Einsatz von Phosphorbomben ächten
IPPNW fordert aufgrund der besonders inhumanen Verletzungen generelles Verbot
IPPNW-Presseinfo vom 4.2.2009
Die Waffenruhe in Gaza ist brüchig. Der Internationale Strafgerichtshof prüft seit gestern, ob Israel während des Gaza-Einsatzes Kriegsverbrechen begangen hat, u.a. weil bei Angriffen in dicht besiedelten Gebieten Munition mit Weißem Phosphor eingesetzt worden sei. Ärzte und Ärztinnen berichten von ihnen bisher völlig unbekannten Verletzungen. So erklärte der Chirurg Dr. Muneer Deeb, Oberarzt am Kasseler Klinikum, der mit einem französischen Ärzteteam eine Woche in Gaza operiert hat: „Die Verletzungen, die wir behandelt haben, waren keine Verletzungen durch herkömmliche Splitterbomben. Es gab Verbrennungen bis auf die Knochen“.
Die IPPNW verurteilt den Einsatz von Weißem Phosphor in dicht besiedeltem Gebiet und hat die Bundesregierung und die Fraktionen im Bundestag heute in einem Brief aufgefordert, sich für eine Ächtung dieser Waffen einzusetzen. Nach Artikel 35 des ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen, ist es verboten, Waffen, Geschosse und Material sowie Methoden der Kriegführung zu verwenden, die geeignet sind, überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden zu verursachen. Zwar verstößt der Einsatz von Weißem Phosphor bisher nicht generell gegen die Chemiewaffenkonvention. Die medizinischen Folgen sind aber so inhuman, dass wir uns für ein Verbot des Einsatzes von Weißem Phosphor in bewaffneten Konflikten aussprechen. Er sollte unter Protokoll III der Konvention zum Verbot besonders inhumaner Waffen (Convention on Certain Conventional Weapons) fallen und völkerrechtlich als Kriegsverbrechen geahndet werden. Israel und die USA haben dieses Protokoll bisher nicht ratifiziert.
Der Einsatz von Phosphorgranaten verursacht schwere Brandwunden, die schlecht heilen. Die entstandene Brandwunde hat eine gelbliche Färbung und riecht stechend nach Knoblauch. Selbst kleinste Phosphorpartikel, die auf die Haut gelangen, erzeugen schmerzhafte Verbrennungen zweiten oder dritten Grades. Zum Teil sind die Verletzungen sehr tief, da sich die fettlöslichen Phosphorpartikel bis zum Knochen fressen können. Die Reaktion kommt erst dann zum Erliegen, wenn der weiße Phosphor vollständig verbrannt ist oder wenn ihm der Luftsauerstoff entzogen wird.
Zudem sind Weißer Phosphor und seine Dämpfe hochgiftig. Für einen Erwachsenen sind bei direkter Aufnahme schon 50 mg tödlich. Der Tod tritt erst nach 5 bis 10 Tagen ein, die Giftwirkung beruht auf einer Störung der Eiweiß- und Kohlenhydratsynthese. Ein zweijähriges Kind kann bei einer Dosis von nur 2 mg weißem Phosphor innerhalb weniger Stunden sterben. Die Kinder leiden unter anderem an inneren Blutungen und Anämie und fallen schließlich ins Koma.
Die IPPNW hat ein Factsheet zu den medizinischen Folgen des Einsatzes von Phosphorbomben erstellt. Sie können das Infoblatt auf unserer Homepage downloaden unter http://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/weisserphosphor_neu.pdf
IPPNW Factsheet:
Weißer Phosphor
Eine Bombe und ihre medizinischen Folgen
Die wichtigsten Punkte:
Eine Phosphorbombe ist eine Brandbombe, die ein Gemisch
aus weißem Phosphor und Kautschuk enthält. Weißer
Phosphor und seine Dämpfe sind hochgiftig. Er verursacht
schmerzvolle Verbrennungen zweiten und dritten Grades mit
schlechter Heilungstendenz. Der Einsatz von Brandwaffen
gegen Zivilpersonen ist entsprechend dem Verbot von unterschiedslosen
Angriffen in den Zusatzprotokollen von 1977 zu
den Genfer Abkommen von 1949 verboten, nicht jedoch ihr
Einsatz im Allgemeinen.
Weißer Phosphor ist eine farblose bis
gelbliche, wachsähnliche Masse von
stechendem, knoblauchähnlichem
Geruch.
Wenn Weißer Phosphor mit Luft in
Verbindung kommt, entzündet er sich
und oxidiert rasch zu Phopshorpentoxid.
Diese Reaktion produziert eine
1.300 Grad heiße Flamme unter starker
Entwicklung von dichtem, weißem
Rauch. Die chemische Reaktion dauert
so lange an, bis das Material aufgebraucht
ist oder ihm der Sauerstoff
entzogen wird.
