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Präsidentenwahl in Georgien

Gute Chancen für Amtsinhaber Saakaschwili. Opposition kündigt neue Demonstrationen an

Von Knut Mellenthin *

Georgien wählt am morgigen Sonnabend seinen Präsidenten. Sollte keiner der sieben Kandidaten -- sechs Männer und eine Frau -- über 50 Prozent kommen, wäre ein zweiter Wahlgang erforderlich. Für den Fall, daß Amtsinhaber Michail Saakaschwili im ersten Durchgang siegt, bereitet die Opposition Massenproteste vor. Schon jetzt ist für Sonntag eine Kundgebung in der Hauptstadt Tbilissi angekündigt, auf der das aus neun Parteien und Organisationen bestehende Oppositionsbündnis die Ergebnisse seiner eigenen Auszählungen aus den bezirklichen Wahlausschüssen bekannt- geben will. Die Zeichen scheinen wieder einmal auf Konfrontation zu stehen.

Regulär wäre die Präsidentenwahl erst im Januar 2009 fällig gewesen. Saakaschwili hatte die Neuwahl am 8. November vergangenen Jahres angekündigt, nachdem er einen Tag zuvor den Ausnahmezustand verkündet hatte. Vorausgegangen war eine Kundgebung der Opposition in Tbilissi am 2. November, deren Teilnehmerzahl zwischen 50000 und 100000 geschätzt wurde. Es war bei weitem die größte politische Demonstration seit der »Rosenrevolution« vom November 2003, durch die Präsident Eduard Schewardnadse gestürzt wurde. Den Versuch der Opposition, in den folgenden Tagen mit einem Zeltlager eine dauerhafte Präsenz vor dem Parlament zu installieren, ließ Saakaschwili am Abend des 7. November durch einen brutalen Polizeisatz beenden. Gleichzeitig stürmten Spezialeinheiten den oppositionsnahen größten Privatsender Imedi TV und verwüsteten dessen technische Einrichtung.

Mit der Ankündigung der Neuwahl befreite Saakaschwili sich aus einer auch international sehr unangenehmen Lage. Der nach raschem Anschluß an NATO und EU strebende Politiker, von US-Präsident George W. Bush einst als »Leuchtfeuer der Freiheit« gepriesen, regiert in Wirklichkeit eher mit den Methoden einer Bananenrepublik. Oppositionspolitiker wie die frühere Außenministerin Salome Surabischwili lassen schon seit Monaten ihre guten Beziehungen in den USA und Europa spielen, um den Bedarf nach grundlegenden Veränderungen in den politischen Strukturen Georgiens deutlich zu machen.

Mit der Neuwahl hat Saakaschwili eine gute Chance, sich wieder eine gewisse demokratische Legitimation zu verschaffen. Glänzend wird der Sieg des Vierzigjährigen, der im Januar 2004 mit sagenhaften 97 Prozent gekürt worden war, diesmal wohl nicht ausfallen. Aber es könnte angesichts der Schwäche und Uneinigkeit der Oppositionsparteien ausreichen, um sich eine weitere Amtszeit zu sichern. Sein wichtigster Gegenspieler, der für das Oppositionsbündnis kandidierende Unternehmer Lewan Gachechiladse, ist als Politiker unbekannt und profillos.

Saakaschwili hat einen extrem intensiven, sehr »bürgernahen« Wahlkampf geführt. Er hat dabei vor allem den sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen konkrete Zusagen für die Verbesserung ihrer Lage gemacht. Einiges, wie etwa die Anhebung der Renten um 50 Prozent, wurde sofort in die Tat umgesetzt. Saakaschwili hat darüber hinaus angekündigt, nach der Wahl sein Führungsteam neu zu formieren. Es wird damit gerechnet, daß sich der Präsident, auch unter westlichem Druck, von einigen als besonders korrupt, kriminell und antidemokratisch geltenden Gefährten trennen wird.

Gleichzeitig mit der Präsidentenwahl finden am 5. Januar zwei Referenden statt. Das eine zielt auf die angestrebte Mitgliedschaft in der NATO, zu dem eine nahezu hundertprozentige Zustimmung erwartet wird. Das zweite Referendum gilt der Frage, ob es schon im Frühjahr, statt im Herbst, eine vorgezogene Parlamentswahl geben soll. Die Umfragen deuten auf eine deutliche Mehrheit für den frühen Termin hin. Das war auch eine zentrale Forderung der Opposition bei ihren Demonstrationen im November 2007 gewesen.

* Aus: junge Welt, 4. Januar 2008

Präsidentenwahl in Georgien: Opposition spricht von massiven Manipulationen

TIFLIS, 05. Januar (RIA Novosti). Bei der vorgezogenen Präsidentenwahl in der Kaukasusrepublik Georgien wirft Oppositionskandidat Badri Patarkazischwili der Regierung massive Manipulationen vor und ruft die Weltgemeinschaft auf, den Urnengang als nicht legitim einzustufen.

"Bei dem heutigen Urnengang wird das Wahlgesetz grob verletzt, was zahlreiche Foto- und Videomaterialien nachweisen. Doch eine Reaktion der Regierung bleibt aus", erklärte eine Sprecherin von Patarkazischwilis Wahlstab auf einer Sonderpressekonferenz am Samstag (5. Januar). Ihr zufolge greift die Regierung zu Gewalt, Erpressung und Wählerbestechung, um das Wahlergebnis zu beeinflussen. "Diese groben Verletzungen des Wahlgesetzes ziehen die Legitimität der Wahlen in Zweifel", sagte sie.

Georgien wählt heute (5. Jan.) ein neues Staatsoberhaupt. Neben dem bisherigen Präsidenten Michail Saakaschwili, der nach den Massenprotesten im vergangenen November zurücktreten und in eine vorgezogene Neuwahl einwilligen musste, bewerben sechs weitere Kandidaten um das Präsidentenamt.

Bei dem heutigen Urnengang sind 3,4 Millionen stimmberechtigte Georgier im In- und Ausland zudem aufgerufen, auch über einen Beitritt ihres Landes zur NATO und über den Termin der nächsten Parlamentswahl abzustimmen. Nach Angaben der Beobachter lag die Wahlbeteiligung um 17.00 Uhr Ortszeit zwischen 33 und 46 Prozent, berichtet die Nachrichtenagentur Nowosti-Grusia.

Quelle: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 5. Januar 2008




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