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"Wir werden nicht nach Gaza fahren!"

Passagiere verließen die "Stefano Chiarini" / Organisatoren blicken bereits ins nächste Jahr

Von Martin Lejeune, an Bord der »Stefano Chiarini« in Gouvia *

Für die »Stefano Chiarini« im Hafen Gouvia der griechischen Insel Korfu hat sich die Solidaritätsfahrt zum Gaza-Streifen erledigt. Fast alle pro-palästinensischen Passagiere sind von Bord des Schiffes gegangen.

Der Neue Hafen in Korfu-Stadt ist das Wirtschaftszentrum des Ortes. Direkt gegenüber des Terminals für Inlandspassagen hat die Reederei »Ionian Cruises« ihren Hauptsitz. Der geschäftsführende Gesellschafter der Reederei, Petros Papikinos, sollte zugleich der Kapitän der »Stefano Chiarini« sein. Im Gespräch mit ND in seinem Büro sagte er sichtlich konsterniert: »Ich habe es endlich geschafft, alle erforderlichen Papiere für eine Genehmigung zum Ablegen zu bekommen, aber nun gibt es keine Passagiere mehr. Am Montag (4. Juli) hätten wir fahren können.«

Bereits zwischen Sonntag (3. Juli) und Dienstag (5. Juli) hatten 50 der 60 Passagiere desillusioniert die Insel verlassen. Am Mittwochabend waren bis auf den sich noch immer im Hungerstreik befindlichen italienischen Anästhesisten Dr. Alfonso Coletta und den Autor selbst keine weiteren Passagiere mehr an Bord. Zum ersten Mal war die »Stefano Chiarini« daher auch nicht mehr bewacht. Dann wurden dem Schiff sogar Wasser und Strom abgestellt. Dennoch erklärte Coletta entschlossen: »Ich hungerstreike weiter, bis wir nach Gaza fahren.«

Das wird wohl nicht erfolgen – ungeachtet der Solidarität, die die Korfaner den Gaza-Aktivisten stets gezeigt hatten: vom Waschen der Wäsche über Schlafmöglichkeiten bis zur Versorgung mit Verpflegung und anderen Angeboten praktischer Unterstützung. Alle Teilnehmer äußerten bei ihrer Abreise, sie würden die Gastfreundschaft für immer mit großer Dankbarkeit in Erinnerung behalten.

Zwar wollten die abgereisten Passagiere ursprünglich informiert werden, wenn dem Kapitän die Auslaufgenehmigung vorliegt, was ja nun der Fall ist. Aber der letzte der in Gouvia verbliebenen Koordinatoren der Flotte, Nourdin al-Oudi (Niederlande), Mitglied des Stadtrates von Rotterdam, gab am späten Mittwochabend überraschend deutlich das Ende der Aktion bekannt: »Wir werden nicht nach Gaza fahren!« Gegenüber ND meinte Oudi, eine Rückholaktion sei mit einem zu hohen logistischen und finanziellen Aufwand verbunden. »Wir wollen jetzt in Ruhe überlegen, von wo aus wir die ›Stefano Chiarini‹ während der nächsten Flottenaktion auslaufen lassen«, erklärte er.

Den Weg Richtung Gaza gefunden haben letztendlich laut einem Bericht der »Jungen Welt« nur die schwedisch-griechisch-norwegische »Juliano« und nach gesicherten ND-Informationen die libanesische »Ansar al-Huria«. Die französische »Dignité al-Karama« ist noch in der Nacht zum Donnerstag von der griechischen Küstenwache festgesetzt worden, die Angaben zum jordanischen Schiff aus Akaba widersprechen sich. Alle übrigen Schiffe sitzen in der gesamten Mittelmeerregion fest. Insgesamt wurde die Gaza-Flotten-Aktion hinter der Hand sowohl von Teilnehmern als auch von Koordinatoren als »herbe Niederlage und Sieg für Israel« bewertet. »Wir lernen aus unseren Fehlern und Missgeschicken und werden dafür die nächste Flotte erfolgreich nach Gaza steuern«, versprach Oudi.

* Aus: Neues Deutschland, 8. Juli 2011


Geschwächt, aber nicht geschlagen

Gaza-Flottille kämpft weiter um Aufhebung des griechischen Auslaufverbots

Von André Scheer **


Die Aktivisten der zweiten Gaza-Freiheitsflottille, die humanitäre Hilfsgüter in das von Israel blockierte Palästinensergebiet bringen wollen, kämpfen weiter gegen das Festhalten ihrer Schiffe durch die griechischen Behörde. Den dritten Tag in Folge hielten am Donnerstag (7. Juli) sieben spanische Teilnehmer die Botschaft ihres Landes in Athen besetzt, um gegen das Auslaufverbot für ihr Boot, die »Gernika« zu protestieren. Der Regierung in Madrid warfen sie vor, durch ihre Untätigkeit die Haltung der griechischen Behörden zu unterstützen. Während weitere spanische Teilnehmer an Bord der »Gernika« ausharren, um das Schiff vor Sabotageakten zu schützen, kehrte ein Teil der Delegation am Donnerstag nach Madrid zurück. Auch die nordamerikanische Kampagne »US to Gaza«, die mit der »The Audacity of Hope« an der Flottille teilnehmen wollte, gab das Warten auf. Am Mittwoch kursierende Gerüchte, wonach die Organisatoren einen Verzicht auf die Durchführung der Flottille beschlossen hätten, wurden gegenüber jW jedoch sowohl vom Koordinator der »Deutschen Initiative zum Bruch der Gazablockade«, Khamis Kort, als auch vom »Deutschen Koordinationskreis Palästina Israel« (KOPI) dementiert.

Die schwedisch-griechisch-norwegische »Juliano« setzte am Donnerstag (7. Juli) ihr Katz-und-Maus-Spiel mit den Hafenbehörden fort. Begleitet von Patrouillenbooten und Hubschraubern der griechischen Küstenwache, legte das Schiff am Morgen erneut ab und verließ den Hafen Palaia Phokia, den es am Vorabend angelaufen hatte. Den Tag über kreuzte es durch griechische Gewässer und schien bei jW-Redak­tionsschluß Kurs auf die Insel Kythira vor der Südostspitze des Peloponnes zu nehmen.

Unterdessen ist die französische »Dignité« den griechischen Behörden in die Hände gefallen. Bei einem Aufenthalt in einem kleinen Hafen, der zum Auftanken notwendig geworden war, wurde das Schiff am Mittwoch abend (6. Juli) von einem bewaffneten Patrouillenboot aufgebracht. Mit der Begründung, die Papiere der Besatzung kontrollieren zu müssen, wurde den Aktivisten, zu denen auch der französische Linkspolitiker Olivier Besancenot gehört, die Weiterfahrt untersagt.

** Aus: junge Welt, 8. Juli 2011


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