Weißer Phosphor und seine Dämpfe
sind hochgiftig. Für einen Erwachsenen
sind bei direkter Aufnahme schon
50 mg tödlich. Der Tod tritt nach 5 bis
10 Tagen ein, die Giftwirkung beruht
auf einer Störung der Eiweiß- und
Kohlenhydratsynthese. Ein zweijähriges
Kind kann bei einer Dosis von nur
2 mg Weißem Phosphor innerhalb
weniger Stunden sterben.
Auf der Haut verursacht Weißer Phosphor
sehr schmerzhafte Brandwunden
mit schlechter Heilungstendenz. Die
Wunden haben eine gelbliche Färbung
und riechen nach Knoblauch. Zum Teil
sind die Verletzungen sehr tief, da die
fettlöslichen Phosphorpartikel bis zum
Knochen vordringen können. Die Reaktion
kommt erst dann zum Erliegen,
wenn der Weiße Phosphor vollständig
verbrannt ist oder wenn die Wunde
luftdicht abgeschlossen wird.
Dr. Nafez Abu Schaban, Spezialist für
plastische Chirurgie und Brandverletzungen
im Schifa-Hospital, dem größten
palästinensichen Krankenhaus in
Gaza, berichtete laut Frankfurter
Rundschau von dem 18-jährigen Patienten
Mahmud al-Dschamal, der am
18. Januar 2009 mit Brandwunden
übersät zu ihm ins Krankenhaus kam;
fünf Stunden nach dem erlittenen Angriff
entwich noch weißer Rauch aus
den Wunden. Den Anästhesisten traf
beim Säubern versehentlich ein winziger
Phosporrest am Hals. An dieser
Stelle habe der Kollege jetzt selbst
eine Brandwunde.
Experten empfehlen, Kleidungsstücke
mit brennenden Partikeln Weißen Phosphors
sofort zu entfernen, bevor sich
die Substanz bis zur Haut durchfrisst.
Wenn das nicht möglich ist, sollten die
betroffene Haut und die Kleidungsstücke
in kaltes Wasser getaucht werden,
um den Brand zu löschen. Sichtbare
Phosphorstücke könnten mit einer Pinzette
entfernt werden. Mit Phosphor
kontaminierte Wunden müssten so
schnell wie möglich mit einer 0.5-2.0
% Kupfersulfatlösung gespült werden,
damit kein Phosphor ins Blut gelangen
kann. Anschließend sollte die Wunde
mit isotoner Kochsalzlösung und mit
Natriumperboratlösung gründlich
gespült werden, um eine Kupfervergiftung
zu vermeiden. Kupfersulfat reagiert mit Phosphor zu ungefährlichen
Verbindungen, die sich auswaschen
lassen.
Falls keine Kupfersulfatlösung zur
Hand ist, empfiehlt der Militärmediziner
Rebentisch als Erstmaßnahme einen
möglichst luftdichten Feuchtverband,
um den Kontakt von Phosphorpartikeln
mit Sauerstoff zu verhindern.
Zum akuten Vergiftungsbild nach Einatmen
von Phosphordämpfen gehören
heftige Reizerscheinungen an den
Schleimhäuten der Augen und der
Atemwege. Im weiteren Verlauf kann
sich ein toxisches Lugenödem mit
Kreislaufkollaps entwickeln. Inkorporation
von Phosphor führt zu schweren
Leber- und Nierenschäden (akute
Leberdystrophie, Nierenversagen; bei
Überleben der Akutphase Lebercirrhose,
Niereninsuffizienz). Aufgrund der
hohen Toxizität des Phosphors besteht
in Gebieten, in denen hosphorbomben
eingesetzt wurden, eine dauerhafte
Gefährdung der Bevölkerung.
Eine lang anhaltende Aufnahme von
Phosphor - wie sie z.B. bei Streichholzmachern
im 19. Jahrhundert beobachtet
wurde - kann Anämie, Lebercirrhose,
Kachexie und Schädigungen der
Knochengefäße mit Knochendegeneration
und Knochennekrosen hervorrufen;
besonders waren davon die
Kieferknochen betroffen.
Einsatz von Weißem Phosphor im Krieg
Im 2. Weltkrieg wurde Weißer Phosphor
in London, Dresden, Hamburg
und Cherbourg eingesetzt, in den
1950er Jahren auch im Koreakrieg.
Saddam Hussein benutzte Weißen
Phosphor 1988 in Halabja, die Russen
1994 im Tschetschenienkrieg. Der italienische
Fernsehsender RaiNews24
deckte im November 2005 auf, dass
die USA im dritten Irakkrieg Phosphor-
Brandwaffen einsetzten; in Fallujah
wurden 2004 während der Operation
"Phantom Fury" Aufständische mit
Phosphorgranaten aus geschützten
Stellungen getrieben, um sie dann mit
anderen Waffen bekämpfen zu können. Die US Army leugnete den Einsatz
zunächst, gab ihn jedoch später zu.
