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Hilfskonvoi für Gaza überwindet Hindernisse

Friedensaktivisten von "Viva Palestine USA" mit Gütern in Richtung Notstandsgebiet unterwegs

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Ungeachtet aller Schikanen wird ein Konvoi von Friedensaktivisten aus den USA sein Ziel - den Gaza-Streifen - wohl heute erreichen. Allerdings mussten die Teilnehmer etliche Auflagen erfüllen.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Noch am Montag wurde ein Konvoi von 100 Friedensaktivisten der Organisation »Viva Palestine USA« in Ägypten gestoppt. Sie waren mit Hilfsgütern für die Palästinenser im Gaza-Streifen auf dem Weg nach Al Arish, wo weiteres Material auf Busse und Lastwagen geladen und anschließend über den ägyptisch-palästinensischen Grenzübergang Rafah nach Gaza gebracht werden sollte. Doch die Busse wurden auf der Friedensbrücke über den Suez-Kanal angehalten. Ägyptische Sicherheitskräfte forderten die Gruppe zur Rückkehr nach Kairo auf, weil sie angeblich keine Passagierlisten abgegeben hatte. Aus Protest demonstrierten die Teilnehmer mit US-amerikanischen und palästinensischen Fahnen und riefen »Viva Palästina« und »Befreit Palästina« (Free Free Palestine), wie Augenzeugen berichteten. Dann entschlossen sie sich, die Nacht auf der Brücke in den Bussen zu verbringen. Nach zwölf Stunden folgte der Rückzug nach Kairo.

Wie die Organisatoren von »Viva Palestine USA« mitteilen, hat sich die ägyptische Regierung eine Reihe von Hindernissen für den Hilfskonvoi ausgedacht. Neben einer vollständigen Liste der Teilnehmer muss nun auch eine vollständige Liste der Hilfsgüter eingereicht werden. Außerdem muss jeder einzelne Teilnehmer eine Art Visumsantrag für Gaza ausfüllen, Kostenpunkt pro Person 30 US-Dollar (ca. 20 Euro). Und schließlich muss jeder eine Erklärung unterzeichnen, wonach die USA-Regierung nicht mehr für die Sicherheit ihrer Bürger garantiert, sobald sie in den Gaza-Streifen einreisen. Von den Fahrzeugen, die in Ägypten von den Spendengeldern (eine Million US-Dollar) gekauft worden waren, dürfen lediglich zwei Krankenwagen in den Gaza-Streifen fahren, die anderen 45 Fahrzeuge erhalten keine Einfahrgenehmigung. Eigentlich sollten die Fahrzeuge in Gaza bleiben, wo sie dringend gebraucht werden. Überdies dürfen die Teilnehmer lediglich 24 Stunden bleiben. Wer nicht rechtzeitig wieder ausreist, muss bis zur nächsten offiziellen Öffnung des Grenzübergangs Rafah warten. Seit Juni 2007 ist der Grenzübergang von ägyptischer Seite gesperrt.

Die Organisatoren interpretieren die Behinderungen der ägyptischen Regierung als Versuch, das Projekt der Hilfskonvois nach Gaza zu stoppen. Der unabhängige britische Abgeordnete George Galloway teilte mit, es seien bereits weitere Konvois aus Venezuela und Russland in Vorbereitung, ein weiterer Konvoi aus Großbritannien ist für Oktober geplant, ein zweiter US-Konvoi im Dezember, um an den israelischen Angriff auf Gaza im Dezember 2008 zu erinnern.

Unter den Konvoiteilnehmern befindet sich auch die ehemalige US-Kongressabgeordnete Cynthia McKinney, die erst Anfang Juli zusammen mit 20 weiteren Aktivisten von der israelischen Marine aus palästinensichen Gewässern entführt worden war, als sie versucht hatte, mit einem Boot voller Hilfsgüter von »Free Gaza« in den Gaza-Streifen zu gelangen. Die Aktivisten werden sich nicht einschüchtern lassen. Sie haben sich an US-Präsident Barack Obama und an Außenministerin Hillary Clinton mit der Forderung gewandt, Druck auf die ägyptische Regierung auszuüben, damit die Behinderungen aufhören. Unterstützer in anderen Ländern werden von »Viva Palestine« aufgefordert, vor den ägyptischen und US-amerikanischen Botschaften und Konsulaten zu protestieren, um den öffentlichen Druck zu erhöhen. Das scheint nicht ohne Wirkung zu bleiben: Offenbar sind die Ägypter nun bereit, mehr als 24 Stunden Aufenthalt zuzugestehen und sämtliche Hilfsgüter außer den Fahrzeugen passieren zu lassen, auch wenn die Abmachung bei Redaktionsschluss noch nicht fixiert war.

Die Fracht, die durch Spenden aus den USA bezahlt wurde, besteht unter anderem aus Medikamenten, Buntstiften, Kreide und Malbüchern für Kinder, Rollstühlen und Gehhilfen für Palästinenser, die im jüngsten Gaza-Krieg Israels Gliedmaßen verloren haben. Die Aktivisten berufen sich ausdrücklich auf Präsident Barack Obama, der bei seiner viel beachteten Rede in Kairo Anfang Juni die Situation in Gaza als »unakzeptabel« bezeichnet und von einer »humanitären Krise« gesprochen hatte.

