Bitte an Palästinenser
Brief von Vater eines israelischen Soldaten
Der Vater des vor vier Jahren gefangengenommenen israelischen Soldaten
Gilad Schalit hat sich am Dienstag in einem offenen Brief an die
Palästinenser im Gaza-Streifen gewandt. Unterdessen begrüßte die Türkei
die angekündigte UN-Untersuchung zum israelischen Angriff auf eine
Hilfsflotte.
»Wir bitten Sie«, heißt es in dem von Noam
Schalit auf Hebräisch und Arabisch verfassten Schreiben, »den Druck auf
ihre Führer zu erhöhen, so wie wir es in Israel tun, um den Austausch
der Gefangenen zu beschleunigen.« Er hoffe, dass die tausend
palästinensischen Häftlinge den Beginn des Ramadan mit ihren Familien
begehen könnten. Der islamische Fastenmonat beginnt in diesem Jahr am
11. August.
Die im Gaza-Streifen herrschende Palästinenserorganisation Hamas und
Israel weisen sich gegenseitig die Verantwortung für das Scheitern der
bisherigen Verhandlungen um einen Gefangenenaustausch zu. Die
israelische Regierung ist unter Bedingungen im Gegenzug für die
Herausgabe Schalits zur Freilassung von etwa tausend palästinensischen
Gefangenen bereit. Gilad Schalit war am 25. Juni 2006 von Palästinensern
gefangengenommen und in den Gaza-Streifen gebracht worden; seither wird
ihm jeglicher Kontakt zur Außenwelt verwehrt.
Die Türkei hat die Bildung einer UN-Kommission zur Untersuchung des
israelischen Angriffs auf eine Hilfsflotte für den abgeriegelten
Gaza-Streifen als »Schritt in die richtige Richtung« begrüßt. Die
Untersuchung müsse »schnell, unparteiisch, glaubwürdig, transparent und
entsprechend den internationalen Standards« ablaufen, erklärte das
Außenamt in Ankara. Laut Presseberichten fordert die Türkei aber
weiterhin eine Entschuldigung Israels sowie Entschädigungszahlungen an
die Hinterbliebenen der Opfer des Angriffs. Israelische Soldaten hatten
Ende Mai in internationalen Gewässern sechs Schiffe mit Hilfslieferungen
für den Gaza-Streifen gestoppt und dabei neun Türken getötet.
Israel hat seinen Widerstand gegen die UN-Untersuchung aufgegeben und
schickt ebenfalls einen Vertreter in das Gremium. Die vierköpfige
Untersuchungskommission soll vom früheren neuseeländischen
Regierungschef Geoffrey Palmer geleitet werden. Neben den Vertretern der
Türkei und Israels arbeitet auch der scheidende kolumbische Präsident
Alvaro Uribe in dem Gremium mit.
* Aus: Neues Deutschland, 4. August 2010
Ein flüchtiger Kniefall
Von Roland Etzel **
Israel ist »Teil der internationalen Gemeinschaft und kann sich nicht
verhalten, als ob wir alleine auf der Welt wären«. Es geht hier um
nichts weniger als die bisherige israelische Weigerung, an der
Aufklärung der Umstände des Überfalls auf die Gaza-Hilfsflotte
mitzuwirken. Aber es hat glatte zwei Monate gebraucht, bis bei der
israelischen Regierung diese Erkenntnis, ausgesprochen von Vizepremier
Meridor, reifte.
Die Botschaft galt nominell dem UNO-Generalsekretär, der nun seine Bitte
um Teilnahme an der von ihm berufenen Ad-hoc-Untersuchungskommission als
erfüllt abhaken darf. Eigentlicher Adressat des bislang nur recht
flüchtigen Kniefalls der israelischen Regierung vor der überwiegenden
Weltmeinung dürfte aber nicht das UNO-Hauptquartier in New York, sondern
das Weiße Haus und im weiteren die Türkei gewesen sein. Ankara testet
seine nicht nur im Nahen Osten gewachsene politische Bedeutung derzeit
zum Ärger der USA ausgerechnet an Israel. Und letzteres exekutierte
seine rabiate Sicherheitsdoktrin vor Gaza gerade an türkischen Schiffen.
Es war wohl einiges an Druck der USA vornehmlich auf Israel nötig, damit
sich die Spannung zwischen Washingtons Hauptverbündeten in der Region
nicht weiter aufschaukelt. Aber nichts spricht dafür, dass sich Erdogan
mit dieser Geste Israels zufrieden gibt.
Die Untersuchungskommission selbst, an der nun beide mitwirken, kann
kaum enttäuschender arbeiten als die interne israelische. Immerhin ist
sie bunt zusammengesetzt, dabei auch Kolumbiens abtretender Präsident
Uribe. Er könnte die Welt überraschen, wenn er in diesem Gremium mehr
als das Trojanische Pferd Washingtons gibt.
** Aus: Neues Deutschland, 4. August 2010 (Kommentar)
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