Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Bitte an Palästinenser

Brief von Vater eines israelischen Soldaten

Der Vater des vor vier Jahren gefangengenommenen israelischen Soldaten Gilad Schalit hat sich am Dienstag in einem offenen Brief an die Palästinenser im Gaza-Streifen gewandt. Unterdessen begrüßte die Türkei die angekündigte UN-Untersuchung zum israelischen Angriff auf eine Hilfsflotte.

»Wir bitten Sie«, heißt es in dem von Noam Schalit auf Hebräisch und Arabisch verfassten Schreiben, »den Druck auf ihre Führer zu erhöhen, so wie wir es in Israel tun, um den Austausch der Gefangenen zu beschleunigen.« Er hoffe, dass die tausend palästinensischen Häftlinge den Beginn des Ramadan mit ihren Familien begehen könnten. Der islamische Fastenmonat beginnt in diesem Jahr am 11. August.

Die im Gaza-Streifen herrschende Palästinenserorganisation Hamas und Israel weisen sich gegenseitig die Verantwortung für das Scheitern der bisherigen Verhandlungen um einen Gefangenenaustausch zu. Die israelische Regierung ist unter Bedingungen im Gegenzug für die Herausgabe Schalits zur Freilassung von etwa tausend palästinensischen Gefangenen bereit. Gilad Schalit war am 25. Juni 2006 von Palästinensern gefangengenommen und in den Gaza-Streifen gebracht worden; seither wird ihm jeglicher Kontakt zur Außenwelt verwehrt.

Die Türkei hat die Bildung einer UN-Kommission zur Untersuchung des israelischen Angriffs auf eine Hilfsflotte für den abgeriegelten Gaza-Streifen als »Schritt in die richtige Richtung« begrüßt. Die Untersuchung müsse »schnell, unparteiisch, glaubwürdig, transparent und entsprechend den internationalen Standards« ablaufen, erklärte das Außenamt in Ankara. Laut Presseberichten fordert die Türkei aber weiterhin eine Entschuldigung Israels sowie Entschädigungszahlungen an die Hinterbliebenen der Opfer des Angriffs. Israelische Soldaten hatten Ende Mai in internationalen Gewässern sechs Schiffe mit Hilfslieferungen für den Gaza-Streifen gestoppt und dabei neun Türken getötet.

Israel hat seinen Widerstand gegen die UN-Untersuchung aufgegeben und schickt ebenfalls einen Vertreter in das Gremium. Die vierköpfige Untersuchungskommission soll vom früheren neuseeländischen Regierungschef Geoffrey Palmer geleitet werden. Neben den Vertretern der Türkei und Israels arbeitet auch der scheidende kolumbische Präsident Alvaro Uribe in dem Gremium mit.

* Aus: Neues Deutschland, 4. August 2010


Ein flüchtiger Kniefall

Von Roland Etzel **

Israel ist »Teil der internationalen Gemeinschaft und kann sich nicht verhalten, als ob wir alleine auf der Welt wären«. Es geht hier um nichts weniger als die bisherige israelische Weigerung, an der Aufklärung der Umstände des Überfalls auf die Gaza-Hilfsflotte mitzuwirken. Aber es hat glatte zwei Monate gebraucht, bis bei der israelischen Regierung diese Erkenntnis, ausgesprochen von Vizepremier Meridor, reifte.

Die Botschaft galt nominell dem UNO-Generalsekretär, der nun seine Bitte um Teilnahme an der von ihm berufenen Ad-hoc-Untersuchungskommission als erfüllt abhaken darf. Eigentlicher Adressat des bislang nur recht flüchtigen Kniefalls der israelischen Regierung vor der überwiegenden Weltmeinung dürfte aber nicht das UNO-Hauptquartier in New York, sondern das Weiße Haus und im weiteren die Türkei gewesen sein. Ankara testet seine nicht nur im Nahen Osten gewachsene politische Bedeutung derzeit zum Ärger der USA ausgerechnet an Israel. Und letzteres exekutierte seine rabiate Sicherheitsdoktrin vor Gaza gerade an türkischen Schiffen. Es war wohl einiges an Druck der USA vornehmlich auf Israel nötig, damit sich die Spannung zwischen Washingtons Hauptverbündeten in der Region nicht weiter aufschaukelt. Aber nichts spricht dafür, dass sich Erdogan mit dieser Geste Israels zufrieden gibt.

Die Untersuchungskommission selbst, an der nun beide mitwirken, kann kaum enttäuschender arbeiten als die interne israelische. Immerhin ist sie bunt zusammengesetzt, dabei auch Kolumbiens abtretender Präsident Uribe. Er könnte die Welt überraschen, wenn er in diesem Gremium mehr als das Trojanische Pferd Washingtons gibt.

** Aus: Neues Deutschland, 4. August 2010 (Kommentar)


Zurück zur Gaza-Seite

Zur Israel-Seite

Zur Palästina-Seite

Zurück zur Homepage