Ein GI berichtete, er habe Leichen von
Phosphorwaffen-Opfern beseitigen
müssen. Die USA haben die Zusatzprotokolle
von 1977 zu den Genfer
Abkommen von 1949, die "unterschiedslose"
Angriffe untersagen, nicht
unterzeichnet. Sie rechtfertigten den
Einsatz Weißen Phosphors damit, dass
er nicht als chemische Waffe auf
Grund seiner Giftigkeit verwendet
werde, sondern als Rauch-, Leuchtund
Brandmunition i. S. einer konventionellen
Waffe.
Wie mittlerweile auch von offizieller
Seite bestätigt, setzten die Israel
Defense Forces im Libanonkrieg 2006
Phosphorbomben gegen die Hisbollah
ein. Auf Grund der Verletzungsmuster
vermuteten die Ärzte im Libanon
zuerst den Einsatz von Phosphorbomben.
Die Untersuchung von Partikeln
aus den Wunden ergaben aber ein
Gemisch aus Wolfram-Kupfer-Aluminium,
was den Einsatz von DIME-Bomben
(Dense Inert Metal Explosive)
nahelegt. Metallpulver sind im allgemeinen
schon bei Raumtemperatur an
der Luft selbstzündfähig. Das Verletzungsbild
ähnelt dem der Phosphorbomben,
zusätzlich entsteht aber eine
starke gerichtete Impulswirkung.
Auch im Verlauf der Operation
"Gegossenes Blei" im Gazastreifen
wurden laut Amnesty International
Phosphorbomben eingesetzt. Die israelische
Armee soll am 15. Januar
2009 sogar das Hauptquartier des
UNO-Hilfswerks für palästinensische
Flüchtlinge (UNRWA) mit Phosphorgranaten
beschossen haben, mehrere
tausend Tonnen Lebensmittel wurden
vernichtet. Nach Marc Garlasco, Militäranalyst
bei Human Rights Watch,
seien diese Waffen überall in Gaza in
dicht besiedelten Wohngebieten eingesetzt
worden. Die Zahl der explodierten
Phosphorgranaten sei viel größer
als von der israelischen Armee zugegeben.
Forderungen
Die IPPNW verurteilt den Einsatz von
Weißem Phosphor nicht nur in dicht
besiedelten Gebieten, sondern generell.
Nach Artikel 35 des ersten Zusatzprotokolls
zu den Genfer Abkommen
ist es verboten, Waffen, Geschosse
und Material sowie Methoden
der Kriegsführung zu verwenden, die
geeignet sind, überflüssige Verletzungen
oder unnötige Leiden zu verursachen.
Zwar verstößt der Einsatz von
Weißem Phosphor unverständlicherweise
nicht gegen die Chemiewaffenkonvention.
Die medizinischen Folgen sind
aber so inhuman, dass die Verwendung
Weißen Phosphors nach dem
Protokoll III der "Konvention zu bestimmten
konventionellen Waffen"
(Convention on Certain Conventional
Weapons) verboten und völkerrechtlich
als Kriegsverbrechen geahndet werden
muss. Israel und die USA haben
dieses Protokoll allerdings bisher nicht
ratifiziert.
Internationales Recht
Der Einsatz von Brandwaffen gegen Zivilpersonen bzw. in
einer Art und Weise, in der es leicht zu sogenannten
"Kollateralschäden" kommen kann, ist entsprechend dem
Verbot von unterschiedslosen Angriffen in den Zusatzprotokollen
von 1977 zu den Genfer Abkommen von 1949
verboten, nicht jedoch ihr Einsatz im Allgemeinen.
Umstritten ist, ob Phosphorbomben nicht nur als Brandwaffe,
sondern wegen ihrer Giftigkeit auch als chemische Waffe
anzusehen sind; deren Einsatz würde gegen die Chemiewaffenkonvention
verstoßen.
Andere Kritiker sehen auch einen Verstoß gegen Artikel 35
des ersten Zusatzprotokolls, der "Waffen, Geschosse und
Material, sowie Methoden der Kriegführung" verbietet, falls
sie "geeignet sind, überflüssige Verletzungen oder unnötige
Leiden zu verursachen" oder "dazu bestimmt sind oder von
[ihnen] erwartet werden kann, dass sie ausgedehnte, langanhaltende
und schwere Schäden der natürlichen Umwelt
verursachen".
(Quelle: Wikipedia)
Quellen:-
White Phosphorus (WP), Global Security.org,
www.globalsecurity.org/military/systems/
munitions/wp.htm
- John Emsley, Phosphor - ein Element auf
Leben und Tod, Weinheim 2001
- Merkblatt zur BK Nr. 1109, Erkrankungen
durch Phosphor oder seine anorganischen
Verbindungen, Universität Rostock -
Medizinische Fakultät, Institut für
Arbeitsmedizin (Bek. des BMA v. 25.2.19819
- Wikipedia, Phosphorbombe, 22. Januar 2009
- Prof. Dr. Ernst Rebentisch,
Wehrmedizin, 1980
- Kupfersulfat-Suspension gegen
Phosphorverbrennungen, R. Dolder, In:
Schweiz. Z. Milit.-Med. 57, 46-48, 1980
Quelle: Website der IPPNW, www.ippnw.de (pdf-Datei)
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