfter Tourismus in Ghana
Gäste tragen mit ihren Ausgaben zum Ausbau der dörflichen Infrastruktur bei
Von Susanne Götze, Accra *
In vielen Entwicklungsländern ist der Tourismus mittlerweile eine bedeutende Einnahmequelle. Doch
bei den Einheimischen kommt davon oftmals nicht viel an. Im westafrikanischen Ghana werden
derzeit alternative Tourismusprojekte etabliert, die sich als eine Entwicklungshilfe der ganz anderen
Art entpuppen.
Ghana gilt als das Vorzeigeland Westafrikas. Regelmäßig besuchen hochrangige deutsche Politiker
das kleine Land an der sogenannten Goldküste, das zu den erklärten Lieblingen in Sachen »Guter
Regierungsführung« des deutschen Präsidenten Horst Köhler gehört. Jüngst war auch der
Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf Stippvisite hier.
Doch außer den hochrangigen Besuchen kommen wenige Europäer nach Ghana – die Entwicklung
des Tourismus steckt noch in den Kinderschuhen. Stattdessen sitzen unzählige Hilfsorganisationen
in klimatisierten Büros im überwachten VIP-Viertel der lärmenden und chaotischen Hauptstadt
Accra.
Mikrokredite kommen groß in Mode
So ist beispielweise die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) schon seit über 60
Jahren in Ghana aktiv. Außer den für Entwicklungsarbeit typischen Projekten wie dem Ausbau der
Trinkwasserversorgung kümmern sich die rund hundert Deutschen schwerpunktmäßig um die
nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, wie GTZ-Landesdirektorin Martina Brömmelmeier in einem
Gespräch erklärt. Gemeint sind damit die durch Friedensnobelpreisträger Mohammed Yunus und
seine Grameen-Bank in Bangladesch etablierten Mikrokredite. Dadurch sollen besonders in
ländlichen Gebieten Menschen die Möglichkeit bekommen, sich eine Existenz aufzubauen. »Doch
Geld allein macht keine Entwicklung«, wie Brömmelmeier eingesteht. Besonders wichtig sei daher
die Zusammenarbeit mit den lokalen Strukturen. Auch die niederländische Hilfsorganisation SNV
setzt auf die Zusammenarbeit mit örtlichen Strukturen. Neben klassischen Entwicklungsprojekten
unterstützen die Niederländer seit einigen Jahren den gemeindebasierten Tourismus in Ghana.
Dieses sehr junge Graswurzel-Modell geht auf die Initiative der Dörfer selbst zurück. Ein Pionier der
Dorftourismusidee ist die Gemeinde Mesomargo, die am Rande des Kakum-Nationalparks liegt. Den
Touristen erwartet hier allerdings kein großer Luxus: In dem abgelegenen Dorf gibt es weder Strom
noch einen Wasser- oder Telefonanschluss.
Vor gut zwölf Jahren gab der Musiker und Dorfbewohner Bismark Amoah den Stein des Anstoßes,
als er das Bambus-Orchester gründete, ein zehnköpfiges Trommel- und Tanzensemble. Sie spielen
auf traditionellen Festen und vor den Touristen, die sich trotz der schlechten Anbindung nach
Mesomargo durchschlagen. Doch das ist nicht alles. Die Gemeinde hat mittlerweile eine Führung
durch das Dorf organisiert. Den Gästen werden dabei die traditionellen Herstellungsverfahren von
Palmwein, Kakao oder Maniokschrot vorgeführt. Untergebracht werden die Reisenden in einem
einfachen Steinhaus am Rande des Dorfes. Wenn es dunkel wird, erwartet sie hier ein skurriles
afrikanisches Geschichtentheater.
»Der Tourismus hat bei uns viel verändert«, erklärt Emmanuel Abbay, der Sekretär des
Dorfvorstehers. »Unsere Gäste tragen mit ihrem Geld direkt zum Aufbau des Dorfes bei«. So wurde
auf diese Weise in den letzten Jahren die Schule ausgebaut.
Der Tourismus kompensiert aber vor allem die Ausfälle, die die Bauern durch das Reservat haben.
Denn seit der Wald zum Naturschutzgebiet erklärt wurde, dürfen die Gemeindemitglieder dort weder
jagen noch Feuerholz holen. »Obwohl die Betreiber des Reservates hohe Eintrittsgelder nehmen,
bekommen wir nichts von den Einnahmen ab«, klagt Gemeindemitglied Abbay. Deshalb sei die
Dorftourismusidee ein willkommener Ausgleich.
Ghana feilt an seinem Image
Außer Mesomargo gibt es mittlerweile 14 weitere Dorftourismusprojekte in Ghana. Weitere 16 sind
in der Planung, wie Tourismusexpertin Birgit Lienhart von der Hilfsorganisation SNV meint. »Bei den
Dorftourismusprojekten geht es vor allem um die Gewinne für die Menschen vor Ort«, so Lienhart.
Von einem wirklich nennenswerten Wirtschaftszweig könne aber noch nicht die Rede sein. »Bis jetzt
ist in Ghana noch nicht erkannt worden, wie wichtig Tourismus ist und wie viel Geld er bringen
kann«, erklärt die SNV-Vertreterin. Deshalb gebe es bis jetzt auch keinen nennenswerten Strandoder
Erlebnistourismus im Land. Das ist allerdings angesichts der traumhaften Sandstrände, der
zahlreichen Naturparks und des kulturellen Reichtums kaum nachvollziehbar.
Laut Lienhart müsse das Land vor allem an seinem Ruf arbeiten, damit Europäer überhaupt auf die
Idee kämen, ihren Urlaub hier zu verbringen. »Ghana braucht ein Image«, meint sie nachdrücklich. Davon ist man noch weit entfernt. Zum Fußball-Afrika-Cup von Mitte Januar bis Anfang Februar
erwartete die Regierung an die 500 000 ausländische Besucher – doch nur ein Bruchteil davon
reiste an. Unter ihnen war der deutsche Außenminister, der sich das Finale in Accra ansah. Sein
Reisegrund war derweil weder touristisch noch sportlich begründet.
* Aus: Neues Deutschland, 1. April 2008
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