Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Hilfe verhindert

Israel blockiert weiter lebenswichtige Lieferungen für die Palästinenser in Gaza. UN-Hilfswerk fordert Lösung

Von Karin Leukefeld *

Die UN-Koordination für humanitäre Hilfe (OCHA) braucht 613 Millionen US-Dollar (478 Millionen Euro), um dringende Nothilfe für die 1,5 Millionen Palästinenser im Gazastreifen leisten zu können. Wichtig für den Erfolg der Nothilfe sei ein Waffenstillstand, sagte der Leiter des UN-Programms, John Holmes, am Montag. »Aber genauso wichtig ist es, daß wir für unsere Hilfsgüter und unser Personal einen freien Zugang erhalten.« Holmes forderte eine gesicherte Öffnung der Grenzübergänge in den Gazastreifen »auch für kommerzielle Waren«. Die »anhaltende wirtschaftliche Strangulierung« bezeichnete Holmes als »kontraproduktiv«.

Seit Ende des Krieges gegen Gaza vor zwei Wochen haben die Verantwortlichen der Vereinten Nationen Israel täglich aufgefordert, die Grenzen zu öffnen, doch ohne Erfolg. Es sei »eine Schande«, so John Ging, Leiter des UN-Hilfswerks für die palästinensischen Flüchtlinge im Mittleren Osten, UNRWA. »Tausende Tonnen Hilfsgüter warten an den Grenzen von Gaza, die dringend an die Menschen hier weitergeleitet werden müssen«. Weltweit sei großzügig gespendet worden, und es sei gelungen, die Hilfe schnell in die Region zu bringen, so Ging in einer Videokonferenz aus dem von Israel zerstörten Hauptquartier der UNRWA in Gaza-Stadt. Die israelische Regierung müsse eine »operationelle Lösung« finden, wie die Grenzübergänge geöffnet werden könnten. Nach Angaben des UNRWA-Vertreters werden täglich nur etwa 100 Lastwagen über die Grenze gelassen. Gebraucht würden aber 600 Lastwagenlieferungen, so John Ging, damit das Leben in Gaza weitergehen könne. Die Menschen bräuchten alles und außerdem müßten Wasser- und Stromversorgung, Telefonleitungen, Abwasserkanäle, Straßen, Wohnungen und Schulen repariert werden. Israel habe sogar den Transport von Plastiktüten untersagt, mit denen UNRWA tägliche Essensrationen verpacken würde. Niemand wisse, warum. Fast alle 13000 Fami­lien in Gaza, die von der Landwirtschaft oder vom Fischfang gelebt hätten, seien jetzt völlig mittellos, Landwirtschaftsbetriebe und Boote, Vieh und Geräte völlig zerstört.

Doch nicht nur Israel, auch Ägypten behindert den Wiederaufbau und das wirtschaftliche Leben in Gaza. Am ägyptisch-palästinensischen Grenzposten Rafah werden zwar medizinische Hilfsgüter durchgelassen, doch alles andere senden die ägyptischen Behörden nach Al-Arish in der Sinai-Wüste. Von dort sollen die Waren über den Grenzposten Al-Ouja zunächst nach Israel und erst dann in den Gaza­streifen transportiert werden. Doch das ist Theorie, beschreibt die Reporterin Mona A-Naggar die Situation vor Ort. Der Grenzübergang und der Ort Al-Arish hätten sich in riesige Parkplätze für LKW verwandelt, die, beladen mit Reis und Zucker, Saft und Mehl, Generatoren, Wasserabfüllanlagen, Decken und vielem mehr, in der Wüstensonne braten. Es dauere Tage, um nach Israel zu kommen, erzählt der Fahrer Sayed Ahmed Sorour. Die Israelis öffneten die Grenze nur für wenige Stunden und an manchen Tagen gar nicht. Drei Tage warte er schon an der Grenze, »davor habe ich vier Tage in Al Arish gewartet«, erzählt der Mann. »Niemand gibt uns hier Auskunft, weder die Ägypter noch die Israelis. Niemand erklärt uns, warum wir hier aufgehalten werden.« Manche Laster seien von den Israelis zurückgeschickt worden, berichtet Sorour weiter, vermutlich weil die Verpackung nicht israelischen Sicherheitsstandards entsprach. Selbst wer die Grenze passieren kann, ist mit einem zeitraubenden Umladesystem konfrontiert. In Israel muß die komplette Ladung meist auf neue Laster umgeladen werden, die zur Grenze nach Gaza fahren, wo alles erneut auf palästinensische Transporter umgeladen werden muß. Bei jeder Sicherheitswarnung, sei sie berechtigt oder ein Fehlalarm, würden die Grenzübergänge von den Israelis geschlossen, und die Hilfsgüter erreichten die Menschen in Gaza nicht, sagt John Ging von der UNRWA: »Das nährt natürlich ihr Elend und ihren Zorn«, und beides sei guter Nährboden für Extremismus, von dem er jetzt mehr sehe als vor dem Krieg.

* Aus: junge Welt, 4. Februar 2009

Hamas beschlagnahmt Hilfslieferung

Nach Angaben der UN hat sich die Hamas gewaltsam in den Besitz von Decken und Lebensmittelpaketen gebracht, die für die notleidende Zivilbevölkerung im Gazastreifen gedacht waren. Der Chef des UN-Hilfswerks für die Palästinenser (UNRWA), Chris Gunness, verurteilte das Verhalten der Hamas am Mittwoch als »absolut inakzeptabel«. Hamas-Polizisten seien am Dienstag abend in ein Lager der UN in Gaza eingedrungen und hätten 3500 Decken und 4000 Lebensmittelpakete an sich gebracht, sagte Gunness. Zuvor hatte sich die Hilfsorganisation geweigert, die Waren an das von der Hamas geführte Sozialministerium auszuliefern. Hamas-Sozialminister Ahmad Kurd stritt die Aktion nicht ab. Er warf der UN-Organisation vor, die Hilfsgüter an lokale Gruppen weiterzuleiten, die Verbindungen zu Gegnern der Hamas hätten.

UNRWA Condemns Confiscation of Gaza Aid by Hamas gunmen and Demands its Immediate Return

East Jerusalem, 4 February 2009

At 1430 on 3 February over 3,500 blankets and 406 food parcels were confiscated from a distribution store at Beach Camp in Gaza by Hamas police personnel. This took place after UNRWA staff had earlier refused to hand over the aid supplies to the Hamas-run Ministry of Social Affairs. The police subsequently broke into the warehouse and seized the aid by force. The aid was due to be distributed to five hundred families in the area.

UNRWA condemns in the strongest terms the confiscation of its aid supplies and has demanded that it is returned immediately. UNRWA has a strict system of monitoring aid delivery and ensuring that its assistance reaches only the intended beneficiaries. Our officials were on the ground overseeing the delivery of our aid and taking all possible steps to avoid its diversion.

For more information please contact:
Christopher Gunness, UNRWA Spokesperson
Sami Mshasha, UNRWA Arabic Spokesperson





Zurück zur Gaza-Seite

Zur Palästina-Seite

Zur Israel-Seite

Zurück zur Homepage