Blockade knebelt Gaza
Organisationen prangern Israels Politik der Abschnürung an
Die katholische Friedensbewegung »Pax Christi« hat von Israel ein Ende
der Blockade des Gaza-Streifens gefordert. Hilfsorganisationen werfen
Israel vor, den Wiederaufbau in dem Palästinensergebiet zu verhindern.
Lebensnotwendige Einfuhren nach Gaza würden nicht zugelassen, 80 Prozent
der Bevölkerung seien daher von Nahrungsmittelhilfe abhängig, heißt es
in einer am Dienstag in Berlin verbreiteten Erklärung von Pax Christi.
Ein Jahr nach der Bombardierung des Gaza-Streifens am 27. Dezember 2008
und der dreiwöchigen israelischen Militäroffensive sei die humanitäre
Situation für die Menschen in Gaza »besorgniserregender denn je«. Das
Bildungs- und Gesundheitssystem sei zusammengebrochen und Tausende von
Arbeitsplätzen verloren gegangen, hieß es. Zudem werde Mitarbeitern von
humanitären Hilfsorganisationen und von EU-Delegationen der Zugang zu
Gaza verweigert.
Die Bundesregierung müsse sich nachdrücklich für eine Beendigung der
Blockade des Gaza-Streifens einsetzen und auf eine Aufarbeitung der
Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg drängen, hieß es weiter.
Mehrere Hilfsorganisationen haben Israel vorgeworfen, den Wiederaufbau
in dem Palästinensergebiet zu verhindern. Seit dem Ende der dreiwöchigen
Offensive »Gegossenes Blei« hätten die israelischen Behörden lediglich
41 Lkw-Ladungen mit Baumaterial nach Gaza gelassen, heißt es in einem
Bericht, der am Dienstag von insgesamt 16 Organisationen, darunter Oxfam
und Amnesty International, veröffentlicht wurde. Für den Wiederaufbau
und die Renovierung Tausender Häuser würden aber Tausende Lkw-Ladungen
benötigt. Bislang konnte nach Einschätzung der Entwicklungshelfer
lediglich ein Bruchteil der Schäden an Häusern, ziviler Infrastruktur,
öffentlichen Einrichtungen und Geschäften repariert werden.
Laut dem Bericht dürfen bis auf wenige Ausnahmen weder die
Zivilbevölkerung noch die UN- und Hilfsorganisationen im Gaza-Streifen
Materialien wie Zement und Glas importieren. »Alle Bewohner des
Gaza-Streifens werden durch die Blockade für die Taten einiger Weniger
bestraft«, kritisierte der örtliche Vertreter von medico international,
Tsafrir Cohen.
Die Folgen des Einfuhrverbots für Baumaterialien sind dem Bericht
zufolge tief greifend: Die Blockade führt demnach auch zu häufigen
Stromausfällen und Engpässen in der Gas- und Wasserversorgung. 90
Prozent der Bevölkerung leiden dem Bericht zufolge unter Stromausfällen
von vier bis acht Stunden pro Tag.
Die Stromausfälle verursachen demnach auch tägliche Unterbrechungen der
Wasserversorgung, die gleichzeitig durch defekte Wasserleitungen und
Tanks behindert wird. Durch Druckverlust in den Leitungen wird das
Wasser außerdem durch verschmutztes Grundwasser kontaminiert. Die
schlechte Wasserqualität ist dem Bericht zufolge eine Hauptsorge der
Hilfsorganisationen im Gaza-Streifen: Durchfallerkrankungen verursachen
demnach zwölf Prozent der Todesfälle junger Menschen.
Kritik üben die Organisationen auch an der internationalen Politik,
welche die Blockade zwar immer wieder kritisiere, aber nichts dagegen
unternehme.
