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Hollande übte sich im Balancieren

Israel dankt für Hilfe gegen Irans Atompläne / Im Nahostdialog erwartet Paris "Gesten" von beiden Seiten

Von Ralf Klingsieck, Paris *

Ein euphorischer Empfang wurde Frankreichs Präsident François Hollande in Israel für seine Aussagen zu Iran zuteil. In Ramallah erklärte er seine Unterstützung für die Palästinenser.

Dass der offizielle Besuch von Frankreichs Präsident François Hollande am Sonntag und Montag in Israel und den palästinensischen Territorien ein Balanceakt werden würde, der das ganze diplomatische Geschick des stets auf Ausgleich bedachten Präsidenten erfordern würde, war von vornherein klar. Doch nun erhielt die Visite auch noch einen weltpolitisch brisanten Akzent durch die Hoffnungen, die die israelische Führung mit Frankreichs Abblocken einer vorschnellen Verhandlungslösung mit Iran in der Atomfrage verbindet.

Dass der französische Außenminister vor Tagen in Genf sein Veto gegen ein von den USA vorangetriebenes Abkommen ohne ausreichende Garantien gegen eine mögliche Atomrüstung eingelegt hat, machte Paris plötzlich für Tel Aviv zum Hoffnungsträger, nachdem man sich vom traditionellen Hauptverbündeten USA im Stich gelassen fühlte. So wurde für den französischen Präsidenten in Israel demonstrativ der rote Teppich ausgerollt. Am Vorabend hatte Regierungschef Benjamin Netanjahu nicht mit Vorschusslorbeeren gespart und geflissentlich heruntergespielt, was die stramm rechte Führung Israels politisch von der französischen Linksregierung trennt. Vergessen war plötzlich, wie Paris aus Tel Aviv attackiert wurde, nachdem Frankreich die Aufnahme Palästinas als Vollmitglied in die UNESCO und als Beobachter in die UNO möglich gemacht hatte.

Hollande hat den Aufwand um seine Person sichtlich genossen. In Frankreich ist er gegenwärtig nicht verwöhnt angesichts der 73 Prozent Franzosen, die mit seiner Politik unzufrieden sind. So wurden in den Reden vorwiegend Höflichkeiten ausgetauscht und das betont, was beide Länder verbindet. Auf Netanjahus Ausruf »Vive la France!« antwortete Hollande zum Abschluss seiner Rede mit der auf Hebräisch vorgetragenen Versicherung »Ich bin ein Freund Israels, und ich werde es immer sein.«

Die Erwartungen seiner Gastgeber hat er nicht enttäuscht, wenn er zu Iran erklärte: »Frankreich weicht in der Frage der Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen nicht zurück und hält seine Forderungen und Sanktionen aufrecht, solange Iran nicht eindeutig auf Atomwaffen verzichtet. Wir werden uns niemals mit einem Zugang Irans zu Atomwaffen abfinden, denn das ist eine Gefahr nicht nur für die Sicherheit Israels, sondern für die ganze Welt.«

Dass Hollande auch betonte, dass Frankreich von Israel »Gesten« erwartet, um eine Friedenslösung im Nahen Osten möglich zu machen und dabei in erster Linie ein Ende des Baus von Siedlungen in den besetzten Gebieten, konnte seine Gastgeber nicht erschüttern.

Am nächsten Tag in Ramallah in Palästina ersuchte Hollande auch die Führung der Palästinenser um »Gesten«, die den Frieden näher bringen. Frankreich stehe für das Prinzip »Zwei Staaten für zwei Völker« mit Jerusalem als gemeinsamer Hauptstadt ein. Damit ein palästinensischer Staat »lebensfähig« sein kann, dürfe er nicht von vornherein abgeschnürt werden durch einen Flickenteppich israelischer Siedlungen, mit denen Ultras vollendete Tatsachen schaffen wollen. Gleichzeitig betonte Hollande gegenüber seinen palästinensischen Gastgebern das »Recht Israels auf Sicherheit« und forderte sie im Interesse einer Verhandlungslösung mit Tel Aviv auf, »Konzessionen zu machen«, beispielsweise in der Frage der Rückkehr der Flüchtlinge.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 19. November 2013


Flucht in die Waffenbrüderschaft

Von Roland Etzel **

Vielleicht hätte der Nahostbesuch eines französischen Präsidenten noch vor einem Jahr respektvollere Bewertungen gezeitigt. Selbst wenn er dasselbe gesagt und getan hätte wie gestern. In Frankreich wurde die Visite von links bis rechts als Flucht vor den heimischen Problemen gewertet, die israelischen Medien sahen das sehr ähnlich. Nicht einmal die Kraftmeierei am Tempelberg, mit der Hollande der iranischen Regierung auch für die morgige Runde um die atomare Option Teherans strikte Unversöhnlichkeit aus Paris signalisierte, vermochte das Lager seiner Freunde in Hochstimmung zu versetzen.

Zwar hat man Hollande in Israel dafür präsidial auf die Schulter geklopft. Aber auch der stolze Franzose sollte bemerkt haben, dass seine fast aufdringlichen Versicherungen einer Waffenbrüderschaft von der Israels Öffentlichkeit für nicht sehr belastbar gehalten werden. Abgesehen davon, dass wohl gar nicht so viele Israelis die Beschuldigungen Hollandes gegen Teheran für realitätsgestützt halten, wie er selbst glauben mag. »Mit Verlaub – Sie sind nett zu uns«, säuselt es Monsieur le Président aus dem israelischen Blätterwald entgegen, »aber leider kein Ersatz für Obama.« Und Iran ist nicht Mali.

Und so war auch die den Palästinensern in Ramallah versicherte Ablehnung jeglichen israelischen Siedlungsbaus entsprechend wertgemindert – ohnehin nur abgegeben im Expresstempo zwischen zwei Terminen in Israel.

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 19. November 2013 (Kommentar)


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