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Bongo ist tot, aber "Franceafrique" bleibt

Nicht nur in Gabun hält Frankreichs Regierung seine Hand über Vetternwirtschaft und Korruption

Von Ralf Klingsieck, Paris *

Nun ist er also doch tot. Nachdem Gerüchte über den Tod des Präsidenten von Gabun, Omar Bongo, noch am Montagvormittag heftig dementiert wurden, ist er offiziellen Angaben zufolge am Montagnachmittag in einer Klinik in Barcelona gestorben. Das trifft auch Frankreichs Afrikapolitik.

Die französischen Reaktionen auf die Nachricht vom Tod Omar Bongo kamen prompt: »Frankreich verliert einen Freund«, beeilte sich Außenminister Bernard Kouchner zu erklären, und Präsident Nicolas Sarkozy ließ verbreiten, dass ihn »große Trauer und Schmerz erfüllen«. Das kann man verstehen, denn der mit 41 Amtsjahren dienstälteste Präsident Afrikas war eine tragende Säule des Systems »Franceafrique«, mit dem sich seit Jahrzehnten die jeweils Regierenden in Paris und eine Reihe skrupelloser und korrupter Diktatoren in Afrika gegenseitig unterstützten und gleichzeitig voneinander abhängig machten.

Die Millioneneinnahmen seines Landes aus der Förderung von Uran und Erdöl durch französische und andere ausländische Konzerne nutzte Bongo jahrzehntelang geschickt, um im Land durch gezielte Investitionen alle Stämme zu bedenken und so Differenzen vorzubeugen, sich selbst mit zuverlässigen Gefolgsleuten zu umgeben und potenzielle Oppositionelle zu »kaufen«.

Gleichzeitig sicherte er sich den politischen, wirtschaftlichen und vor allem militärischen Rückhalt Frankreichs, indem er dort einflussreiche Politiker durch illegale Parteispenden oder persönliche Zuwendungen unterstützte.

Die jüngste Affäre, die vor Monaten durch die Presse ging, betraf den jetzigen Außenminister Kouchner. Dem hat Bongo 2003 finanziell über eine amtslose »Durststrecke« geholfen, indem er ihm den Auftrag für ein »Gutachten« über das Gesundheitswesen Gabuns zuschanzte, von dem Journalisten später keine Spur finden konnten, das aber trotzdem mit 217 000 Euro honoriert worden war.

Berichtet wurde schon oft über derartige Fälle und auch beim Prozess gegen den französischen Mineralölkonzern Elf fiel der Name Bongo mehr als einmal, aber aktenkundig oder gar bewiesen wurde nie etwas, denn alle Verfahren wurden durch die französische Justiz umgehend niedergeschlagen. Bei allen Präsidenten von General Charles de Gaulle bis Nicolas Sarkozy ging Bongo im Elysée ein und aus. Alle bezeichneten ihn als »Freund« und Chirac durfte er sogar »Bruder« nennen. Dass Bongo jetzt mit seinem Krebsleiden eine Klinik in Spanien aufgesucht hat und nicht wie sonst immer nach Paris gereist ist, um sich dort im Militär- und Regierungskrankenhaus Val-de-Grâce behandeln zu lassen, hat einen handfesten Grund: Gegen ihn lag in Frankreich ein Haftbefehl vor. Den hat ein mutiger Untersuchungsrichter ausgefertigt, der Ende 2008 ein Ermittlungsverfahren gegen Bongo sowie gegen die Präsidenten von Kongo-Brazzaville und Äquatorial-Guinea, Denis Sassou Nguesso und Teodoro Obiang, eröffnet hat. Ihnen wirft man Korruption, Betrug, Unterschlagung und persönliche Bereicherung am Nationalvermögen ihrer Länder vor. Gleichzeitig leben in Gabun 40 Prozent und in Kongo-Brazzaville sogar 70 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze.

Anzeige haben die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International und die Organisation Sherpa erstattet, die auf die Jagd nach den durch afrikanische Diktatoren veruntreuten Millionen spezialisiert ist, sowie eine Reihe von Bürgern dieser Länder, die in Frankreich im Exil leben. Sie wiesen unter anderem nach, dass Omar Bongo in Frankreich und vor allem an der Côte d'Azur zahlreiche Villen und allein in Paris 39 Häuser und Luxuswohnungen besitzt.

Unterdessen sinnt man im Elysée darüber nach, wie man das Verfahren »im übergeordneten außenpolitischen Interesse des Landes« aus der Welt schaffen kann. Entsprechende Andeutungen machte Präsident Nicolas Sarkozy auf einer Afrika-Reise im vergangenen März, wo er gleichzeitig offiziell erklärte, die »Verwendung der Einnahmen aus den Naturvorkommen der afrikanischen Länder« müsste »transparenter werden«. Solche Doppelzüngigkeiten lassen vermuten, dass dem System »Franceafrique« noch lange kein Ende bereitet werden soll. Omar Bongo - dessen Nachfolge umgehend durch seinen Sohn und Verteidigungsminister Ali Bongo angetreten wird, so dass der Familienclan weiter am Ruder und für Frankreich wichtig bleibt - pflegte zu sagen: »Afrika ohne Frankreich ist wie ein Auto ohne Fahrer und Frankreich ohne Afrika ist wie ein Auto ohne Treibstoff.«

* Aus: Neues Deutschland, 10. Juni 2009


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