* Aus: Neues Deutschland, 23. Dezember 2009
Schwere Vorwürfe gegen Israel
Demonstration als Solidaritätsaktion mit den Palästinensern zum
Jahresende im Gazastreifen
Von Karin Leukefeld **
Zum ersten Jahrestag des Gaza-Krieges 2008/2009, bei dem der
Küstenstreifen durch die israelische Armee weitgehend zerstört und 1400
Menschen getötet wurden, haben 14 Hilfsorganisationen schwere Vorwürfe
gegen Israel erhoben und der internationalen Gemeinschaft »Verrat«
vorgeworfen. Obwohl noch im März 2009 mehr als vier Milliarden US-Dollar
Hilfe für den Wiederaufbau des zerstörten Küstenstreifens versprochen
waren, hätten alle in Gaza versagt. »Kein Wiederaufbau, keine Erholung,
keine Entschuldigungen« so das Fazit des Berichts »Failing Gaza«, der
u.a. von Oxfam, Amnesty International, medico international und Pax
christi herausgegeben wurde. »Die erbärmliche Realität, die die 1,5
Millionen Menschen in Gaza ertragen müssen, sollte jeden entsetzen, der
noch ein Minimum an Mitgefühl hat«, sagte Kate Allen, Leiterin von
Amnesty International in Großbritannien. »Kranke, traumatisierte und
verarmte Menschen werden von Israel kollektiv bestraft.« 41 Lastwagen
mit Baumaterial hat Israel seit Ende des Krieges in den Gazastreifen
einfahren lassen und ist ansonsten keinen Millimeter von der illegalen
Blockade abgewichen.
Aus Protest gegen die israelische Blockadepolitik und das internationale
Schweigen rufen Friedensaktivisten und Palästina-Solidaritätsgruppen aus
aller Welt dazu auf, zum Jahresende massenhaft in den Gazastreifen zu
kommen. Anders als die untätigen Regierungen der internationalen
Gemeinschaft wolle man zeigen, daß die Bevölkerung weltweit die
Palästinenser nicht vergessen hat und an ihrer Seite steht. Aufgerufen
hat die Internationale Koalition für die Beendigung der illegalen
Belagerung von Gaza, eine US-Dachorganisation, der u.a. die
US-Frauenorganisation CODEPINK, Frauen für Frieden, Kanadier für
Gerechtigkeit und Frieden im Mittleren Osten angehören. Aus
Großbritannien beteiligt sich das Bündnis Viva Palästina, das bereits
zum zweiten Mal einen Hilfskonvoi in den Gazastreifen organisiert hat.
Insgesamt haben sich 1300 Personen angemeldet. Geplant ist eine
Demonstration zum Jahreswechsel im Gazastreifen und an seinen
blockierten Grenzen.
»Die Blockade von Gaza hat den Menschen dort Tod, Zerstörung, Schmerzen
und Leid gebracht. Die Internationale Gemeinschaft darf ihre Hilferufe
nicht ignorieren.« Diese Feststellung des früheren US-Präsidenten James
Carter ist das Motto, mit dem der Gaza Freiheitsmarsch unterwegs ist.
Die Regierungen müßten von der öffentlichen Meinung gezwungen werden,
»Israel zu sagen: Es reicht, öffnet die Grenzen«, erklärte CODEPINK. Zu
den prominenten Unterstützern und Teilnehmern gehören die
US-Schriftstellerin Alice Walker, der Professor für Linguistik, Noam
Chomsky, der Franziskanerpriester Louis Vitale, der südafrikanische
Politiker Ronnie Kasrils und Roger Waters von der Gruppe Pink Floyd.
Auch aus Deutschland werden Friedensaktivisten dabei sein.
Das ägyptische Außenministerium informierte inzwischen die Organisatoren
des Freiheitsmarsches, daß die Grenze bei Rafah, von Ägypten nach Gaza,
bis in den Januar geschlossen sein werde. Als Grund wurden »wachsende
Spannungen« angegeben. Es seien immer Spannungen an der Grenze wegen der
Blockade, so die Antwort der Organisatoren des Freiheitsmarsches, man
fühle sich nicht bedroht. »Unser Ziel ist die Belagerung von Gaza zu
brechen und am 31. Dezember gegen die israelische Blockade zu
demonstrieren. In diesem Sinne machen wir weiter.«
** Aus: junge Welt, 24. Dezember 2009
Wiederaufbau im Gazastreifen noch immer blockiert
Neuer Bericht ein Jahr nach der Gaza-Offensive ***
Zusammenfassung
Der Wiederaufbau und die Beseitigung der Kriegsschäden im Gazastreifen
sind noch immer nicht möglich, sagen 16 internationale Hilfs- und
Menschenrechtsorganisationen in einem neuen Bericht, der zum einjährigen
Jahrestag der israelischen Operation „Gegossenes Blei“ erscheint.