* Aus: Neues Deutschland, 16. Juli 2009


"Obama, steh uns bei"

Praxistest für Kairo-Rede des US-Präsidenten: Aktivisten von "Viva Palästina" wollen mit Hilfskonvoi in den Gazastreifen. Washingtons Bündnispartner Ägypten stellt sich quer

Von Karin Leukefeld **


Ein Konvoi von 200 US-amerikanischen Aktivisten der Gruppe »Viva Palästina« wird dieser Tage im belagerten Gazastreifen erwartet. Geführt von dem britischen Abgeordneten und erklärten Freund der Palästinenser George Galloway war ein Teil der Gruppe bereits am Montag von der ägyptischen Hauptstadt Kairo aus aufgebrochen, um in Al-Arish weitere Hilfsgüter für die Palästinenser zu laden. Eine zweite Gruppe sollte dort hinzustoßen. Gemeinsam war die Einreise nach Gaza für Mittwoch geplant. Allerdings behinderten ägyptische Sicherheitskräfte die Aktivisten an der Mubarak-Friedensbrücke, die über den Suezkanal führt. Nach einer Nacht auf der Brücke und einer Solidaritätskundgebung für die Palästinenser zogen sie sich zunächst wieder nach Kairo zurück. Nun soll ein neuer Versuch unternommen werden, über den Grenzübergang Rafah nach Gaza zu gelangen.

Humanitäre Krise

Die US-Amerikaner berufen sich bei ihrer Aktion ausdrücklich auf ihren Präsidenten Barack Obama, der in Kairo Anfang Juni bezüglich des Gaza­streifens für Washingtoner Verhältnisse ungewöhnlich klare Worte gefunden hatte. Die Lage für die Menschen im Gazastreifen sei »unakzeptabel«, hatte Obama gesagt, und von einer »humanitären Krise« gesprochen. Ob die US-Botschaft in Kairo das Engagement ihrer Bürger für die Palästinenser unterstützen wird, bleibt indes abzuwarten. Der Konvoi will nach Angaben von George Galloway Medikamente, Kinderspielzeug, Krücken und Rollstühle für die vielen Kriegsversehrten nach Gaza bringen, die der israelische Angriff im vergangenen Dezember und Januar dort hinterlassen hat.

Laut »Viva Palästina« hat sich die ägyptische Regierung eine Reihe von Hindernissen für den Gaza-Hilfskonvoi ausgedacht. Neben einer Liste aller Teilnehmer muß eine vollständige Liste der Hilfsgüter eingereicht werden. Jeder einzelne Teilnehmer muß zudem eine Art Visumsantrag für Gaza ausfüllen, Kostenpunkt pro Person: 30 US-Dollar. Außerdem muß jeder eine Erklärung unterzeichnen, wonach die US-Regierung nicht mehr für die Sicherheit ihrer Bürger garantiert, sobald sie in den Gazastreifen einreisen. Von den Fahrzeugen, die in Ägypten von den Spendengeldern in Höhe von einer Millionen US-Dollar gekauft worden waren, dürfen lediglich zwei Krankenwagen in den Gazastreifen fahren, die anderen 45 Fahrzeuge erhalten keine Einfahrgenehmigung. Eigentlich sollten die Fahrzeuge in Gaza bleiben, wo sie dringend gebraucht werden. Zusätzlich darf die Delegation lediglich 24 Stunden bleiben, wer nicht rechtzeitig ausreist, muß bis zur nächsten offiziellen Öffnung des Grenzübergangs Rafah warten. Seit Juni 2007 ist der Grenzübergang von ägyptischer Seite gesperrt.

Die Organisatoren von »Viva Palästina« interpretieren die Behinderungen der ägyptischen Regierung als klaren Versuch, das Projekt der Hilfskonvois nach Gaza zu stoppen. Der Abgeordnete Galloway teilte mit, es seien bereits weitere Transporte aus Venezuela und Moskau in Vorbereitung, ein weiterer aus Großbritannien ist für Oktober geplant. Ein zweiter US-Konvoi soll im Dezember starten und an den Beginn des israelischen Angriffs »Operation Gegossenes Blei« erinnern.

Druck auf Kairo

Zu dem in Kairo festsitzenden US-Konvoiteam gehört auch die ehemalige US-Kongreßabgeordnete Cynthia McKinney. Anfang Juli hatte sie versucht, Hilfsgüter mit einem Boot der Kampagne »Free Gaza« zu den von Israel eingesperrten Palästinensern zu bringen. Zusammen mit 20 weiteren Aktivisten war die Exparlamentarierin von der israelischen Marine aus palästinensischen Gewässern entführt und später ausgewiesen worden. McKinney will sich nicht einschüchtern lassen. Zusammen mit »Viva Palästina« hat sie sich an US-Präsident Obama und an Außenministerin Hillary Clinton gewandt mit der Forderung, Druck auf die verbündete ägyptische Regierung auszuüben. Unterstützer in anderen Ländern werden von »Viva Palästina« aufgefordert, vor den ägyptischen und US-amerikanischen Botschaften und Konsulaten zu protestieren.

* Aus: junge Welt, 16. Juli 2009


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