Seit Ende der Offensive Mitte Januar hat die israelische Administration
lediglich 41 LKW-Ladungen mit Baumaterial nach Gaza zugelassen,
berichten die Organisationen, unter ihnen medico international, Oxfam
und Amnesty International UK. Für den Wiederaufbau und die Renovierung
Tausender Häuser werden aber Tausende von LKW-Ladungen benötigt.
Lediglich ein Bruchteil der Schäden an Häusern, ziviler Infrastruktur,
öffentlichen Einrichtungen und Geschäften konnte bisher repariert
werden. Der Zivilbevölkerung, sowie den UN- und Hilfsorganisationen wird
bis auf wenige Ausnahmen verboten Materialien wie Zement und Glas zu
importieren. Durch die Blockade werden damit alle Bewohner des
Gazastreifens für die Taten einiger Weniger bestraft. Kritik üben die
Organisationen an der internationalen Politik, die zwar immer wieder die
Blockade kritisiere, aber nichts unternehme um dieser israelischen
Maßnahme ein Ende zu bereiten. Die internationale Gemeinschaft muss
endlich ihrer Verantwortung gerecht werden und wirksam auf die
Beendigung der Versorgungsblockade drängen. Die Bevölkerung von Gaza
muss die Möglichkeit erhalten, ihre Häuser selbst wieder aufzubauen und
sich neue wirtschaftliche Perspektiven zu erarbeiten.
Der Bericht beschreibt die tief greifenden Folgen des Einfuhrverbots für
Baumaterialien: Die Blockade führt zu häufigen Stromausfällen und
Engpässen in der Gas- und Wasserversorgung. Teile des Stromnetzes wurden
während des Konflikts bombardiert und müssten dringend repariert werden.
Hinzu kommt, dass Israel die Versorgung von Gaza mit industriellem Öl
einschränkt.
90% der Bevölkerung leiden unter Stromausfällen von vier bis acht
Stunden pro Tag. Durch die Stromausfälle wird auch die Wasserversorgung
unterbrochen. Diese wird zusätzlich durch kaputte Wasserleitungen und
-Tanks behindert. Reparaturen sind unmöglich, da Ersatzteile von Israel
nicht als essenzielle humanitäre Güter betrachtet werden und deshalb
nicht eingeführt werden dürfen. Durch Druckverlust in den Leitungen wird
die Wasserversorgung durch verschmutztes Grundwasser kontaminiert. Die
schlechte Wasserqualität ist eine Hauptsorge der Hilfsorganisationen in
Gaza. Durchfall verursacht 12% der Todesfälle junger Menschen.
Die Blockade, die im Juni 2007 begann, nachdem Hamas die Kontrolle über
den Gazastreifen übernahm, hat die Armut in Gaza sprunghaft erhöht. 80%
der Menschen sind von Hilfe abhängig. Unternehmen und Farmen mussten
ihren Betrieb einstellen und Arbeiter entlassen. Das Ausfuhrverbot hat
die Bauern hart getroffen. Durch den Krieg wurden 17% der Agrarfläche
samt Gewächshäuser und Bewässerungssysteme zerstört. Weitere 30% der
Agrarfläche sind durch Erweiterung der israelischen Sperrgebiete
verloren gegangen.
Die 16 Organisationen drängen auf eine konzertierte Aktion der EU, um
die Blockade des Gazastreifens zu beenden. Die europäischen
Außenminister werden aufgerufen, Gaza zu besuchen, um sich selbst ein
Bild von den Folgen für die Bevölkerung zu machen. Als erster wichtiger
Schritt wird die sofortige Öffnung der Übergänge für Baumaterialien vor
dem Wintereinbruch gefordert.
Der Bericht wird gemeinsam herausgegeben von: Amnesty International UK,
Broederlijk Delen, CAFOD, CCFD Terre Solidaire, Christian Aid, Church of
Sweden, Diakonia, Finn Church Aid, Medical Aid for Palestinians, medico
international Deutschland, medico international Schweiz, Mercy Corps, MS
ActionAid Denmark, Oxfam Deutschland, Trocaire, United Civilians for
Peace (a coalition of Dutch groups - Oxfam Novib, Cordaid, ICCO, and IKV
Pax Christi)
*** Quelle: Website von medico international; www.medico.de
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